CAD-Gemeinschaft verlässt den virtuellen Raum
Mit viel persönlichem Einsatz werden Fragen rund um die Arbeit mit CAD- und CAM-Systemen geklärt.
Überraschende Entwicklungen kennzeichneten die Fachmesse CAT.Pro Anfang Oktober in Stuttgart. Während große Unternehmen wie IBM oder PTC der Veranstaltung fern blieben, gehörte ausgerechnet die Internetgemeinschaft CAD.de zu den Hauptakteuren auf dem Killesberg. Für die Mitglieder der „Community“ erweist sich die Messe inzwischen als wichtiger realer Treffpunkt. Insgesamt blieb die CAT.Pro allerdings mit rund 3700 Besuchern hinter den Zahlen vom Vorjahr zurück.
Auf der Branchenmesse ließ der CAD.de-Gründer Albert Raning die Anfangszeit seines Onlineforums Revue passieren.Er und Mitbegründer Andreas Kippenberg waren in den 90er Jahren als Softwareentwickler für CAD-Anwendungen fasziniert vom neuen Medium und den vielen neuen Geschäftsideen, die damals entstanden. „Wir diskutierten darüber, wie wir die beiden Welten Internet und CAD zusammenbringen könnten. Wir kannten Newsgroups und stießen auf ein amerikanisches CAD-Portal, das uns auf die Idee brachte“, so Ranig. Im März 2000 wurde ein Webserver eingerichtet und im Juli 2000 gingen 39 Foren ins Netz. Inzwischen sind es 450 000 Forenbeiträge.
Heute sind die Moderatoren das Rückgrat der CAD.de-Community und die aktivsten unter den Autoren. Ihre Kompetenz hat den guten Ruf bei den Anwendern geprägt. Sie sind ehrenamtlich tätig. Ihre Motivation holen sie sich aus dem Stolz auf die eigenen Fähigkeiten und dem virtuellen Schulterklopfen der Kollegen aus dem Cyberspace. Einige Freiberufler ziehen konkreten Nutzen aus dem guten Ruf, den sie sich im Forum erwerben. Die Profilierung als Experte bei CAD.de verhilft ihnen zu Aufträgen.
Moderatoren der ersten Stunde wie Stefan Berlitz betrieben vorher eigene Webseiten oder Foren, brachten ihre Aktivitäten unter das neue Dach und beschleunigten das Wachstum der CAD.de-Gemeinde. „Alle Produkte existieren bei CAD.de friedlich nebeneinander, das gibt es sonst nirgends und macht den Charme der Community aus. Der Konkurrenzkampf der Hersteller ist hier aufgehoben. Hier sitzen alle im gleichen Boot und haben die gleichen Kernprobleme“, erklärt Berlitz.
Sein Arbeitgeber unterstützt das Engagement. „Aus diesen Aktivitäten sammle ich sehr viel Know-how, das meiner Firma zugute kommt“, meint Berlitz, der in seinem Hauptjob 125 CAD-Arbeitsplätze betreut. Ähnlich äußert sich der Moderator Axel Strasser, der die Verantwortung für 250 CAD-Systeme eines großen Schweizer Unternehmens trägt: „Die kompetenten Diskussionen bringen uns realen Nutzen“. Er verbringt wie viele Kollegen mehr Freizeit als Arbeitszeit im Forum.
In vielen Firmen haben die Mitarbeiter allerdings keinen oder nur eingeschränkten Zugang zum Internet. Viele Konstrukteure besuchen wegen solcher Restriktionen oder wegen der Tagesarbeit das Forum von zu Hause aus. Am Wochenende und am Abend gehen die Diskussionen um Problemlösungen oder neue Produktfeatures nahtlos weiter. Selbst gegen Mitternacht kann man häufig noch hundert Nutzer online finden.
Die Anwender heben den Nutzen hervor. Die Äußerungen von Dietmar Jochum, Entwicklungsleiter bei einem Hersteller von Kamerasystemen, stehen für die Kommentare vieler Kollegen: „CAD.de ist meine tägliche Internet-Startseite. Viele Forumsmitglieder sind absolute Profis. Bisher habe ich dort auf alle Fragen eine Antwort gefunden.“ Franz Gschwandtner, CAD-Administrator in seiner Firma, ist etwas nüchterner: „Wir schauen regelmäßig ins Forum und schreiben auch Beiträge. Teilweise ufern die Beiträge leider aus, dann muss man rechtzeitig abbrechen können. Der Nutzen überwiegt aber eindeutig.“
Die namhaften Hersteller der CAx-Branche gehören inzwischen zu den Unterstützern und Sponsoren. Moderatoren und Anwender selbst sorgen dafür, dass Emotionen nicht überkochen, die „Netiquette“ gewahrt bleibt. „Ein Eingreifen ist kaum mehr nötig“, berichtet Berlitz, „wenn sich jemand im Ton vergreift, wird er schnell von den Kollegen im Forum zurechtgestutzt.“
Inzwischen tummeln sich die Mitarbeiter der Hersteller und ihrer Vertriebspartner als Leser, Autoren und Moderatoren bei CAD.de. Sie sind willkommen und geschätzt. Ein Gesetz ist allerdings unumstößlich: Vertriebliche Aktivitäten sind verpönt. Jeder Verstoß wird umgehend von allen Seiten torpediert, so dass nur selten ein Neuer diesen Fehler begeht.
Die Veranstalter der Messe CAT.pro sind eine Symbiose mit den Forumsmachern eingegangen und fahren damit sehr gut. So gibt etwa ein Drittel der Messebesucher an, vor allem den Stand von CAD.de besuchen zu wollen. Entsprechend großzügig fiel auch die Standfläche aus, auf der Arbeitsplätze mit unterschiedlichen CAD-Systemen installiert waren. Für die CAD.de-User wiederum ist die Fachmesse zum jährlichen Treffpunkt geworden, bei dem sich die Kollegen, die sich sonst nur aus dem Cyberspace kennen, gerne mal bei einem realen Bier austauschen. Etliche der Moderatoren und Mitglieder nehmen sogar Urlaub und eine weite Anreise auf sich. PH. GRIEB/CIU
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