Notaufnahme: So entscheidet die KI, wer als Erstes behandelt wird
In Krankenhäusern geht es tagtäglich hektisch zu. Besonders im Schockraum, also dem Notfall-Eingriffsraum in Kliniken, müssen viele Schwerstverletzte gleichzeitig behandelt werden – und das schnell und sicher. Kann eine Künstliche Intelligenz (KI) dabei helfen, die Ärztinnen und Ärzte und das Pflegepersonal zu entlasten?
KI-System im Schockraum: Es analysiert Gespräche in Echtzeit, priorisiert medizinische Informationen und unterstützt das Team bei Diagnose und Dokumentation.
Foto: Smarterpix/everythingposs
Das medizinische Personal in der Notaufnahme steht unter immensem Druck:
- Während der Rettungsdienst die Patientinnen und Patienten an das Team im Schockraum übergibt
- Solange man die Patientinnen und Patienten im Schockraum behandelt
- Bei der Übergabe an die Intensivstation oder den OP
Die Deutsche Telekom, das Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS) und das Krankenhaus Merheim von den Kliniken der Stadt Köln arbeiten aktuell an einer KI-gestützten Live-Anzeige. Diese entlastet das Fachpersonal im Schockraum.
Wo die KI in der Notaufnahme hilft
Anhand von Simulationen des Schockraums dokumentiert die KI das Geschehen und verfolgt Gespräche des medizinischen Fachpersonals im Schockraum. Dabei schneidet sie Konversationen automatisch mit, wertet diese in Echtzeit aus und arbeitet die Daten grafisch strukturiert auf.
Basierend auf den Daten ordnet der KI-Agent die genannten Informationen nach medizinischen Prioritäten ein. Diese Liste wird laufend aktualisiert und die Daten werden gleichzeitig für die Dokumentation der Behandlung gespeichert.
Struktur für den Notfall: Das ABCDE-Schema
Die Behandlung im Schockraum folgt dem sogenannten ABCDE-Schema, was bedeutet, dass man lebensbedrohliche Verletzungen zuerst behandelt:
- Atemwege (Airways)
- Beatmung (Breathing)
- Kreislauf (Circulation)
- Neurologisches Defizit (Disability)
- Erweiterte Informationen (Exposure)
Ziel der KI ist folgendes: Die KI erkennt, welche Befunde, Maßnahmen und Entscheidungen die Ärztinnen und Ärzte aussprechen. Erwähnt die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt beispielsweise ein „grobblasigen Rassel-Geräusch“ bei der Atmung, ermittelt die KI die Kategorie und erstellt ein Live-Bild in Ampellogik nach dem ABCDE-Schema. Außerdem überführt die KI die Daten automatisch in die Formulare für Dokumentation und Qualitätssicherung.
»Indem wir medizinisches Fachwissen und realistische Schockraum-Simulationen einbringen, verzahnen wir Forschung und Praxis und tragen dazu bei, dass KI-Agenten im Schockraum künftig einen spürbaren Fortschritt für die Notfallversorgung bringen könnten«, erklärt Jerome Defosse, Leitender Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin der Kliniken der Stadt Köln.
Direkt im Krankenhaus einsetzbar
Die KI-Anwendung kann im sogenannten Cloud-Edge-Kontinuum direkt im Krankenhaus auf eigenen Rechnern ohne Verbindung zum Internet oder über die Cloud betrieben werden. Die Daten sind so streng geschützt und liegen nur im europäischen Raum nach europäischen Standards für Datensicherheit.
Für Prozesse, die schnell abgeschlossen sein müssen, wird die sogenannte Edge genutzt. Darunter versteht man lokale Sensoren, Maschinen oder Geräte. Sie filtern, übersetzen, verteilen, optimieren oder komprimieren Daten dort, wo sie erzeugt werden. Die lokale Verarbeitung reduziert Latenzzeiten, entlastet die Bandbreite des Netzwerks und stellt sicher, dass die Produktion auch dann fortläuft, wenn die Internetverbindung ausfällt.
Training der KI erfolgt in der Cloud
Zeitunabhängige, langwierige und rechenintensive Aufgaben erfolgen in der Cloud. Dazu zählt beispielsweise das fortlaufende Training des KI-Algorithmus. Auch Simulationen führt man in der Cloud aus. Hier sind Speicherplatz und Rechenleistung skalierbar, die Kosten überschaubar und Anfangsinvestitionen gering.
An konkreten Technologielösungen im Bereich Edge-Cloud-Continuum forscht das Fraunhofer Cluster of Excellence Cognitive Internet Technologies CCIT.
Einsatz ab Sommer 2026 geplant
Ein vor Ort im Krankenhaus laufender Prototyp, der auch offline voll funktioniert, ist voraussichtlich ab Sommer 2026 bereit.
Das einjährige Projekt zur Entwicklung des Prototyps anhand von Schockraumsimulationen startete im September. Grundlage hierfür ist ein modularer Software-Baukasten für die KI-Lösungen.
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