Ingenieure hauchen Technik Leben ein
Ob künstliches Organ oder Biolabor im Scheckkartenformat – Mikrosysteme werden immer intelligenter und übernehmen neue Funktionen. So passen sie sich mittlerweile auch besser an die menschliche Physiologie an. Die Hannover Messe zeigt, wie Mikro- und Nanotechnik Zukunftsmärkte in den Life Sciences öffnen. VDI Nachrichten, Berlin, 3. 4. 09, ber
Zusammen mit Partnern entwickelt er das „nerve-computer-interface“, eine Art Nervenstecker zur drahtlosen Übertragung von Steuerimpulsen an intelligente Prothesen. Patienten, die wesentliche Teile einer Hand, eines Arms oder Beins verloren haben, sollen eines Tages ihre Prothese mit Nervensignalen besser steuern können.
Dazu werden die Nervenenden mit einer speziellen Folie umwickelt, die den Kontakt zwischen Gewebe und Mikrochip vermittelt. Die Nervenenden bekommen so elektrische Verbindung mit den Leiterbahnen, und der Chip kann die entsprechenden Informationen nach außen senden. Zum Einsatz kommt eine RFID-ähnliche Technik. Dabei erhält der Chip von einer Induktionsspule von außen Energie und sendet seine Informationen an die Prothese.
Zuvor allerdings müssen Ingenieure, Mediziner und Biologen wichtige Fragen klären: Unter welchen Bedingungen wachsen die Nervenenden am besten in das körperfremde Material? Ist der Kontakt dauerhaft, oder kommt es nach einiger Zeit zu einer Abstoßungsreaktion? Wie verhalten sich Leiterbahnen und Chip im Gewebe?
Den Kontakt zum Nervengewebe stellen nanostrukturierte Elektroden her. Erst sie ermöglichen die für die Biokompatibilität erforderliche Verwendung neuartiger Materialien und die Miniaturisierung des gesamten Systems.
„Die Integration von Mikroelektronik-technologien und die Mikrosystemtechnik werden weitere Potenziale für zukünftige Entwicklungen der Medizintechnik eröffnen“, ist Töpper überzeugt.
So sieht das auch eine aktuelle Umfrage des Verbands der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik (VDE) unter Managern der Mikroelektronikindustrie. Danach gehören Medizintechnik und Biotechnologie zu den Bereichen mit der größten wirtschaftlichen Hebelwirkung für Mikrotechnologien.
Ob lebende Zellen oder Spuren von Erbmaterial, überall wo Analyse und Diagnostik mit biologischem Probenmaterial stattfindet, stoßen Sensoren, Instrumente und Materialien in Mikro- und gar Nanodimensionen vor.
So genügt für einen Immuncheck bereits ein Tropfen Blut. Das Biolabor findet auf einem scheckkartengroßen Kunststoffträger Platz. Auf dem sogenannten Lab-on-a-Chip analysieren hochspezifische Fängermoleküle das gelöste Probenmaterial. Kapillarkräfte transportieren es durch winzige Kanäle in die verschiedenen Reaktionsräume.
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Es geht noch einfacher. „Elektrowetting“ nennt sich ein neues Verfahren zum Flüssigkeitstransport, das die Bartels Mikrotechnik GmbH aus Dortmund entwickelt hat und nun auf der Hannover Messe präsentiert.
Elektrisches Feld zieht Probentropfen auf dem Analysechip in die gewünschte Richtung
Durch ein elektrisches Feld werden die Oberflächeneigenschaften auf dem Träger so verändert, dass ein Probentropfen in die gewünschte Richtung bewegt werden kann. „Damit ist erstmals ein Lab-on-a-Chip ohne Strukturen möglich“, sagte Produktmanager Severin Dahms.
Ein Vorstoß in die Nanowelt zeigt, dass sich mit Nanoteilchen auch wachstumsfördernde Effekte erzielen lassen. Forscher am Laser Zentrum Hannover nutzen das für die Verbesserung von Cochlea-Implantaten. Dabei werden die Elektroden, die bei tauben Neugeborenen die Nervenanbindung im Innenohr herstellen, mit Kunststoffen ummantelt, die bestimmte Konzentrationen verschiedener metallischer Nanopartikel enthalten. „Das regt das gesunde Wachstum der Hörnervzellen an und unterdrückt zugleich wucherndes Gewebe“, sagte Stephan Barcikowski, Leiter der Gruppe Nanomaterialien.
Weil Nanopartikel des jeweils gewünschten Materials nicht immer in ausreichender Menge und Qualität zur Verfügung stehen, haben die Forscher ein neues Herstellungsverfahren entwickelt: Mit Hilfe von ultrakurzen Laserpulsen werden beliebige Materialien, die von einer Trägerflüssigkeit gehalten werden, abgetragen und präzise auf Nanogröße zerkleinert.
Die Partikel sind dann elektrisch aufgeladen. Werden der Flüssigkeit biologisch aktive Substanzen wie Antikörperproteine oder Gene beigegeben, koppeln diese an die Teilchen. So werden gleich bei der Herstellung biofunktionale Nanopartikel erzeugt, die sich gezielt in Patienten einschleusen lassen, um kranke Gewebe und Organe zu heilen.
Als Trägerflüssigkeit können auch vernetzbare Polymere dienen. Daraus ließen sich Implantate mit bioaktiven Nanostrukturen herstellen. „Das Anwendungspotenzial ist riesig“, sagte Barcikowski. Beispiele für die neue Technologie werden auf der Hannover Messe in Halle 6 zu sehen sein.
SILVIA VON DER WEIDEN/ber