Nutzt der Arzt KI, lehnen ihn die Patienten ab
Vertrauen ist die Basis für ein gutes Verhältnis zwischen Patientinnen oder Patienten und Ärztin oder Arzt. Das zeigt sich auch darin, dass dann mehr Behandlungen erfolgreich verlaufen. Eine aktuelle Studie belegt nun: Der Einsatz von KI gilt als Störfaktor innerhalb dieses Beziehungsgeflechts.
Einer aktuellen Studie zur Folge sind Patientinnen und Patienten eher skeptisch, wenn die Ärztin oder der Arzt KI einsetzt.
Foto: smarterpix / BiancoBlue
Die Bedeutung künstlicher Intelligenz nimmt in Arztpraxen und Kliniken stetig zu. Sie wird inzwischen nicht nur für die Analyse von Röntgenbildern eingesetzt, sondern hilft auch bei der Erstellung von Differentialdiagnosen, also dabei, bei ähnlichen Symptomen die eigentliche Ursache herauszufinden und adäquate Behandlungen einzuleiten. Es gibt zunehmend Studien, die vor allem die zahlreichen Vorteile betonen, die durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) entstehen. Demgegenüber stehen allerdings auch viele Menschen, die dem Thema weiterhin mit Skepsis begegnen, besonders wenn es um medizinische Entscheidungen geht. Diese Vorbehalte reichen dabei weit über die Technologie selbst hinaus und betreffen auch jene Medizinerinnen und Mediziner, die mit künstlicher Intelligenz arbeiten. Eine aktuelle Untersuchung von Würzburger Psychologen zeigt, wie eng die Einstellung zur Technologie mit der Wahrnehmung der Ärztinnen und Ärzte verknüpft ist. Vertrauen und Empathie spielen eine zentrale Rolle, wenn Patientinnen und Patienten Entscheidungen treffen.
Stellt sich also die Frage: Werden Ärztinnen und Ärzte, die künstliche Intelligenz nutzen, weniger geschätzt? Die Autoren der aktuellen Studie haben darauf eine eindeutige Antwort: Ja, denn fast 1.200 Versuchsteilnehmerinnen und -teilnehmer gaben an, lieber keinen Termin bei einer Ärztin oder einem Arzt vereinbaren zu wollen, wenn in der Praxis KI zum Einsatz kommt. Die Menschen, die an der Studie teilnahmen, bewerteten eine Ärztin oder einen Arzt durchweg negativer, sobald sie von der Verwendung künstliche Intelligenz erfuhren. Das beeinflusst für die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer Kompetenz, Vertrauenswürdigkeit und Empathie. Auffällig ist, dass dieses Urteil unabhängig davon gefällt wurde, ob künstliche Intelligenz für Diagnosen, Therapien oder reine Verwaltungsaufgaben zum Einsatz kommt. Selbst für organisatorische Tätigkeiten führte das Offenlegen der Technologie zu einer kritischeren Einschätzung.
Künstliche Intelligenz: mehr Vorurteile gegenüber Ärztinnen und Ärzten
Grundlage der Studie waren für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Werbeanzeigen von Arztpraxen. Auf Basis dieser Anzeigen erfolgten die Einschätzung und Bewertungen der Ärztinnen und Ärzte. Die Studiendaten belegen, dass das Verhältnis zwischen Arzt und Patient empfindlich gestört werden kann, wenn der Eindruck entsteht, der Arzt oder die Ärztin könnte den Entscheidungen einer künstlichen Intelligenz zu viel Gewicht beimessen. Die Autoren der Studie – Moritz Reis und Wilfried Kunde von der Universität Würzburg sowie Florian Reis von der Charité Berlin – verdeutlichen, dass Menschen offenbar fürchten, Medizinerinnen oder Mediziner könnten den Empfehlungen der künstlichen Intelligenz blind vertrauen. Diese Sorge führte dazu, dass die befragten Probanden zögerlicher waren, einen Termin bei Medizinerinnen oder Medizinern zu buchen, die eine Zusammenarbeit mit künstlicher Intelligenz offenbaren. Das zeigt, wie tief das Misstrauen verankert ist, selbst wenn die KI für sachfremde Zwecke wie die Verwaltung eingesetzt wird.
Bemerkenswert ist, dass sich die negative Wahrnehmung auf alle der in den Anzeigen dargestellten Eigenschaften erstreckt. Ärztinnen und Ärzte galten nicht nur als weniger fähig und glaubwürdig, sondern auch als weniger mitfühlend. Dieses weitreichende Urteil betraf sämtliche Formen der Nutzung künstlicher Intelligenz, unabhängig von deren tatsächlichem Einfluss auf die individuelle Behandlung. Es genügte der bloße Hinweis auf die Nutzung von künstlicher Intelligenz, um kritischere Urteile zu provozieren.
Arzt-Patienten-Verhältnis wird durch KI gestört
In der Forschung gilt ein stabiles Vertrauensverhältnis zwischen Patientin oder Patient und Ärztin oder Arzt als ein wesentlicher Faktor für den Behandlungserfolg. Störungen in diesem Bereich, zum Beispiel durch den Einsatz künstlicher Intelligenz, könnten deshalb schwerwiegende Folgen haben. Besonders kritisch erscheint, dass die Wahrnehmung von Empathie leidet – eine Eigenschaft, die in zwischenmenschlichen Beziehungen der Medizin besonders gefragt ist. Das Vertrauen in die Fähigkeiten und die Menschlichkeit der Ärztinnen und Ärzte wird durch künstliche Intelligenz also signifikant beeinflusst, ob gerechtfertigt oder nicht.
Die Autoren warnen vor den möglichen Langzeitfolgen, die sich durch eine flächendeckende Einführung künstlicher Intelligenz für das Gesundheitswesen ergeben könnten. „Wenn Ärzte ihre Patienten über den Einsatz von KI informieren, sollten sie darauf abzielen, potenzielle Bedenken auszuräumen und mögliche Vorteile hervorzuheben“, raten die Autoren der Studie. Sie sind sich sicher, dass sich nur durch Transparenz und offene Gespräche das notwendige Vertrauen langfristig sichern lasse. Es genüge nicht, schlicht auf die Vorzüge der Technik zu verweisen, wenn die emotionale Ebene außer Acht gelassen werde. „Zum Beispiel könnte der Einsatz von KI für Verwaltungszwecke dazu beitragen, dass Ärzte mehr Zeit für die persönliche Betreuung ihrer Patienten haben. Trotz einer zunehmenden Technologisierung könnte auf diese Weise unsere Gesundheitsversorgung durch KI sogar menschlicher werden.“
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