Neue Bioprodukte haben Zusatznutzen
Wissenschaftler, Zuchtbetriebe und Großunternehmen arbeiten derzeit mit Hochdruck an Nutzpflanzen, die im Genlabor zu kleinen Vitalstofffabriken umgewandelt werden. Mit ersten Erfolgen beim Raps.
Vitaminpräparate gegen Grippe und Co. finden reißenden Absatz – anstelle von frischem Obst und Gemüse. Doch noch ist nicht bewiesen, dass die synthetischen Vitalstoffe in Pillenform auch wirken.
In Zukunft könnte es heißen: Pille ist out, Rapsschmaus ist in. Erfindungen der Pflanzenbiotechnologie könnten bald vitaminhungrige Verbraucher lückenlos das ganze Jahr mit natürlichen anstelle von künstlichen Fitmachern versorgen. Die Forschung dazu läuft auf Hochtouren. Pflanzen wie Raps, Lein oder Kartoffeln werden im Labor gentechnisch zu kleinen Vitalstofffabriken umgebaut, von denen man sich eine gesundheitsfördernde Wirkung verspricht.
Raps, in großen Mengen als Futtermittel oder Schmierstoff verwendet, könnte bald neben Biodiesel und Straßenasphalt als flottgemachter Lebensmittelrohstoff auch auf dem Teller landen. Erste Versuche liefen schon vor zehn Jahren. Die Nutzpflanze stieg als „gelbes Gold“ in der Gunst der Zuchtforscher. Heute stehen Züchtungen mit Vitamin E und gesunden Fettsäuren als Ergebnis eines fünfjährigen Großprojekts im Gewächshaus. „Napus“, nach der botanischen Bezeichnung Brassica napus für Raps, heißt das Stiefkind der grünen Gentechnik. Es begann 1999. 20 Mio. € flossen in 20 Teilprojekte, zwei Drittel davon als BMBF-Förderung. Nun ist das biotechnologische Leitprojekt, an dem sich Wirtschaft und Forschung beteiligten, zum größten Teil abgeschlossen. „Das Problem vor dem wir jetzt stehen ist, dass das Projekt unter der alten Regierung noch deutlich unterstützt wurde, aber die rot-grüne Regierung sich damit eher wenig identifiziert“, meint die Projektleiterin Gunhild Leckband von der Norddeutschen Pflanzenzüchtung.
Trotz aller Widrigkeiten gibt es bereits handfeste Ergebnisse: „Wir haben transgene Pflanzen produziert, die in der Lage sind, Fettsäuren herzustellen, die sonst nur in Fisch vorkommen“, erzählt die Napus-Koordinatorin. Medizinisch liegen die mehrfach gesättigten Fettsäuren, in Fachkreisen PUFA (Polyunsaturated fats) genannt, klar im Trend. Nachweislich bietet ein Mehr an diesen Fettsäuren in Form von Fisch auf dem Speiseplan einen wirksamen Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen, hemmt Entzündungen und hilft der kindlichen Gehirnentwicklung. Drei Mal in der Woche sollten Seefische auf den Tisch, um spürbare Effekte zu bekommen, meinen Ernährungsfachleute.
Den steigenden Bedarf kann aber der normale Fischfang nicht decken. Und so haben Bioarchitekten die Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren verpflanzlicht und schützen damit nebenbei die bedrohten Fischbestände. Für die herzstärkende Pflanzenkost haben Forscher um den Hamburger Botaniker Ernst Heinz Gene aus Algen in Leinpflanzen transferiert. Denn Algen liefern die Bausteine, aus denen Fische die langkettigen ungesättigten Fettsäuren zusammensetzen. Das klappt auch bei Raps. In Zukunft also Salatsoße mit Fischöl? Für die PUFAs vom Acker gibt es noch keine Feldversuche. „Die braucht man aber, um mit der Pflanze überhaupt in den Markt zu kommen“, betont Susanne Benner von der BASF-Tochter Plant Science.
