Anlagenbau 26.11.1999, 17:23 Uhr

Das gläserne Kraftwerk

Kraftwerke vollautomatisiert und bildschirmbedient zu fahren, ist heute Stand der Technik. Doch der Fall der Strompreise erfordert noch weitergehende Entwicklungen. Ein Ziel ist das „gläserne Kraftwerk“, bei dem alles Wissen über den technischen und wirtschaftlichen Betrieb transparent wird.

Großkunden können bei uns Preisnachlässe von 20 % bis 40 %, ja sogar 50 % erreichen“, bestätigt Dr. Hermann Farwick, Leiter des Kraftwerks Voerde von Steag-RWE. Inzwischen profitieren auch Haushaltskunden von dem rasanten Abwärtstrend. Preis, Verfügbarkeit und Schnelligkeit bei der „Ware Kilowattstunden“ werden immer mehr zu entscheidenden Erfolgsfaktoren im harten Konkurrenzkampf auf den Strom-Handelsplätzen.
Im Vordergrund der Leittechnik steht deshalb die intelligente Verknüpfung von Informationen aus allen Bereichen wie Produktion, Betriebserhaltung und Betriebswirtschaft zu einer ganzheitlichen Betrachtung. „Hierbei werden prozesstechnische Zustände ebenso berücksichtigt wie Maßnahmen für Wartung oder Reparatur, aber auch Größen wie Brennstoffkosten, Betriebskosten und Verkaufserlöse des Stroms“, erklärt Dr. Mathias Abbé, Leiter des zum 1. Oktober neu gegründeten Geschäftssegments IT-Power-Solutions von Siemens/KWU. Entwicklungsziel der Erlanger ist vor diesem Hintergrund das „gläserne Kraftwerk“, in dem das Wissen über die technische und wirtschaftliche Situation jederzeit auf Knopfdruck zur Verfügung steht – für den bedarfsgerechten Betrieb ebenso wie für daraus abgeleitete Prognosen.
Der Kraftwerksbetreiber von morgen braucht den vollständigen Überblick im Sinne einer „Unternehmensleitwarte“, in der alle relevanten Daten entscheidungsfähig aufbereitet zusammenlaufen. Und zwar technische Daten nicht als Prozessgrößen, sondern finanziell bewertet betriebswirtschaftliche Daten nicht als kalkulatorische Einzelwerte, sondern gewichtet als Stellgrößen für schnelle Reaktionen auf Veränderungen am Strommarkt. So kann es durchaus Sinn machen, in einer Phase hoher Strompreise den Wirkungsgrad eines Blocks durch Umfahrung der Vorwärmer kurzfristig zu senken, um die Leistung zu erhöhen. Die Erzeugungskosten pro Kilowattstunde verteuern sich dadurch zwar, werden aber durch den Mehrerlös der höheren Strommenge und des besseren Preises überkompensiert.
„Der wichtigste Punkt im Stromgeschäft der Zukunft wird Flexibilität sein. Entscheidend ist das richtige Produkt am richtigen Ort zur richtigen Zeit“, betont Hartvig Munthe-Kaas von der Strombörse im norwegischen Oslo, die ein Beleg für die fortgeschrittene Liberalisierung der Elektrizitätswirtschaft in Skandinavien ist. Voraussetzung für den freien Handel mit Strom ist die genaue Kenntnis der Kosten. Zudem muss der Kraftwerksbetreiber ein Instrumentarium haben, um kommerzielle Entscheidungen im Sinne von „Anbieten oder Aussteigen“ zu treffen. Und noch ein Faktor ist von enormer Wichtigkeit im Wettbewerb: die Verfügbarkeit der Anlagen. Denn nur wer umfassend lieferfähig ist, kann Geschäfte machen. „Als Kraftwerks-chef eines großen Unternehmens ist mir klar, dass wir die Zuverlässigkeit der Erzeugung ständig unter Beweis stellen müssen, sonst verschwinden wir sehr schnell vom Markt“, bestätigt Dr. Klaus Bechthold, Vorstandsmitglied der Bewag.
Größtmögliche Flexibilität, höchste Verfügbarkeit, niedrigste Kosten – um diese Anforderungen zu erfüllen, müssen Technik, Organisation und Information im Kraftwerk optimal zusammenwirken. Sein wissensbasiertes Management, in dem technische und wirtschaftliche Daten aus Prozessautomatisierung, Anlagendiagnose, Betriebswirtschaft sowie aus Betriebs- und Unternehmensführung gebündelt werden, ist deshalb gegenwärtig und künftig Voraussetzung für die wirtschaftlichste Energieumwandlung.

Leittechnik wird um neue Funktionen erweitert

Dafür muss die Funktionalität der Leittechnik, die bislang vornehmlich auf die Führung von Prozessen ausgerichtet war, um verfahrenstechnische Aufgaben erweitert werden, die sowohl eine direkte als auch eine indirekte Auswirkung auf die Wirtschaftlichkeit haben. Direkt, weil sie Abläufe wie den Verbrennungsprozess oder den Lastwechsel optimieren bzw. den Wirkungsgrad der Anlage erhöhen und dadurch die Produktionskosten unmittelbar beeinflussen. Indirekt, weil sie die Fahrweise der Anlage schonend und dennoch bis an die Auslegungsgrenzen gestalten und für beste Werte bei Lebensdauer, Verfügbarkeit und Wartungsaufwendungen sorgen.
Erfolgreiche Lösungen in diesem Bereich, die zudem weiter verbessert werden, gibt es bereits. Dazu zählen die Berechnung der Restlebensdauer hochbeanspruchter Kesselbauteile, optimale Blockstarts mit Freilastberechnung für schnelles und sanftes Anfahren, die Blockregelung mit integriertem Kondensatstau und eine selbstlernende Regelung zur sicheren Beherrschung von Laständerungen. Eine innovative verfahrenstechnische Komponente in diesem Umfeld ist die Verbrennungsdiagnose. Sie sorgt für eine bestmögliche Einstellung des Brennstoff-Luft-Verhältnisses, um den Blockwirkungsgrad unter Einhaltung der Emissions-Grenzwerte zu verbessern. Dazu wird an jedem Brenner ein Flammenbild mittels Kameras aufgenommen und eine Schadstoffanalyse hinsichtlich CO und CN (als Vorstufe zu NOx) erstellt. Auf diese Weise wird eine optimale, kesselschonende Verbrennung realisiert.
„Wir kennen die Arbeitskosten durch den Wärmeverbrauch, die Brennstoffkosten und über Kenngrößen weitere Produktionskosten. Allerdings ist noch eine Menge zu tun, um diese Kosten zeitnah und hinreichend genau zu ermitteln, was aber unverzichtbar für ein gewinnorientiertes Management ist. Dafür brauchen wir moderne Datenverarbeitungssysteme“, so Fachmann Farwick. Entsprechende „lernende“ Bausteine, die für alle möglichen Fahrweisen Gesamtaufwendungen errechnen, mit erzielbaren Erlösen verknüpfen und daraus Empfehlungen formulieren, sind in Arbeit. „Ihr komplexes, umfassendes Zusammerwirken ergibt das gläserne Kraftwerk, das jederzeit transparent in seiner Leistung und in seinen Kosten ist“, so Experte Abbé. Es ist die Antwort der Kraftwerksleittechnik auf die neuen Anforderungen eines liberalisierten Strommarktes. KLAUS JOPP
Fallende Strompreise bringen Kraftwerksbetreiber unter Kostendruck. Moderne Leittechnik soll deshalb nicht nur den Betrieb steuern, sondern auch betriebswirtschaftliche Daten auswerten, um die Anlagen optimal zu fahren.

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