Infineon gibt indischer Chipindustrie Starthilfe
VDI nachrichten, Neu-Delhi, 5. 4. 07, jdb – Indien will bei der Fertigung von Elektronikprodukten aus dem Schatten Chinas heraus. Dazu soll auch die gezielte Förderung von Halbleiterfabriken dienen. Doch die Verhandlungen über eine „Chip Policy“ zogen sich hin. Während Intel daraufhin in China investierte, haben sich AMD und vergangene Woche auch Infineon nun auf dem Subkontinent engagiert.
Chiphersteller Infineon verstärkt sein Engagement in Indien – und damit zugleich seine weltweite Technologie- und Marktposition – als Lizenzgeber der neu gegründeten Hindustan Semiconductor Manufacturing Corp. Am 28. März unterzeichneten Infineon-Chef Wolfgang Ziebarth und HSMC-Gründer Deven Verma ein Memorandum of Understanding. Infineon will Aufbauhilfe für zwei Waferfabs leisten – ohne sich, wie Ziebarth betonte, als Anteilseigner zu beteiligen oder die HSMC-Fabs als pure Foundries zu nutzen.
Gegenstand der Lizenz sind Infineons 130-nm-CMOS-Prozess, HF-Bausteine für „Ultra-low-cost“-Handys, Flash-Speicher für eingebettete Applikationen wie Smartcards sowie Chips für die Automobiltechnik. In den „Ultra-low-cost“-Handys (ULC) erkennt Ziebarth einen dynamischen Weltmarkt, insbesondere in Indien, dem am schnellsten wachsenden Markt für Mobiltelefonie. Da rechnet er sich für Infineons nur 2 cm x 2 cm große „ULC“- Lösung mit Einchip-Transceiver plus Speicher bei Materialkosten von 16 $ beträchtliche Chancen aus.
Damit begibt sich auch Infineon auf den Hightech-Highway nach Indien – nachdem bereits AMD mit seiner Beteiligung an „SemIndia“ und dessen nur langsam vorankommendem „Fabcity“- Projekt in Hyderahbad sein Interesse bekundet hatte. Auch für AMD ist Indien – neben den um öffentliche Zuschüsse rangelnden Standorten Dresden und New York – ein wichtiger Standort zur Expansion. Intel hingegen, als Investor von der indischen Zentralregierung ebenso umworben, verkündete just zwei Tage vor dem Infineon-HSMC-Deal, mit seiner neuen Offshore-Fab nach China zu gehen – wohl aus Enttäuschung über die mehr als zwei Jahre angemahnte und erst am 21. März verkündete indische „Chip Policy“. Denn die Chipmacher stehen vor wichtigen und drängend anstehenden Investitionsentscheidungen.
Innenpolitisch umkämpft, verspricht die indische Chipförderung für drei ausgewählte Fab-Projekte in ausgewiesenen Sonderwirtschaftszonen staatliche Zuschüsse von 20 % der Investitionssumme (mindestens 580 Mio. $) in Form von Steuernachlässen und zinsgünstigen Krediten, dazu die Übernahme der Erschließungskosten auf der grünen Wiese. Nebst Garantien für die sichere Energie- und Wasserversorgung – bei denen sich die anvisierten Lokalitäten mit zusätzlichen Extraleistungen überbieten. Außerhalb der Sonderwirtschaftszonen soll die Förderung zur größeren regionalen Diversifikation sogar 25 % betragen.
Angesichts des weltweiten Rennens um lukrative Industrieansiedlungen ist das nicht besonders viel: Die Chipmacher erwarten heute ganz selbstverständlich mindestens 30 %. In Taiwan, Korea und China geht die staatliche Beteiligung an Risiko, Kapital und Technologie bis zur schlüsselfertigen Fab.
Für Indien sind die Chips ein wichtiges Element beim Aufbau einer genuin heimischen Konsumgüterindustrie. „Wir brauchen die Wafer-Fabs, um ein vollständiges Halbleiter-Ökosystem zu schaffen“, meint der als unermüdlicher Förderer der Chip Policy hervorgetretene indische Minister für die IT-Industrie Thiru Maran. Bis 2015, so Maran, soll sich der indische Chipmarkt auf 36 Mrd. $ verzehnfachen. Für alle Wettbewerber ein attraktives Ziel.
HSMC-Gründer Verma sieht nach dem Aufbau einer inländischen Halbleiterfertigungen das jährliche Wirtschaftswachstum Indiens statt derzeit 9 % bei mindestens 10 %. Das ist auch geboten bei einer Arbeitslosenquote von ebenfalls 9 % und starken gesellschaftlichen Verwerfungen beim forcierten Übergang von der noch agrarisch geprägten Wirtschaft auf industrienahe Services, Forschung und Fertigung. Als Folgewirkung der anlaufenden Chipfertigung erhofft sich Maran über die nächsten fünf Jahre 10 Mio. neue Jobs pro Jahr. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit China.
Wie lauten die Pläne von Hindustan Semiconductor? Für eine Anfangsinvestition von 4 Mrd. $ will Verma jetzt die Kapitalmärkte abklappern. Zwei Fabs: eine für konventionelle 8-Zoll-Wafer, die zweite mit Infineons 300-mm-CMOS-Technologie. Die erste soll in zwei Jahren den Betrieb aufnehmen. Standorte stehen noch nicht fest.
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Wie SemIndia stützt sich HSMC auf indische „Expatriates“ im kalifornischen Silicon Valley. Verma ist Mitgründer von Redwood Ventures und Edgewood Ventures. Bislang hat er seine Fondsmittel auf US-Start-ups mit optischen Netzwerken und EDA-Tools konzentriert. Nun richtet er seine Energien auf Chipsysteme für die mobile Kommunikation und die Automobiltechnik. Alles in Indien. Als Gegengewicht zum alles schluckenden chinesischen Gründer-Boom. „Bis jetzt heißt es ¿Für Software gehe nach Indien, für Hardware gehe nach China!¿. Das wollen wir ändern.“ WERNER SCHULZ