Beim Leibniz-Institut für Pflanzenbiotechnologie IPB in Halle wurde an Raps als Proteinquelle gebastelt. Die Pressrückstände aus der Rapsölherstellung sind reich an wertvollen Eiweißen. Der Presskuchen wird bisher nur an Hühner verfüttert. Aber die enthaltenen Bitterstoffe bereiten dem Federvieh Verdauungsprobleme und lassen die Eier fischig schmecken. Es liegt also nahe, die Bitterstoffe in ihrer Aktivität zu drosseln. „Wir haben DNA-Konstrukte hergestellt, die für den Eingriff am Erbgut erforderlich sind“, erklärt Sylvia Pieplow vom IPB. Damit könnte neuer Protein-Raps den Eiweißbedarf von Rindern und Federvieh decken, ohne Soja. Sogar ein Wursthersteller ist interessiert. Er möchte das quellfreudige Rapsprotein für knackige Würstchen verwenden. Aber so einfach ist es doch nicht. „Viele Untersuchungen müssen noch gemacht werden. Etwa, warum die Pflanze die Bitterstoffe überhaupt braucht“, so die Hallenser Pressesprecherin.
„Erstaunlich sind auch die Erfolge mit Vitamin E“, sagt die Expertin Gunhild Leckband. Es ist gelungen, Raps biotechnisch so aufzurüsten, dass die Zellen den begehrten Radikalfänger in größeren Mengen produzieren können. Vitamin E ist natürlicher Bestandteil in Raps, liegt aber in geringen Konzentrationen vor. Sowohl auf dem klassischen Weg über Kreuzungen als auch transgen konnte eine Verdoppelung der Tocopherolkonzentration erreicht werden. „Das gentechnikfreie Verfahren ging genau so schnell und genau so gut. Ohne den transgenen Methoden eine Absage zu erteilen, werden wir bei Vitamin E mit den klassischen Methoden weitermachen“, sagt die Pflanzenbiotechnologin.
Auch auf europäischer Ebene läuft viel zur Pflanzenbiotechnologie. Gerade hat EU-Forschungskommissar Busquin ein Forschungsprogramm aufgelegt, um Innovationen des Pflanzensektors voranzubringen: „Pflanzen der Zukunft“. Europäische Pflanzenwissenschaftler und Vertreter aus der Nahrungsmittel- und Biotechnologie-Industrie sowie der Landwirtschaft schmieden seit Juni Pläne zur Entwicklung und Vermarktung von neuartigen Pflanzenprodukten mit einem Zeithorizont bis 2025. Was sie eint, ist die Vision von Zukunftspflanzen, die gesünder sind, sich gegen Pilze und Schädlinge wehren können, die den wachsenden Nahrungs- und Futtermittelbedarf decken, die verseuchte Böden entgiften oder den künftigen Kraftstoffhunger befriedigen. Auch Arzneimittel aus modifizierten Gewächsen sollen die Palette bereichern.
Das ist sozusagen die europäische Vision von Umwelt- und Verbraucherschutz per Pflanzenbiotechnologie. Möglicherweise wirft das ein anderes Licht auf die Genfooddebatte. Die Aussichten sind gut. Marktforscher von Dialego haben kürzlich Verbraucher hierzulande befragt, ob sie einen gentechnisch veränderten Jogurt kaufen würden, der erwiesenermaßen Darmkrebs verhindern kann. Nur ein Drittel der Befragten lehnte das ab. Aus Ablehnung wird mit dem gesundheitlichen Zusatznutzen schon mal Begeisterung, ergab die Umfrage. Ob die gewünschte Wirkung aus transgenen Pflanzen tatsächlich eintritt, weiß bisher niemand. „Ob die wertvollen Inhaltsstoffe im natürlichen Verbund tatsächlich gut resorbiert und vom Körper verarbeitet werden können, muss noch erforscht werden“, gibt Sylvia Pieplow vom IPB zu bedenken. K. SPILOK/wip
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