Digitale Planung bringt Sicherheit
Immer schneller und zuverlässiger soll die Produktion neuer Fahrzeugmodelle künftig anlaufen. Ohne digitale Unterstützung lässt sich dies in der Automobilindustrie kaum noch realisieren, so der Tenor einer Fachtagung in Chemnitz.
Noch am Beginn sieht Ingolf Grüßner die IT-Nutzung zur Fabrikplanung: „Die digitale Fabrik ist in aller Munde – aber noch nicht in allen Köpfen,“ so das Fazit des Planungsspezialisten vom Entwicklungsdienstleister Edag in Fulda nach dem Symposium „Digitale Fabrik“, das die Verbundinitiative „Automobilzulieferer Sachsen“ (AMZ) Anfang Oktober in Chemnitz veranstaltete. Produktionsanlagen und Gebäudestrukturen von morgen lassen sich damit bereits heute simulieren.
„Die digitale Fabrik ist der Oberbegriff für ein umfassendes Netzwerk von digitalen Modellen und Methoden, u.a. der Simulation und 3D-Visualisierung,“ erläutert Ingolf Grüßner die vom VDI-Arbeitskreis festgelegte Definition. „Ihr Zweck ist die ganzheitliche Planung, Realisierung, Steuerung und laufende Verbesserung aller wesentlichen Fabrikprozesse und -ressourcen in Verbindung mit dem Produkt.“
Für AMZ-Projektmanager Matthias Faust geht das Thema längst nicht mehr nur die Automobilhersteller (OEM), sondern auch ihre Lieferanten an. „Nur wenn neue Produkte entwickelt und nach modernen Technologien gefertigt werden, können Zulieferer bei der übernächsten Fahrzeuggeneration von Anfang an mitarbeiten,“ betont er. „Das heißt aber in der praktischen Umsetzung, nicht nur den Trend aufzugreifen, sondern auch selbst neue Maßstäbe zu setzen.“ Die AMZ-Initiative unterstütze dabei die Zulieferer, künftig ihre Chancen zu verbessern und schon im Entwicklungsprozess integriert zu sein.
Die Automobilhersteller haben schon früh auf digitale Planungswerkzeuge gesetzt. Stefan Pohlmann fasst die Erfahrungen der BMW-Group zusammen: „Die Entwicklungszeit kann durch das Planungswerkzeug ,Digitale Fabrik“ bei steigender Produktkomplexität signifikant reduziert werden.“ Für den Leiter der Werksstrukturplanung des Werkes Leipzig steht fest: „Kurze Reaktionszeit auf die Marktanforderungen und die steigende Anzahl von Nischenfahrzeugen erfordern eine hohe Parallelisierung des Entwicklungs- und Planungsprozesses.“
Wichtige Voraussetzung für die Fabrikplanung ist ein einheitliches Datenmanagement. „Zur Zeit wird bei der digitalen Fabrik mit unterschiedlichen Werkzeugen gearbeitet,“ bemängelt Stefan Pohlmann. „Herausforderung ist es eigentlich, losgelöst von Experten-CAD-Systemen den Bedarfsträgern, wie Planern und Zulieferern, die unterschiedlichen Daten in der PC-Arbeitsumgebung zur Verfügung zu stellen“ –, z.B. mit einem Betrachterprogramm.
Bei DaimlerChrysler visualisiert man z.B. alle layoutbezogenen Planungstätigkeiten dreidimensional auf einer großflächigen Leinwand – der Powerwall. „Wir arbeiten mit einer Workshop-orientierten Planung,“ erklärt Armin Schäfer. „Dafür gibt es regelmäßige, interdisziplinäre Diskussionen und Absicherungen in jeder Planungsphase, um eine Explosion der Änderungskosten in der Anfahrphase der Produktion zu verhindern.“
Das Team, in dem über 70 Leute aus den Fachabteilungen und bei Zulieferern mitarbeiten, überprüft an Hand der 3D-Visualisierung des Prozesses, welcher Änderungsbedarf besteht. „Wir können den Zulieferern deutlich aufzeigen, wo wir Handlungsbedarf sehen,“ begründet Armin Schäfer das Vorgehen. So ergänzen sich Produktentwickler, Prozessplaner und die Betreibermannschaft, wie Meister und Instandhalter, um frühzeitig hohe Änderungskosten nach dem „Start of Production“ (SOP) zu minimieren. Durch die Optimierung von laufenden Montageprozessen konnte demnach bei DaimlerChrysler die Anlagenauslastung von 70 % auf 94 % erhöht werden.
Fehlerfrüherkennung im Planungsprozess rechnet sich auch für die Adam Opel AG. Thorsten Weber, Projektleiter „Virtuelle Fabrik“, bestätigt das: „15 % des Investments konnte eingespart werden, weil mit Hilfe digitaler Werkzeuge spätere Änderungen wegfielen.“ Bis heute habe man reichlich Erfahrungen gesammelt und 1 400 000 m³ in 3D-Modellen abgebildet. „Um 30 % konnte die Implementierungszeit durch Robot-Offline-Programmierung verringert werden und 20 % der Hallenfläche wurde durch optimalen Materialfluss eingespart“, freut sich Weber.
Das Thema wird mit der steigenden Modellvielfalt auch für Zulieferer immer brisanter. Stefan Pohlmann: „Für die Weiterentwicklung der digitalen Fabrik muss der Schulterschluss zwischen OEMs und Lieferanten erfolgen. Ziel muss es sein, die Tools der digitalen Fabrik in die Standardplanungs- und Betriebsprozesse der OEMs und Zulieferer zu überführen.“ Diesen Prozess will die Verbundinitiative AMZ begeleiten. Dort plane man bereits das 2. Symposium im kommenden Jahr, bestätigt Michael Faust.
Ein Beitrag von: