Die Bedürfnisse des Kunden besser kennen als er selbst
Im folgenden Text berichtet er über strukturelle Veränderungen von weit größerer Wucht als das konjunkturelle Auf und Ab des Fabrikausrüster-Geschäfts.
Wir empfanden es bislang als besonders modern, den Kunden als König zu bezeichnen. Dessen Wunsch hatte Befehl zu sein. Doch in dem Maße, wie sich Zuständigkeiten vom Kunden auf den Lieferanten verlagern, reicht es heute nicht mehr aus, dem Kunden seine Wünsche willfährig von den Lippen abzulesen. König Kunde will vielmehr, daß wir selbst unsere eigene Kompetenz in das Geschäft mit ihm einbringen. Wir müssen verantwortlicher und offensiver im Verhältnis zum Kunden mit dem umgehen, was wir bieten können.
Wir müssen wirklich zu dem stehen, was wir für das Beste für den Kunden halten und können uns nicht mehr nur auf das versteifen, was der Kunde als Wunsch geäußert hat. Wir müssen – um es auf den Punkt zu bringen – auf unserem Gebiet die Bedürfnisse des Kunden besser kennen als er selbst.
Der alte König Kunde ist tot. Unsere Kunden konzentrieren sich immer stärker auf ihr eigenes Produkt und dessen Vermarktung. Die Unternehmen sind mehr und mehr gezwungen, sich auf die Aufgaben zu konzentrieren, die für ihre eigene Marktposition entscheidend sind. Das sind Produktentwicklung und Marktdurchdringung. Die Herstellung wird zur Dienstleistung.
Deshalb sind wir als als Lieferant der produzierenden Maschinen und Anlagen zunehmend für Herstellung, Qualität und Produktkosten in die Pflicht genommen. Wir sollen sicherstellen, daß das gesamte Produktionssystem beim Kunden optimiert ist und daß die Optimierung nicht nur nach technischen Kriterien erfolgt.
Wir als Lieferant müssen verantworten, was uns ins Lastenheft geschrieben wird, die Bewältigung von Qualität, Kosten, Auslastungsschwankungen, unterschiedliche Standort- und Infrastrukturbedingungen oder die verschiedensten Mitarbeiterqualifikationen im Kundenunternehmen. Wir können uns immer weniger allein auf unsere technische Kompetenz verlassen.
War es früher möglich, durch technische Finessen einen Wettbewerbsvorsprung am Markt zu erzielen, fragt heute der Kunde nach dem Gesamtnutzen für sein Endprodukt und seine Lieferfähigkeit.Herstellung wird zur Dienstleistung.
Zur Bereitstellung der Maschinen und Anlagen kommt die Schulung der Mitarbeiter. Selbst permanente personelle und organisatorische Unterstützung beim Betreiben der Anlagen wird nachgefragt. Betreibermodelle sind keine Seltenheit mehr. Kunden wollen nicht den Bohrer, sondern das Loch.
Das Leistungsangebot geht über die Rücknahme von Gebrauchtmaschinen bis hin zum Recycling. Ja, selbst Neumaschinen werden mit Altmaschinen „bezahlt“. Der Kunde macht uns so mitverantwortlich für den gesamten Lebenszyklus der Maschine bis hin zum weltweiten Kapazitätsmanagement: Im Extremfall stellt der Lieferant von Maschinen und Anlagen immer nur gerade die Produktionskapazität zur Verfügung, die der Kunde zeitpunktbezogen wirklich benötigt.
Je mehr sich das Geschäft mit Maschinen und Anlagen vom reinen „Ladenthekengeschäft“ löst, je mehr es sich in den Wertschöpfungsprozeß beim Kunden integriert, desto größer ist der Individualisierungsgrad. Die Grenzen zwischen Investitionsgut und Dienstleistung verwischen sich immer mehr. Hat Dienstleistung allein vielleicht auch keine Zukunft mehr? Es scheint so.
„Dienstleistung – Produktion – Dienstleistung“, dieses weite Feld charakterisiert das Verhältnis zwischen dem Kunden und Lieferanten von Maschinen und Anlagen. Und jeder Kunde definiert dieses Verhältnis für sich ganz individuell.
Normen und Standards werden mehr und mehr vom Markt als Begrenzung der Individualisierung gesehen. Standardisierung ist nun mal das Gegenteil von Individualisierung. Und der Stand der Technik, den Normen auch definieren möchten, gibt es in dem Maße nicht mehr. Stand der Technik ist eben nicht mehr das, was machbar ist, sondern ausschließlich das, was den Kunden in seinem Geschäft erfolgreicher macht.
Auch wird es darauf ankommen, die Grenzen des Einzelunternehmens zu überspringen. Denn die eigentliche Leistung des Lieferanten von Maschinen und Anlagen besteht immer weniger darin, was er alleine kann. Auf die Gesamtleistung – entstanden auch im Verbund mit anderen – kommt es an. Der Markt fordert daher Unternehmenskooperationen und Unternehmenszusammenschlüsse. Auch das wird den mittelständisch geprägten Maschinenbau sehr fordern.
Auf der einen Seite gilt es, Leistungsverbünde zu schaffen, auf der anderen Seite sollten wir die Gestaltungs kraft des Mittelstandes bewahren und über den Generationswechsel hinaus weiterentwickeln.
Mit welcher Unternehmensphilosophie kann denn nun ein Maschinenbauer in die Zukunft gehen? Drei Eigenschaften muß er für das breitgefächerte Feld bieten – wie er sie eigentlich immer schon hätte haben müssen: „Pragmatismus“ – der gestandene Handwerker “ Innovation“ – der Ideen- und Impulsgeber, der aufgrund seiner handwerklichen Grundlage und seinem Unternehmergeist diese Ideen auch unmittelbar umsetzt “ Exzellenz“- der erfolgreiche Unternehmer, der nicht nur anpackt und Ideen hat, sondern sie am Markt auch durchsetzt.
EBERHARD REUTHER
„Standpunkt“ des VDMA-Präsidenten konzentriert Redetexte vom Aachener Werkzeugmaschinen-Kolloquium und vom 40jährigen Jubiläum des Fraunhofer-Insituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA), Stuttgart, im Juni dieses Jahres.
Dem VDMA-Präsidenten Eberhard Reuther ist klar,, daß sich die Grenzen zwischen Investitionsgut und Dienstleistung verwischen. Es geht ihm um den Gesamtnutzen für den Maschinen-Anwender: „Der Kunde will das Loch und nicht den Bohrer.“
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