Die digitale Fabrik ist in der Realität angekommen
Simulation beschleunigt den Fertigungsanlauf und die Prozesse können optimal eingestellt werden. In Produkt- und Produktionsplanung steckt also noch viel Rationalisierungspotenzial. Bisherige Erfahrungen mit den neuen Technologien präsentierten Fachleute in Leipzig.
Durch die Nutzung virtueller Techniken konnte General Motors Europe beim neuen Opel Astra rund 70 Mio. € an Änderungskosten sparen. Audi hat mittels Simulation die Lackierprozesse optimiert und dadurch die Zahl der Farbwechsel um rund 50 % reduziert. Die Beispiele zeigen, dass die digitale Fabrik auf vielfältige Weise in der Realität angekommen ist.
Zeitersparnis, Kostensenkung sowie ein höherer Reifegrad von Produkt und Produktionsprozess zu einem früheren Zeitpunkt sind Haupteffekte, die mit den Werkzeugen der digitalen Fabrik erzielt werden können. Darin waren sich Redner wie Publikum des 2. Symposiums „Digitale Fabrik“ der Verbundinitiative Automobilzulieferer Sachsen (AMZ) Ende Juni in Leipzig einig.
Für AMZ-Projektmanager Matthias Faust liegen die großen Effekte noch vor den Akteuren: „Bei feststehenden Materialpreisen und nach unten starren Lohnkosten sind die notwendigen Einsparungen in der Produktion bei den Prozessen zu erzielen. Hier bietet die digitale Fabrik ein großes Potenzial.“
Prof. Uwe Bracht von der TU Clausthal macht auf noch bestehende Zeit- und Reibungsverluste aufmerksam: Das beginne bei der Betrachtung der Problemfelder eines Planers. Rund 60 % seiner Zeit brauche er für Informationsbeschaffung und Abstimmung. Die eigentliche Planung nehme gegenwärtig nur 20 % seiner Tätigkeit ein. „Mit integrierter Planung zwischen Produktenwicklung und Produktionsgestaltung erhält der Planer schneller die Daten, damit er seine Hauptarbeit leisten kann“, ist der Fachmann für Anlagenprojektierung überzeugt.
Das unterstreicht auch Dr. Günter Wöhlke vom Projekt Digitale Fabrik bei DaimlerChrysler: „Die digitale Fabrik schafft überhaupt erst die Basis für die integrierte Zusammenarbeit zwischen Entwicklung und Produktion.“ So könne der eine ohne den anderen sein Potenzial nicht ausspielen. „Durch produktionsgerechte Produktgestaltung können wir deutlich früher abgesicherte Prozesse an ein Werk übergeben“, verdeutlicht er Zeit- und Kostenersparnisse.
Einen enormen Handlungsbedarf sieht er im Zusammenspiel mit Softwarepartnern und Zulieferern. So werde bei DaimlerChrysler am Workflow in der Rohbauplanung gearbeitet, der Belange von Zulieferern und OEM integriert. Mit der Umsetzung soll zum Jahresende begonnen werden.
Die Parallelisierung von Produkt- und Prozessentwicklung sowie die Integration von Lieferanten sind auch Hauptthemen bei General Motors Europe. „Wir richten unsere Prozesse darauf aus, dass Lieferanten und Engineering-Partner für die Realisierung genau definierter Projekte mit der OEM-Datenbank arbeiten und im Gegenzug Daten zur Anlagenplanung oder zu anderen Aufgaben tagfertig an uns zurück übermitteln. Dafür haben wir eine gewisse Zahl von Lizenzen für kleinere Unternehmen gekauft und qualifizieren sie in unserem Center of Competence“, erläutert Projektleiter Thorsten Weber das Vorgehen.
Lieferantenintegration auf der Basis der Datenstandards IDA-STEP betreibt der Engineering-Dienstleister Edag in Fulda. Ingolf Grüßner, Leiter Engineering Querschnittsprozesse, betont: „Ein Schlüssel für den Erfolg liegt darin, die Werkzeuge der digitalen Fabrik auf die Kernprozesse der Einzelunternehmen zuzuschneiden und den gemeinsamen Nenner an Informationen über abgestimmte Prozess- und Datenschnittstellen zwischen den Projektpartnern auszutauschen.“ Mit dem Blick für das Machbare gelte es, messbare Teilerfolge zu sichern. „Man sollte nicht auf die 100-prozentige Lösung warten.“
Die Integration von Daten und Prozessen in einem werkzeug- und plattformunabhängigen Objektmodell verfolgt Kuka Schweißanlagen. „Mit dem Kuka-Infobus haben wir eine Integrationsplattform geschaffen, die verschiedene datenhaltende Werkzeuge als Bestandteil einer virtuellen Datenbank mit einem plattformunabhängigen Datenmodell verbindet“, erläutert Dr. Christian H. Fedrowitz. Anwendungen zur Visualisierung von Fahrzeug- und Anlagendaten, zur Konvertierung von Datenformaten oder zur Verwaltung von Schweißdaten arbeiteten bereits mit diesem Objektmodell.
Die Beispiele zeigen, dass es im Großen viel Übereinstimmung, im Kleinen ganz unterschiedliche Vorgehensweisen gibt. Für Prof. Bracht ist der integrale Ansatz von entscheidender Bedeutung: „Die digitale Fabrik darf nicht aus Insellösungen bestehen“, sagt der Leiter des VDI-Fachausschusses Digitale Fabrik. Mit der VDI-Richtlinienarbeit wollen er und seine Kollegen vor allem Mittelständlern eine Einführungshilfe zur Nutzung des umfassenden Netzwerkes digitale Fabrik in die Hand geben: „Es ist ein zentraler Innovationstreiber, mit dem Produktentstehungszeiten entscheidend verkürzt werden sowie eine höhere Produktreife, eine bessere Planungsqualität und ein steilerer Anlauf möglich sind.“ Bis 2008 prognostiziert er entscheidende Fortschritte bei der Virtualisierung. „Es werden aber weiterhin zwei bis drei große Plattformsysteme bestehen. Auch das Schnittstellenproblem wird noch nicht ganzheitlich und automatisiert gelöst sein. Hemmnisse bestehen ebenfalls noch aus der Organisation, aus den Köpfen heraus.“INA REICHEL/CIU
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