RFID kommt im Mittelstand an
VDI nachrichten, Dortmund, 12. 1. 07, rb – Längst setzen nicht nur große Industrie- und Handelsunternehmen, sondern auch Mittelständler auf die berührungslose Kommunikationstechnologie. Mit Radio Frequency Identification, kurz RFID, bereiten sie sich auf Kundenwünsche besser vor und optimieren Geschäftsprozesse. Drei Beispiele zeigen, was machbar ist. Allerdings nicht überall. Denn nur allzu oft herrscht gerade in kleineren Betrieben noch große Verunsicherung in Sachen RFID.
Der Filterhersteller Herding aus der Oberpfalz hebt sich vom Wettbewerb ab, weil das Unternehmen die Filter seiner Kunden regeneriert. Diese kommen aus der Automobil-, Pharma- oder Chemieindustrie oft jedoch so verschmutzt zurück, dass Mitarbeiter die jeweiligen Prägeziffern kaum erkennen können. Auch wenn Herding die Filter in einen neuwertigen Zustand bringt, müssen diese wieder an die richtigen Kunden gehen. Weil diese Anforderung mit Barcodes nicht lösbar war, entschloss sich das Unternehmen, die Filter mit RFID (Radio Frequency Identification) zu kennzeichnen.
Sobald heute eines der rund 400 unterschiedlichen Filtermedien über ein RFID-Gate das Werk verlässt, nimmt sein passiver Transponder Informationen über Produktionsdatum, Artikel-, Serien- und Prüfnummer mit. „Nach der 100 %igen Warenausgangskontrolle drucken wir noch ein Etikett aus. Wenn die Kunden uns etwa bei Ersatzteillieferungen diese Informationen nennen, können wir die Teile einwandfrei identifizieren“, berichtet Wolfgang Raabe, Leiter Filterentwicklung und Produktion. Im Unternehmen werden über 40 000 Filtern im Jahr produziert.
Momentan setzt Herding die relativ preisgünstigen, universellen I-Code-Transponder ein, ein Standard aus der RFID-Anfangsphase. Doch das Unternehmen hat RFID-Infrastruktur, Hard- und Software so ausgelegt, dass die zweite Transponder-Generation Gen 2 auch funktioniert. Dieser neue Standard umfasst nicht nur Datenformate, sondern beschreibt auch die Luftschnittstellen.
„66 % der Unternehmen erkennen den Mehrwert von RFID für ihr Geschäft. Mit 32 % hinken Mittelständler diesem Wert noch hinterher. Doch verglichen mit früheren Einschätzungen gewinnt dieser Anteil erheblich an Dynamik“, so Kurt Monse vom Forschungsinstitut für Telekommunikation (FTK) auf dem RFID-Praxistag für Mittelständler in Dortmund im Dezember.
Der Filterhersteller hat sich sehr sparsam und schrittweise über Transponder, Gate mit Antennen und Software an die RFID-Technologie herangetastet. „Wir haben in zwei Jahren dafür weniger als 30 000 € investiert“, sagt Raabe. Die größten Hürden waren, den richtigen Transponder und das passende Gate zu finden, und vor allem die Schnelllebigkeit der RFID-Entwicklungen zu beherrschen.
Für Thomas Ebert, Leiter IT SAP Systeme beim Automobilzulieferer Grammer, bestand die erste Herausforderung bei der RFID-Implementierung darin, den Vorstand von der Technologie zu überzeugen. Denn der Zulieferer für Sitze für die Fahrzeugindustrie, der 2005 einen Umsatz von 859 Mio. € verbuchte, hat sich die RFID-Technologie ohne konkrete Kundenanforderung ins Haus geholt. Und das vor allem, um sich rechtzeitig auf die Erfordernisse des Marktes vorzubereiten.
„In der Zwischenzeit kommen rund 60 % der Mittel, die in die RFID-Forschung gehen, aus der Automobilindustrie. Da haben wir einfach rechtzeitig schon die Glocken läuten hören“, sagt Ebert. Im RFID-Projekt bringt Grammer an jedem Sitz aus einem bestimmten Werk einen passiven Transponder an. Darauf lassen sich beispielsweise sicherheitsrelevante Daten und Lieferinformationen speichern.
Die dabei generierten Daten stehen auch für die ERP-Software bereit. Bisher führten nämlich Daten aus der Fertigungsebene von Band- und Schweißrobotern oder Stanzen in Industrieunternehmen ein Eigenleben. Sie mit der ERP-Welt zu verknüpfen, war für das RFID-Projekt bei Grammer essentiell.
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„Wenn heute ein Kunde etwa Drehmomentdaten von Bandrobotern aus unserem Werk in der Türkei haben möchte, liefern wir diese auf Knopfdruck über unsere ERP-Software aus der Zentrale in Amberg. Solche Informationen konnten wir bisher nur mit einem massiven Arbeitsaufwand bereitstellen“, erklärt Ebert.
Auch Schmitz Cargobull setzt auf Hightech, um seine Position als Auflieger- und Aufbauproduzent weiter auszubauen. Dabei kann Schmitz Cargobull zukünftig die Telematik mit der RFID-Technologie verknüpfen. „Die Grundlage bildet unser intelligentes Tracking Management (iTM), das in einem spezifischen Kundenportal zusammenläuft. Darin integrieren wir sukzessiv RFID-Funktionalitäten, welche auch die Ladung automatisch identifizierbar machen“, sagt Bernd Krakau, Member of the Board des Geschäftsbereichs Services bei T-Systems.
Ein elektronisches Überwachungssystem liefert Spediteuren, Disponenten und Kunden eine Vielzahl von Informationen. Dafür erfasst und übermittelt ein Telematikendgerät Daten vom jeweiligen Fahrzeug- und Ladungszustand via GSM-Netz. Beim Be- oder Entladevorgang scannt ein RFID-Lesegerät die Daten vom Transponder ein und übermittelt sie direkt an den Spediteur. Der weiß dann, was mit seiner Ware geschieht, an jedem Ort und zu jeder Zeit.
Trotz vieler erfolgreicher Projekte führen beim Thema RFID euphorische Prognosen und weniger optimistische Einschätzungen noch zu starken Verunsicherungen. Insbesondere Mittelständler fragen sich, welche Ressourcen sie in RFID-Projekten binden sollen. Und nicht wenige befürchten, dass sie auf Druck ihrer Großkunden diese Technologie überstürzt einführen müssen.
Zwar rechnen nach einer Umfrage des FTK unter Anbietern vom September 48 % der befragten Firmen bereits in diesem Jahr mit steigenden RFID-Umsätzen. Für 2009 liegt der prozentuale Anteil der Befragten sogar bei 65 %. Doch die größten Hindernisse sehen die Befragten in den hohen Kosten und den unklaren Nutzenpotenzialen. Denn noch fehlen oft bei RFID-Einführungen tragfähige Geschäftsmodelle und klare Berechnungen des Return on Investment (ROI). WERNER BRUCKNER