Mit mehr Pixeln rauscht Bildqualität in den Keller
VDI nachrichten, Düsseldorf, 28. 11. 08, rb – Was viele Käufer von neuen Digitalkameras sich längst im Stillen dachten, hat jetzt die Stiftung Warentest mit ihren Tests bestätigt. Die Bildqualität von neuen Kompaktkameras ist schlechter als die vieler älterer Modelle.
Stammtischgespräche, wie sie jeder kennt: Ein Freund hat sich eine neue Kamera gekauft und ist damit unzufrieden. Die Bilder seien „schlechter“, „unschärfer“. Erst recht in Räumen oder unter anderen schwierigen Bedingungen scheint der Freund seine Kompaktkamera nicht zu beherrschen. Und das, obwohl sie doch 10 Megapixel hat und er schon seit Jahren mit Leidenschaft und guten Ergebnissen digital fotografiert.
Was bislang der subjektiven Wahrnehmung vieler Hobbyfotografen unterlag, haben jetzt Tests der Stiftung Warentest offiziell bestätigt. Die Bildqualität ist bei neuen Kameras auf der Strecke geblieben. Die Berliner haben auch 2008 eine breite Spanne von Modellen unter die Lupe genommen – billige (148 €) ebenso wie teure (795 €). Trauriges Ergebnis: „In diesem Jahr schaffte von 100 getesteten digitalen Kompaktkameras keine Einzige die Note ¿gut¿ – weder im Sehtest noch bei der Bildqualität“, erklärt Herbert Noll.
Der erfahrene Test-Redakteur weiß: „Wir beobachten diesen Abwärtstrend seit Jahren.“ Immerhin: 2006 erzielten noch 33 von 85 Kameras eine „gute“ Bildqualität, 2007 immerhin noch acht von 90. Ein Trend, den sowohl der Sehtest als auch die technischen Messungen zur Bildqualität bestätigen.
Letztere sind in der zurückliegenden Zeit immer strenger geworden und haben sich verändert, daher bestätigt vor allem der seit Jahren konstante Sehtest die Tendenz der letzten Jahre. Was simpel klingt, ist bei den Berlinern ein ausgetüfteltes Prüfverfahren.
Im Sehtest untersucht ein Panel von Experten und interessierten Laien, darunter erfahrende Prüfingenieure, die Bilder. Dazu werden Fotos von immer gleichen Motiven geschossen: Porträts mit und ohne Blitz, Landschaften, Gegenstände, Makro-Aufnahmen und mehr. Die Fotos werden auf einem hochwertigen PC-Bildschirm und parallel auf großen Papierabzügen (18 cm x 24 cm) begutachtet.
Was bei kleinen Abzügen kaum sichtbar ist, wird hier deutlich. Detail- und Farbtreue der Bilder, Schärfeeindruck, Helligkeit, Kontrast und Kontrastverläufe, Bildrauschen, und Bildfehler, Überbelichtung und Farbsäume an den Motivkanten – all das wird begutachtet. Und, so Noll: „Alles ist schlechter geworden.“
Ein Grund für dieses Urteil liegt am Trend zu immer mehr Pixeln. Damit bestätigt die Stiftung Warentest, was auch Fachzeitschriften wie ColorFoto schon länger monieren. Die höheren Pixelzahlen aktueller Modelle von teils 10 Megapixel und mehr verstärken das Bildrauschen. Auf dem Chip müssen immer mehr Pixel untergebracht werden, die damit zwangsläufig kleiner werden und weniger Licht abbekommen. Bei Aufnahmen unter schlechteren Lichtverhältnissen – bei bedecktem Himmel oder in Räumen – wird das besonders deutlich.
Da hilft auch bessere Software nicht. Bilddetails gehen verloren, wenn die Kamera das Rauschen wegrechnet, der Schärfeeindruck wird schlechter. Und, digitales Nachschärfen führt, so beschreiben es die Tester von der Stiftung Warentest, zu unansehnlichen Kanteneffekten.
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Vor der grassierende Pixelflut warnte bereits Ende letzten Jahres das namhafte Testinstitut Image Engineering und errechnete, dass 6 Megapixel für die kleinen Kompakten ideal wären.
Doch nichts hat sich geändert. Der Megapixel-Wahn ging auch auf der diesjährigen Photokina in die nächste Runde – bei Kompaktkameras ebenso wie bei Fotohandys. Erst vorletzte Woche stellte Sony einen 12-Megapixel-Sensor für Mobiltelefone vor. Besserung scheint angesichts des hohen Konkurrenzdrucks in der Branche noch nicht in Sicht. Schließlich, das kritisieren Hersteller, schauen die Verbraucher neben dem Preis zunächst auf hohe Pixelzahlen, große Zooms und erst dann auf andere Features.
Da bessere Objektive, andere Bildchips und demnächst völlig neue Kamerakonstruktionen, die die Bildqualität verbessern sollen, noch auf sich warten lassen, geben die Experten der Stiftung vor dem Weihnachtsgeschäft 2008 einen ungewöhnlichen Rat.
Sie empfehlen ältere Modelle aus den Jahren 2006 und 2007. Die Farben seien natürlicher, die Bilder weniger verrauscht. „Alt heißt nicht von gestern“, erklären die Berliner und zeigen in einer Datenbank, was die Senioren unter den Kompakten können. Eine andere Alternative mit ihren größeren Sensoren sind für Noll Spiegelreflexkameras oder „einfach warten“. REGINE BÖNSCH