„Aluminiumguss hat im Fahrzeugbau hohe Wachstumschancen“
VDI nachrichten, Kitzingen, 1. 6. 07, mav – Unter den rund 300 deutschen Gießereien gehört die Metal Technologies Kitzingen (MTK) zu den Top Ten. Seit 2005 hat sie amerikanische Eigner, das Jahr darauf wurde zum erfolgreichsten der Firmengeschichte. Wer vor Jahren noch befürchtete, Produkte aus Niedriglohnländern könnten den deutschen Gießereimarkt nachhaltig schädigen, erlebt heute das Gegenteil. Auf dem Weltmarkt der Gussproduktion liegt Deutschland auf Platz fünf. Joachim Hünnerscheidt, Geschäftsleitungsvorsitzender der MTK, über die Innovationskraft im Mittelstand und den harten Wettbewerb auf dem Sektor der Automobilzulieferer.
Hünnerscheidt: Gießereiproduktion ist nicht mehr jene schwarze heiße Hölle mit viel flüssigem Eisen drum herum. Gussherstellung in Deutschland bedeutet Hightech-Produktion. Da werden computergesteuert die Öfen gesetzt, die Analysen gefahren, das Eisen verteilt. Alle Form- und Gießanlagen arbeiten vollautomatisch. Sie haben bei Weitem nicht mehr den Manpower-Bedarf wie vor 25 Jahren.
VDI nachrichten: Sie gelten als Hightech-Gießerei. Was können Sie, was andere nicht können?
Hünnerscheidt: Wir unterscheiden uns von anderen Gießereien europaweit darin, dass wir am Standort zwei Betriebe haben: eine Eisen- und eine Aluminiumdruckgießerei. Außerdem sind im Eisenguss alle Anlagen miteinander verkettet, was aus unserer traditionellen Fixierung auf Automobilguss rührt. Denn dies erfordert eine völlig andere Struktur als dort, wo man mehr oder weniger als Bauchladen für viele Branchen agiert. Unsere Stärke liegt in jenem technologisch einzigartig verbundenen Materialfluss, der bis hin zum Versand reibungslos funktioniert. Wer heute für die Automobilindustrie wettbewerbsfähig sein will, muss hoch automatisiert sein und die Personalkosten am Produkt so niedrig wie möglich halten.
VDI nachrichten: Auch im Automobil findet sich zunehmend Aluminiumguss. Machen Sie sich langsam im eigenen Hause Konkurrenz?
Hünnerscheidt: Sicher, wir haben eine große Aluminiumdruckgießerei mit Maschinen, deren Schließkräfte zwischen 500 t und 2000 t liegen. Und wie im Eisenguss konzentrieren wir uns auf bestimmte Produktsortimente im Fahrzeugbereich, für Antrieb, Fahrwerk und Anbauteile. Hierfür haben wir ein eigenes Patent, den Poralguss. Das ist ein porenarmer Aluminiumdruckguss, der vergüt- und schweißbar ist und für hoch beanspruchte Fahrwerkteile als zukunftsweisend gilt. Aber eben das ist für uns ein großer Vorteil in Zeiten, da die Pkw-Industrie immer stärker zur Leichtbauweise tendiert und Eisengussteile durch Aluminium substituiert werden. Weil wir schon lange Eisenteile gießen, kennen wir die spezifischen Ansprüche jener Teile und können sie leichter in Aluminium übertragen.
VDI nachrichten: In welchen Pkw-Baugruppen wird in absehbarer Zeit Eisenguss durch leichteres Material ersetzt?
Hünnerscheidt: Das sage ich Ihnen nicht!
VDI nachrichten: Wettbewerbsgeheimnis?
Hünnerscheidt: Wir arbeiten mit den Fahrzeugherstellern permanent daran, Gewichte einzusparen. Denn je höher die Preise für Öl und Energie steigen, desto stärker sind diese gezwungen, die Autos leichter zu machen, neben Aluminium- auch durch Magnesiumguss. Alle Gießereien, die in dem Automobilbau zuliefern, sind daran beteiligt. Der Marktdruck ist also hart.
VDI nachrichten: Gibt es technologische Grenzen für Leichtguss im Auto, etwa beim Motor?
Hünnerscheidt: Aluminium hat im Pkw-Bereich noch sehr große Wachstumschancen. Auch im Antrieb, bei den Motoren wächst der Leichtgussanteil. Aber es gibt bestimmte Eisenteile, die zur Zeit noch nicht zu substituieren sind.
VDI nachrichten: Was heißt „zur Zeit“?
Hünnerscheidt: Wir arbeiten natürlich mit Partnern in Industrie und Forschung an ansprechenden Entwicklungen, und erste Schritte sind gesetzt. Mittlerweile steht auch schon die Frage im Raum, ob ich einen kompletten Motor aus Aluminium produzieren kann.
VDI nachrichten: Und – können Sie?
Hünnerscheidt: Nein, de facto lässt sich noch kein kompletter Motor aus Aluminium fertigen. Eine Kurbelwelle können Sie eben nicht aus Alu gießen. Das heißt, man kann sie gießen, kann sie bearbeiten, aber sie hält nicht, weil die Kräfte, die hier wirken, zu groß sind.
VDI nachrichten: Also wird es den Alumotor nie geben?
Hünnerscheidt: Nach dem Stand der Technik, dem Stand von Materialwissenschaft und Physik nicht. Aber die Fragestellung, die Vision bleibt. Es ist eine der großen Herausforderungen im Automobilbau.
