Mit RFID durch das Flughafen-Gewirr
VDI nachrichten, München, 28. 11. 08, rb – Der Flughafen München entwickelt in Kooperation mit der Ludwig-Maximilians-Universität einen intelligenten Wegweiser, der auf Basis von RFID-Karten und mittels Innenraum-Navigation Passagiere zu ihrem Abflug-Tor geleiten soll. Noch wird das System getestet, doch Projektleiter und Forscher sind überzeugt, dass es sich auch für andere Flughäfen eignet.
Der Mann vor dem Info-Schalter schaut etwas unsicher auf einen großen roten Knopf, der aussieht wie das „Notaus“ bei großen Industriemaschinen. Nach anfänglichem Zögern drückt er entschlossen auf die rote, glockenförmige Taste. Kurz darauf erscheint auf einem riesigen Bildschirm eine gepflegte Dame in blauem Kostüm und fragt: „Guten Tag, was kann ich für Sie tun?“ „Ich möchte zum meinem Abflug-Gate, aber vorher müsste ich zu einer Apotheke und vielleicht noch eine Hose kaufen.“
Die blonde Mittfünfzigerin, die aus der Telefonzentrale des Flughafens per Videokonferenztechnik zugeschaltet ist, fragt den Mann nach seiner Flugnummer. Nachdem sie diese in ihren Computer eingetippt hat, weist sie ihn darauf hin, dass der Info-Kiosk gleich eine Plastikkarte für ihn ausgeben wird. Die brauche er, um sich anschließend im Flughafengebäude zurechtzufinden. Denn anhand dieser Karte könne er sich später an jedem Info-Terminal den richtigen Weg zeigen lassen. Er müsse diese nur auf das dafür vorgesehene Feld des Terminals legen.
Während sich die Service-Mitarbeiterin ausblendet, surrt die Kundenkarte aus einem Schlitz heraus. Der Passagier nimmt sie und legt sie in das dafür vorgesehene Feld. Auf dem Bildschirm wird seine Abflugzeit eingeblendet zusammen mit einer dreidimensionalen Ansicht des Flughafengebäudes. Die Route ist markiert. Die Pfeile weisen den Weg zur Flughafenapotheke und dann zum Abflugbereich. Ganz unten steht noch, wie viel Zeit der Passagier noch hat, bis er zur Sicherheitskontrolle muss. Der Mann nimmt die Plastikkarte und geht weiter. Sollte er sich verlaufen, ist das nicht tragisch: Er muss einfach beim nächsten Terminal seine Plastikkarte auflegen und seine Route wird neu berechnet.
Noch ist der Innenraum-Pilot nicht Realität. Er muss sich in den nächsten Monaten in einem Pilotprojekt bewähren. Entwickelt wurde die Indoor-Navigation vom Flughafen München in Kooperation mit Forschern des Instituts für Informatik der Ludwig-Maximilians-Universität München. „Wir werden zunächst die Nutzerakzeptanz testen. Es geht uns gar nicht so sehr um Business-Kunden, sondern um ältere oder behinderte Menschen. Wir möchten den ganz normalen Passagieren die Orientierung in großen Flughafengebäuden erleichtern“, berichtet Flughafen-Projektleiter Marc Lindike.
Nicht nur das: Wenn der Passagier weiß, wie viel Zeit er noch hat und wo er hinmuss, kann er natürlich auch in Ruhe shoppen oder essen gehen.
Basis für die Ortung ist ein RFID-Chip (Radio Frequency Identification), der in der Kundenkarte integriert ist. RFID-Tags haben den Vorteil, dass sich die W-Fragen (Was, Wer, Wann, Wo, Wie) eindeutig beantworten und die Positionsbestimmung mit weiteren Informationen verbinden lässt.
Aber eine RFID-Karte macht noch keinen intelligenten Wegeführer. Voraussetzung dafür ist ein dreidimensionales Abbild des Flughafengebäudes – mit allen Türen, Ausgängen, Treppen, Rolltreppen, Sanitärräumen, mehreren Etagen und etwa den 30 000 Räumen des Münchner Flughafens.
Es galt also, zunächst ein dreidimensionales Abbild des Gebäudes zu erstellen. Allerdings nicht per mühsamer Handarbeit, sondern mittels einer Software, die aus den CAD-Daten des Flughafens automatisch ein virtuelles Modell erstellt. Außerdem haben die Forscher eigens Routinealgorithmen geschaffen, um die individuelle Wegstrecke berechnen zu können. Und schließlich haben die Beteiligten Konzepte, Algorithmen und Prototypen zur Indoor-Navigation auf verteilten Anzeigesystemen entwickelt. Denn die Positionsbestimmung soll sich an vielen Flughafen-Terminals und Info-Schaltern ausführen lassen.
Jobsuche für Ingenieure
„Wir haben eine unglaubliche Komplexität: Die größte Herausforderung war für uns, die verschiedenen Hard- und Softwaremodule zu kombinieren“, berichtet LMU-Informatiker Peter Ruppel. Insgesamt waren etwa 34 Forscher und Studenten ein halbes Jahr mit dem Projekt beschäftigt. Nach Angaben von Marc Lindike gibt es derzeit noch keine Software auf der Ebene der Passagierführung. Die Idee, so Marc Lindike, ist, ein Geschäftsmodell zu entwickeln und die Innovation zu vermarkten. „Unsere Entwicklung eignet sich auch für andere Flughäfen. Denken Sie an die großen Airports im Nahe oder Mittleren Osten oder in Asien.“ E. TSAKIRIDOU