„Direktantriebe werden für die Industrie immer attraktiver“
VDI-nachrichten, Braunschweig, 2. 11. 07, kip – Geregelte Antriebe sparen Energie und schonen die Umwelt. Virtuelle Produktentwicklung wird ein Schwerpunktthema im Antriebs-Engineering, wie Prof. Walter Schumacher, Leiter des Instituts für Regelungstechnik an der Technischen Universität Braunschweig, im Folgenden ausführt.
Schumacher: Die Einsatzbereiche ungeregelter Antriebe schwinden immer mehr. Die SPS/IPC/DRIVES ist fokussiert auf industrielle Anwendungen im allgemeinen Maschinenbau, also beispielsweise Verpackungsmaschinen, Druckmaschinen, Logistiksysteme und Werkzeugmaschinen. In diesen Bereichen sind gezielte Bewegungssteuerungen gefragt, weniger Anwendungen bei fester Drehzahl. Und selbst bei diesen werden ja bereits elektronisch kommutierte Antriebe eingesetzt, die prinzipiell auch regelbar wären. Die Kostenvorteile ungeregelter Antriebe kommen praktisch nur noch bei sehr kleinen Leistungen zum Zuge, ansonsten rechtfertigen die Energiekosten die Investition in Elektronik und damit einen effizienteren geregelten Betrieb.
VDI nachrichten: Wo sehen Sie die aktuellen Trends bei ungeregelten sowie geregelten Antrieben?
Schuhmacher: Direktantriebe werden immer wichtiger, denn nur damit lassen sich die steigenden Anforderungen nach höherer Genauigkeit und Dynamik erfüllen. Häufig heißt das auch gleichzeitig, dass der Motor selber keine eigenen Lager mehr hat und als speziell entworfener Motor hinsichtlich Durchmesser, Achslänge und Kühlkonzept in die Arbeitsmaschine integriert ist im Sinne eines mechatronischen Entwurfs. Es werden bis auf Kleinmotoren (z. B. für Automobilanwendungen und Haushaltsgeräte) praktisch nur Drehfeldmaschinen neu entwickelt.
VDI nachrichten: Was tut sich beim Thema Vernetzung in Bezug auf Echtzeitfähigkeit und Schnittstellen?
Schuhmacher: Die Vernetzung geregelter elektrischer Antriebe spielt eine steigende Rolle. Der Anteil der Antriebe, die mit einer Busschnittstelle ausgeliefert werden, wächst stark an. Die eingeführten Systeme machen dabei immer noch den Löwenanteil aus. Die neueren Entwicklungen im Bereich der Vernetzung setzen auf die Hardware des Ethernets mit 100 Mbit/s, ergänzen aber zusätzliche Strukturen zur Sicherung der harten Echtzeitfähigkeit darüber. Gleichzeitig wird darauf geachtet, dass sowohl die Standard-Internetprotokolle mit den Erweiterungen koexistieren können als auch dass die softwaremäßigen Strukturen eingeführter Bussysteme der Echtzeitkommunikation auf die neue Physik transparent portiert werden.
VDI nachrichten: Sind auf der SPS/IPC/DRIVES 2007 neue Megatrends zu erwarten oder wird es hauptsächlich um Verbesserungen bereits bekannter Konzepte gehen?
Schuhmacher: Marktentwicklungen zum Megatrend auszurufen halte ich für wenig hilfreich. Der SPS/IPC/DRIVES-Kongress bietet wie in den Vorjahren fundierte Information über neueste Markttrends und dokumentiert sowohl den aktuellen Stand der Technik als auch Ansätze zu neuen Trends, die das Zeug haben, sich zu „Megatrends“ zu entwickeln.
VDI nachrichten: Wie sieht es bei der Hardware aus?
Schuhmacher: Auf der Hardwareseite ist zu verzeichnen, dass immer mehr dedizierte Logik durch FPGAs (Field Programmable Gate Arrays) abgelöst werden. Dies ermöglicht flexiblere Entwürfe der Hardware, bei denen die endgültige Detailfunktionalität erst am Ende des Entwicklungsprozesses festgelegt oder sogar im Feld geändert werden kann. Auch die die Hardware verwandelt sich dadurch quasi im Umgang zu Software. Dann gewinnt das Thema der virtuellen Produktentwicklung immer größeren Raum. Es geht darum, durch die Unterstützung mit den entsprechenden Softwaretools frühzeitig im Produktentwicklungsprozess die Fehlerfreiheit der Entwürfe von Produkten oder ganzen Anlagen durch Simulationen sicherzustellen. Dazu braucht man Modelle der Komponenten und Softwareschnittstellen, die diese Vorgehensweise unterstützen. M. CIUPEK/KIP
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