Anlagenbau mit langem Atem durch die Krise
Trotz 50 % weniger Aufträge in den vorigen zwei Jahren und anhaltender Schwäche sieht der deutsche Anlagenbau seine Weltmarktposition nicht gefährdet. Zudem deuten viele Anfragen auf ein Ende der weltweiten Regionalkrisen. Doch die Aufträge haben eine lange Durchlaufzeit.
Jammern ist nicht angesagt trotz einem Minus von 22 % im Auftragseingang gegenüber dem Vorjahr und Rekordtief nach zehn Jahren; die Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau (AGAB) im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) weiß aus zyklischen Erfahrungen: „Technologieführerschaft sichert Weltposition, im reinen Preiswettbewerb sind wir meistens unterlegen.“
Und schon deutet sich die erhoffte Konjunkturverbesserung an; gesunkene Nachfrage weltweit, aber mit einer Ausnahme: Ausgerechnet die Länder aus dem asiatisch-pazifischen Raum, die 1998 ein erdrutschartiges Minus von 65 % in deutschen Auftragsbüchern hinterlassen hatten, bescherten schon 1999 der Branche ein leichtes Plus von rund 10 %. Dazu hat insbesondere die von 0,8 auf 1,6 Mrd. DM gestiegene Nachfrage aus China beigetragen.
Im stark von Langfristigkeit geprägten Großanlagenbau seien diese Schwankungen im Bestellverhalten nichts Außergewöhnliches, kommentierte AGAB-Vorstandssprecher Tyark Allers die derzeitige Flaute am 23. März in Frankfurt/Main. „Wir haben uns gegen eine starke ausländische Konkurrenz behauptet, die zum Teil weit stärkere Einbrüche hat hinnehmen müssen.“ Dies beträfe insbesondere fernöstliche Mitbewerber, die einen zum Teil ruinösen Wettbewerb untereinander betrieben. Denn die Folgen der Regionalkrisen und die Auswirkungen hoher Öl- und Gaspreise halten an.
Das Motiv für zunehmende Kundenanfragen sieht der AGAB-Vorstandssprecher, der gleichzeitig Vorstandsvorsitzender der Thyssen Krupp Engineering AG, Essen, ist, in einer „günstigen Preissituation für die Produktpreise unserer Kunden – etwa im Jahr 2003. Wenn sie diese Preisspitze mitnehmen wollen, müssen sie jetzt investieren.“
Das von einer überproportionalen Investitionsschwäche geprägte Inlandsgeschäft habe nicht nur unter dem erwarteten Problem der Überkapazitäten gelitten, sondern auch unter der Liberalisierung der Strommärkte, die eine „Investitionsbereitschaft der Energieversorgungsunternehmen lähmt“.
Die Europäische Union, im letzten Jahr ebenfalls überproportional vom Rückgang betroffen (1998 24,9 %, 1999 16,9 %), stelle dennoch für den deutschen Großanlagenbau einen stabilen und berechenbaren Markt dar, so Aldo Belloni aus der Geschäftsleitung der Linde AG (Höllriegelskreuth). Gerade hier, wo bestehende Anlagen modernisiert und auf dem neusten Stand der Technik gehalten würden, könne die deutsche Industrie ihre Stärken entfalten.
Dazu weist Wolfgang Kühnel in seinem Lagebericht auf ein neues wichtiges Wettbewerbsmerkmal hin: Die Kompetenz deutscher Anbieter, auf das in jüngster Zeit deutlich gewachsene Kundenbedürfnis nach einer Senkung der Lebenszykluskosten einer Investition einzugehen. Eine solche Betrachtung käme dem deutschen Angebot meist entgegen, weil es von vornherein einem hohen Anspruch an Effizienz des Stoff- und Energieeinsatzes, Betriebssicherheit und Verfügbarkeit der Anlagen genüge.
Im Vorfeld der Messe Achema 2000 vom 22. bis 27. Mai in Frankfurt hat VDMA-Mann Tyark Allers keine Angst vor der Konkurrenz. Er verweist vielmehr auf die Struktur in Deutschland, „eine international erfahrene, finanzstarke und kompetente Großindustrie, die auf einen innovativen und flexiblen Mittelstand zurückgreifen kann“.
Trotz dieser positiven Einstellung blieben ein paar Seitenhiebe in Richtung Politik nicht aus. Karl-Heinz Stupperich, Präsident der in Frankfurt ansässigen Alstom Deutschland: „Wir verlangen nicht das Modell unserer französischen Nachbarn, wo sich die Politik als Speerspitze der Wirtschaft versteht. Eine wohlwollende Einstellung würde uns schon reichen.“
Deutlicher werden die Global Player bei dem Thema Kapazitätsauslastung und Personal: „Stellt man in guten Zeiten ein, muss man das in schlechten mit hohen Abfindungen bezahlen, das ist bei volatilen Märkten auf Dauer nicht finanzierbar“, betont Tyark Allers. HEINZ-JÜRGEN ROTTIG/KÄM
Lichtblick bei den Ordern aus Fernost: Insgesamt könnte der deutsche Anlagenbau in diesem Jahr Aufträge für rund 24 Mrd. DM akqui-rieren. Umsatzwirksam werden sie aber erst in durchschnittlich zwei Jahren.
Tyark Allers spricht für die Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau: „Unbewegliches Arbeitsrecht fördert die Abwanderung.“
Kundenprofil: Politische und wirtschaftliche Veränderungen haben die Hauptabsatzgebiete in den letzten drei Jahren verschoben.
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