Prothesentest auf Biegen und Brechen
VDI nachrichten, Marktredwitz, 16. 6. 06, ber – Keramik-Implantate überzeugen durch Härte und Kratzfestigkeit. Doch Hartes kann brechen. Mit Mischkeramiken wollen sich Implantat-Hersteller jetzt Anteile in den wachsenden Märkten für Knie- und Bandscheibenimplantate sichern. Nanopartikel sorgen dafür, dass sich feinste Risse nicht mehr ausbreiten können.
Ein lauter Knall lässt die Anwesenden im Konferenzsaal von CeramTec, Hersteller für technische Keramik in Marktredwitz, zusammenzucken. Heinrich Wecker vom Geschäftsbereich Medizintechnik demonstriert die Härte eines Hüftgelenkkopfes aus Keramik, indem er ein auf einer Stahlplatte montiertes Marktgewicht von 5 kg darauf fallen lässt. Ergebnis: Die Stahlplatte hat eine Delle, die Keramikkugel bleibt jungfräulich.
„Auch eine Feile könnte dem Material nichts anhaben“, freut sich Wecker. Seine Härte und Kratzfestigkeit würden nur durch Diamant überboten. Doch in seltenen Fällen bricht die Keramik. Mit Mischkeramiken erproben Implantat-Hersteller jetzt den Spagat zwischen Härte und Bruchfestigkeit. Die neuen Materialien sollen ihnen zudem Anteile im wachsenden Markt für Knie- und Bandscheibenimplantate sichern.
Hüftgelenksprothesen mit Gelenkkopf und -pfanne aus Keramik gelten als langlebig. In 20 Jahren wird nur 0,1 mm der Keramik abgerieben. Prothesen mit Kunststoffpfannen hingegen verlieren in gleicher Zeit bis zu 4 mm, je nachdem, ob der Gelenkkopf aus Keramik oder Metall ist.
Für aktive Patienten empfehlen sich daher Keramik-Keramik-Gleitpaarungen. Hanns-Peter Scharf, Ärztlicher Direktor am Universitätsklinikum Mannheim, aber kennt deren Grenzen: „Im Extremfall wird der Gelenkkopf angehoben und kann beim Zurückschnellen in die Pfanne zu Bruch gehen.“
Jungen Patienten setzt man daher möglichst große Gelenkköpfe ein, die den Bewegungsumfang erhöhen und die Bruchgefahr vermindern. Dies ließe sich bei Patienten, die anatomisch eine kleine Hüftgelenkspfanne haben, nur mit einer Metall-Metall-Gleitpaarung realisieren, sagt Scharf. Grund: Keramik-Pfannen sind dickwandiger als solche aus Metall und brauchen daher mehr Platz. Metall reibt sich an Metall ebenso langsam ab wie Keramik an Keramik. Allerdings erhöht ein Metallgelenk die Konzentration einiger Schwermetalle im Blut.
Mit Mischkeramiken wollen die Hersteller die Einsatzmöglichkeiten ihrer Prothesen erweitern. Künstliche Hüftgelenke bestehen aus Aluminiumoxid. Ihre Härte erhalten sie im Sinterofen, wo sich das vorgeformte Aluminiumoxidpulver bei 1500 °C und 1000 bar dauerhaft verbinden. Mischt man Zirkonoxid-Nanopartikel darunter, können sich feinste Risse nicht mehr ausbreiten, da sie von den Nanoteilchen aufgehalten werden. Umgekehrt gibt es Aluminiumoxid-verstärktes Zirkonoxid (Alumina-toughened Zirconia, ATZ).
Der Schweizer Hersteller Metoxit hat eine ATZ-Mischkeramik entwickelt, die viermal so bruchfest ist wie reines Aluminiumoxid. CeramTec wiederum entwickelt dünnwandige Pfannen für große Gelenkköpfe aus einer bruchfesten Mischung, die sich zudem langsamer abnutzt als reines Aluminiumoxid. Der Weltmarktführer für keramische Hüftgelenke setzt diese Mischung auch für Knie- und Bandscheibenprothesen ein.
Im Herbst nimmt CeramTec eine serienfähige Pilotanlage für Bandscheibenprothesen in Betrieb, die zunächst für klinische Studien produzieren soll. „Wir erwarten in zwei bis drei Jahren einen weltweiten Bedarf von 500 000 Bandscheibenprothesen pro Jahr“, sagt Vorstandsmitglied Jürgen Huber.
Orthopäde Scharf glaubt allerdings nicht an einen solchen Boom von beweglichem Bandscheiben-Ersatz. Derzeit würden eher steife Verbindungen verwendet. Der Berliner Neurochirurg Jürgen Kiwit, Leiter der Fachgruppe Wirbelsäule des Klinikunternehmens Helios, dagegen schätzt, dass sich bewegliche Prothesen durchsetzen, wenn auch hauptsächlich bei jüngeren Patienten. Derzeit werden bewegliche Bandscheibenprothesen aus Metall und Kunststoff gefertigt. Ob es die Keramikmischung macht, wird die Zukunft zeigen. CHRISTIAN MEIER/ber
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