Automobilbauer greifen immer öfter zum Klebstoff
VDI nachrichten, Düsseldorf, 14. 9. 07, Si – Die klassischen Fügeverfahren des Automobilbaus – Schweißen, Nieten, Schrauben – haben durch das Kleben Konkurrenz bekommen. Die Klebstoffindustrie rechnet bei der Transportmittelproduktion derzeit jährlich mit zweistelligen Umsatzzuwächsen. Einen weiteren Schub versprechen sich Branchenexperten von der Fachmesse Bondexpo, die erstmals vom 24. bis 27. September parallel zur Motek in Stuttgart stattfindet.
Der Kleberoboter ersetzt in den Produktionshallen der Automobilindustrie zunehmend den Schweißroboter. „Vom Zylinderkopf über die Bremsbeläge bis zu Fenstern, Kotflügeln und Heckklappe – in immer mehr Anwendungsbereichen des Automobilbaus kommt Klebstoff zum Einsatz“, bekräftigt Prof. Andreas Groß. In einem Wagen wie dem neuen 7er BMW, sind laut dem Leiter des Klebtechnischen Zentrums am Fraunhofer Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM), Bremen, beispielsweise bereits mehr als 180 Klebmeter zu finden. Kraftfahrzeuge aus heutiger Produktion enthalten schon bis zu 20 kg Klebstoff und geben damit den Trend vor. Die gesamte Transportmittelbranche in der EU verbrauche derzeit jährlich etwa 250 000 t Klebstoffe. In der deutschen Fahrzeugindustrie würden heute etwa 85 000 t und damit mehr als 20 % der jährlichen Klebstoffgesamtproduktion eingesetzt – bei steigender Tendenz
Dabei gibt es viele Gründe, warum das Kleben im Karosseriebau – kombiniert mit Punktschweißen – bei vielen Herstellern bereits Stand der Technik ist. So verbessert das Kleben laut Eckhard Cordes, Laborleiter für polymere Werkstoffe und Textilien im Bremer Werk von DaimlerChrysler, die Crasheigenschaften der Karosserie, „weil es einen Steifigkeitsgewinn von bis zu 27 % bringt“. Allein im Bremer Werk werden jährlich 2500 t Klebstoffe verarbeitet.
Mehr Sicherheit bei einem Unfall verspricht auch Bernd Maurer. Der Einsatz der Klebetechnik, so der verantwortliche Prozessspezialist und -planer für Klebe-, Dicht- und Dämmumfänge bei der BMW AG, München, habe beim 7er BMW zu einer Erhöhung der Festigkeit und zur Optimierung der Crash-Performance geführt. Die statische Steifigkeit habe sich sogar um knapp 15 % verbessert. Maurer: „Gleichzeitig sparten wir bei der Rohkarosserie etwa 18 kg Gewicht ein, da wir gegenüber dem Punktschweißen dünnere Bleche verarbeiten. Durch das Kleben haben wir wesentlich mehr Fläche für die Kraftübertragung im Crashfall erhalten und konnten auf einige Verstärkungsbleche verzichten“, erläutert der Klebeexperte. Um dieses Ergebnis zu erzielen, wird beim 7er BMW eine mehr als 150 m lange Klebstoffraupe aufgetragen. Bei dessen Vorgängermodell war die Klebebahn in der Rohkarosse gerade einmal 10 m lang.
Der Wachstumstrend wird sich fortsetzen, prognostiziert Eckhard Cordes, Laborleiter bei DaimlerChrysler, Bremen, überzeugt. Nach seiner Aussage wird der Automobilbauer den Klebstoffeinsatz bei seiner geplanten Kompaktbaureihe bis zu 20fach vergrößern.
Auch Arnd Picker, Vorstandsvorsitzender des Industrieverbands Klebstoffe (IVK), Düsseldorf, prognostiziert, dass der Klebstoffeinsatz im Automobilbau stark ansteigen wird. Der Branchenverband erwartet derzeit jährlich ein Umsatzwachstum von gut 10 % im Bereich der Transportmittel. Bislang entfallen etwa 9 % der gesamten jährlichen Klebstoffproduktion auf die Fahrzeugbranche. Dabei hat der Einsatz von Klebstoffen im Automobilbau laut dem Verbandssprecher zunächst sehr zurückhaltend begonnen. Picker: „Vor 20 Jahren wurden gerade einmal in der Mercedes S-Klasse und im 7er BMW die Scheiben eingeklebt, heute ist dies bei allen weltweit gefertigten Fahrzeugmodellen der Fall.“
Die Klebetechnologie trumpft aber nicht nur im Karosseriebau und bei der Verbindung von großflächigen Automobilteilen auf. Die Delo Industrie Klebstoffe verspricht beispielsweise reduzierte Taktzeiten und schnelle zuverlässige Prozesse bei der Verbindung von Miniaturbauteilen. Für das Verkleben von Sensoren und Gehäusen in der Elektronikbranche oder auch im Smart-Label-Bereich zur Optimierung der Logistikketten stellt das Unternehmen aus Windach beispielsweise eine neue Generation schnellhärtender Epoxidharze auf der vom 24. bis 27. September in Stuttgart stattfindenden Fachmesse Bondexpo vor. Diese härten im Vergleich zu den meisten am Markt verfügbaren warmhärtenden Klebstoffen wesentlich schneller aus. Durch den Einsatz von Thermoden (Heizstempel) sei eine minimale Aushärtezeit von nur 6 s möglich. Gleichzeitig blieben die Harzeigenschaften wie hohe Festigkeiten, gute chemische Beständigkeit und Einsatz bei hohen Temperaturen erhalten. Vor allem die hohe Beständigkeit gegenüber Öl oder Benzin sei im Automotive-Sektor von Vorteil, denn hier wären die Sensoren oft aggressiven Medien ausgesetzt.
ROLF MÜLLER-WONDORF/Si
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