VDI nachrichten: Sie gehören seit 2005 zum amerikanischen Gießereikonzern MTI. Fühlen Sie sich hier besser aufgehoben als bei der Sachs-Gruppe, einem deutschen Kupplungshersteller, wo Sie stets ein wenig als Exot galten?
Hünnerscheidt: Wir waren bereits seit 1994 eine eigenständige GmbH innerhalb des Konzerns, mussten selbst für unsere Produkte Märkte erschließen und marktgerecht arbeiten. Eine Zäsur erfolgte jedoch, als die ZF Sachs AG beschloss, sich fortan auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren. Denn Gießerei ist nicht ihr Kerngeschäft. Also mussten wir einen starken Partner finden, der uns passt. So bekamen wir Kontakt zu MTI, einem großen Gießereikonzern, der Interesse an uns bekundete.
VDI nachrichten: Haben Sie gesucht, oder wurden Sie gefunden?
Hünnerscheidt: Im Prinzip sind wir uns begegnet. Aber es war schon unbedingt ein Wunschpartner für uns.
VDI nachrichten: In Gießereien ist der Lohnanteil an den Kosten extrem hoch¿
Hünnerscheidt: ¿ ja, exorbitant.
VDI nachrichten: Müssen Sie nicht besonders die Konkurrenz aus Ost und Fernost fürchten?
Hünnerscheidt: Nein, Angst vor Osteuropa, Angst vor China, Angst vor Expansion habe ich nicht. Sehen Sie, nach 1990 gingen viele Fahrzeugmodelle in den Osten – und damit auch die Aufträge für die Gießereiteile. Doch heute wird dies alles wieder in Deutschland gegossen. Denn die Lieferzuverlässigkeit, die Qualität, die Konstanz in der Leistung sind dort im Osten einfach noch nicht da.
VDI nachrichten: Aber auch der Osten lernt dazu!
Hünnerscheidt: Das stimmt. Es ist eine Frage der Zeit, bis auch diese Länder gute Qualität liefern können – zum richtigen Zeitpunkt, zu guten Konditionen und in den richtigen Mengen. Ich sage deshalb auch nie: Uns kann keiner! In dem Moment, wo Sie behaupten, wir sind die Besten, haben Sie schon verloren!
VDI nachrichten: Wo haben Sie denn künftig Ihr Ass im Ärmel, um trotz hoher deutscher Tariflöhne zu bestehen?
Hünnerscheidt: Das ist unsere hohe Qualität, angefangen von der Bearbeitung der Kundenanfragen. Man muss den Markt kennen, muss den Kundenkontakt haben, muss die Innovationen der Kunden kennen. Man muss auch die Entwicklungsfähigkeit der Kunden sehen und sie in ihrer Entwicklung unterstützen. Zudem fordert der innovative Bedarf des Kunden die eigene Innovation heraus. So steigert man sich gemeinsam auf ein Qualitätslevel und eine Konstanz der gegenseitigen Zufriedenheit. Ein Außenstehender dringt da sehr schwer ein.
VDI nachrichten: Deutschland ist der weltweit größte Gussexporteur. Wie lange noch?
Hünnerscheidt: Ich denke, das bleiben wir noch 10 bis 20 Jahre, wegen unseres Know-hows und hohen Qualitätsbewusstseins. Da aber die Konkurrenz nicht schläft, müssen auch wir uns stets nach neuen Märkten umsehen.
VDI nachrichten: Wo konkret? In Indien, Russland?
Hünnerscheidt: Ja, zum Beispiel. Asien ist ein sehr weites Feld für uns.
VDI nachrichten: Sie entwickeln und bauen Prototypen, haben einen eigenen Werkzeugbau. Woher kommen die Anregungen für neue Produkte – durchweg vom Kunden?
Hünnerscheidt: Meistens. Er gibt uns zum Beispiel einen Bauraum vor, sagt uns: Wir haben im Fahrzeug einen Raum in den Maßen 20 x 30 x 10 cm frei, in den ein Gussteil mit einer Aufhängungsfunktion eingepasst werden soll – können Sie uns dafür Vorschläge machen? So entsteht das Produkt dann Schritt für Schritt mit dem Kunden.
VDI nachrichten: Ist das die Ihnen genehmere Variante?
Hünnerscheidt: Natürlich ist das angenehmer als eine Zeichnung vorgelegt zu bekommen, nach der man sich exakt zu richten hat. Denn der Konstrukteur in der Automobilindustrie weiß auch nicht immer, wie die Gießtechnik hinter diesem oder jenen Teil zu stehen hat, etwa was Wandstärken, Gießfähigkeit usw. betrifft. Im Gegenzug stehen aber unsere Ingenieure unheimlich tief in der Materie des Kunden.
VDI nachrichten: 2006 steigerten Sie den Umsatz um fast 10 %. Geht das so weiter?
Hünnerscheidt: Ob gleich wieder 10 %, weiß ich nicht. Aber auch 2007 wird erfreulich enden. Die Konjunktur hat gut angezogen, getragen vor allem durch die Lkw-Industrie, auf die wir ebenfalls von Beginn an fixiert sind. Im Moment können wir fast froh sein, dass die Pkw-Produktion noch nicht so mitzieht wie prognostiziert wurde. Sonst hätten wir langsam ein Kapazitätsproblem. HARALD LACHMANN
Ein Beitrag von: