Funktechnik erobert Fabrikhallen
Ob Bluetooth oder Wireless LAN: In der Industrie öffnen sich Funktechniken jetzt breite Anwendungsfelder. Zwar gibt es noch keine internationalen Standards. Doch könnte das Kommunikationsprotokoll „Wireless Hart“ durchaus zur weltweiten Norm werden. Im Kompetenzzentrum „Wireless Automation“ in Halle 7 der diesjährigen Hannover Messe geben 50 Aussteller Einblick in den vordersten Stand der Funktechnik für die Fabrik. VDI nachrichten, Düsseldorf, 17. 4. 09, kip
Während Bluetooth für kurze Distanzen bei geringen Datenraten konzipiert ist, erlaubt Wireless LAN (WLAN) über große Distanzen Übertragungsraten oberhalb 50 Mbit/s. Beide Verfahren funken im lizenzfreien 2,4-GHz-Band, in dem auch andere Funkkanäle aktiv sind. „Eine wesentliche Herausforderung in der industriellen Kommunikation ist daher die hohe Zuverlässigkeit der Datenübertragung, das heißt Determinismus bei kurzen Kommunikationszyklen. Dabei sind die speziellen industriellen Bedingungen wie Mehrwegeausbreitung und mobile Störer zu berücksichtigen“, erläuterte Lutz Rauchhaupt, Abteilungsleiter Drahtlose Kommunikation am Marburger Institut für Automation und Kommunikation (Ifak).
Internationale Standards, wie sie in der drahtgebundenen industriellen Kommunikation mit den Ethernet-Varianten entwickelt wurden, sind in der Funktechnik noch nicht etabliert. „Für die Prozesstechnik gibt es mit dem Kommunikationsprotokoll Wireless Hart eine Spezifikation, die zur internationalen Norm werden kann. Für Anwendungen in der Fertigungsautomation sind WLAN und Bluetooth über Profinet in der Diskussion, zusätzlich ist eine Spezifikation für ein drahtloses Sensornetzwerk im Gespräch“ meinte Rauchhaupt.
Von den mittlerweile 24 Mio. installierten Hart-Geräten (Highway Addressable Remote Transducer) in der Prozessautomation sind allerdings nur 10 % voll diagnosefähig. „Eine standardisierte drahtlose Kommunikation mit intelligenten Feldgeräten ist ein wichtiger Schritt in der Prozessautomation. Wireless Hart wird nicht nur die Funktionalität der Feldgeräte erweitern, sondern auch die Integration von Produkten unterschiedlicher Hersteller in anlagen-weite Asset-Management-Systeme vereinfachen“, kommentierte Ron Helson, Direktor der Hart Communication Foundation (HCF). Die Fieldbus Foundation (FF), die HCF und die Profibus-Nutzerorganisation (PNO) haben ein „Wireless Cooperation Team“ gegründet, um Wireless Hart in Fertigung und Prozessindustrie voranzutreiben.
Dabei wird das weltweit lizenzfreie 2,4-GHz-Band genutzt, welches auch für WLAN, Bluetooth, ZigBee und andere Funktechniken verwendet wird. Um Kollisionen in dem Frequenzband zu verhindern, sucht Wireless Hart speziell nach ungenutzten Kanälen. Mit einem Wireless-Hart-Adapter lassen sich vorhandene Feldgeräte aufrüsten. Über batteriebetriebene Adapter z. B. wird in parametrierbaren Zeitabständen das Feldgerät „aufgeweckt“, der Messwert abgefragt, drahtlos verschickt und danach das Feldgerät wieder abgeschaltet.
Zudem gibt es eine große Anzahl von Applikationen in der Automation und Verfahrenstechnik, die mit Funk realisiert werden können oder durch Funktechnik wirtschaftlich erst ermöglicht werden. „Wireless Hart ist ein notwendiger Schritt von proprietären Lösungen zu einem übergreifenden Standard in der Prozesstechnik, der Funk ohne Systembruch ermöglicht“, so Gunter Kegel, Geschäftsführer von Pepperl + Fuchs in Mannheim. Das Kommunikationsprotokoll werde neue Möglichkeiten zur Qualitätsverbesserung, Anlagen- und Prozessoptimierung sowie Anlagenüberwachung eröffnen.
Gerade durch Wireless Hart erwarten die Marktforscher von Frost & Sullivan eine besonders starke Funkdurchdringung in der petrochemischen Industrie. Der europäische Markt für solche drahtlosen Komponenten belief sich in 2008 auf etwa 20 Mio € und soll bis zum Jahr 2010 auf 30 Mio. € wachsen. Ein weiterer wichtiger Sektor ist die Nahrungsmittelindustrie, es wird für Europa ein Zuwachs von 14 Mio. € auf 20 Mio. € bis 2010 erwartet.
Den wichtigsten Wachstumstreiber sehen die Analysten allerdings in der europäischen Automobilindustrie. Hier können die Ausrüster von drahtlosen Kommunikationssystemen auf einen Zuwachs von 24 Mio. € in 2008 auf 32 Mio. € in 2010 hoffen.
Wichtige Argumente sind laut diesen Studien stark reduzierte Aufwände für die Verkabelung und Installation von Sensoren/Aktoren sowie erheblich verbesserte Kommunikation mit dem Bedienpersonal über entsprechend eingebundene Terminals. In einer Automobilfabrik beispielsweise könnten mehr als hunderttausend Ein-/Ausgabepunkte an viele lokale Steuerungen angebunden sein, etliche in rauer Betriebsumgebung und unter mechanischer Belastung (Schleppkabel). Hier profitieren Anwender besonders von drahtlosen Technologien. A. SCHARF/KIP
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