„Kunstherz“ auch als Implantat
Wenn eine Bypass-Operation nach mehreren Herzinfarkten nicht mehr möglich ist, kann der Patient nur noch auf ein Kunstherz hoffen. Bald schon soll sogar ein implantierbares Herzunterstützungssystem auf den deutschen Markt kommen.
Als Manuela Hanf in die Würzburger Poliklinik für Herz- und Thoraxchirurgie eingeliefert wurde, schlossen die Ärzte die 29jährige sofort an die Herz-Lungen-Maschine an. Ihr Herzmuskel war zu diesem Zeitpunkt durch einen akuten Virusinfekt schon so geschwächt, daß sie keine Treppen mehr gehen, geschweige denn ihr Kind auf den Arm nehmen konnte. Bis zur Herztransplantation drei Wochen später übernahm das externe Pumpsystem die komplette Funktion ihres kranken Herzens. „Ich lag auf dem Rücken, die künstlichen Herzkammern wie Zeitbomben auf meinem Bauch“, beschreibt Manuela Hanf die enorme psychische Belastung, während sie auf ein Spenderorgan wartete. Heute, zwei Jahre nach dem schicksalhaften Eingriff, kann die junge Mutter ihren Alltag wieder gut bewältigen.
Wie Manuela Hanf verdanken hierzulande inzwischen Tausende von Patienten dem „Kunstherzen“ ihr Leben. Entweder haben sie zu viele Herzinfarkte hinter sich, als daß ihnen noch eine Bypass-Operation helfen könnte, oder ihr Herz ist durch eine Infektion so stark geschwächt, daß es künstliche Hilfe benötigt. Als die Deutsche Gesellschaft für Kardiotechnik 1971 gegründet wurde, konnten in Deutschland gerade einmal 2000 Patienten in 16 Spezialkliniken mit Hilfe der Herz-Lungen-Maschine am offenen Herzen operiert werden. 1998 – 27 Jahre später – wurden 97 000 solcher Eingriffe in knapp 80 Herzzentren vorgenommen. Damit wurden die Herzoperationen um nahezu das 50fache gesteigert, während die Zahl der Herzzentren gleichzeitig nur um das 5fache stieg. Die flächendeckende herzchirurgische Versorgung hat dazu beigetragen, daß in Deutschland inzwischen jeder Patient innerhalb weniger Wochen am Herzen operiert werden kann.
Dennoch geht den deutschen Kardiologen die Entwicklung zu langsam. „Wir warten auf bessere Systeme aus Amerika“, sagte Professor Olaf Elert, Direktor der Poliklinik für Herz- und Thoraxchirurgie der Universität Würzburg, auf dem 28. Internationalen Jahreskongreß der Kardiotechniker in Würzburg. Weil amerikanische Geldgeber – im Gegensatz zu den deutschen Kollegen – massiv in die Medizinbranche investieren, kommen viele Innovationen auf dem Gebiet der Herzunterstützungssysteme traditionell aus den USA. Eingesetzt werden sie aber zuerst auf dem asiatischen und europäischen Markt, da die amerikanische Gesundheitsbehörde die Geräte nur zuläßt, wenn sie an einer Vielzahl von Patienten erprobt wurden. Deutsche Kliniken dagegen setzen die Systeme bereits ein, wenn die Ethikkommission nach einer Nutzen-Risiko-Analyse ihre Zustimmung gegeben hat. „Wir sind das Prüfungsfeld für Amerika“, bekräftigt Elert die gängige Praxis.
Trotz dieser Wettbewerbsvorteile zeigten sich die deutschen Hersteller von Medizintechnik in Würzburg selbstbewußt. So arbeitet das Unternehmen Medos aus Stolberg mit finanzieller Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen an der Entwicklung des ersten implantierbaren Herzunterstützungssystems in Europa. Bisher werden von deutschen Herstellern ausschließlich extrakorporale Herzpumpen angeboten. Die implantierbare Mikrodiagonalpumpe von Medos ist, anders als vergleichbare amerikanische Systeme, sehr leicht, sie kann beide Herzkammern ersetzen und muß erst nach zwei Jahren ausgetauscht werden. Bisher teilten sich die US-Konzerne Baxter und TCS den Markt der implantierbaren Systeme. Nun dürften sie mit dem deutschen Hersteller Medos einen ernstzunehmenden Konkurrenten bekommen.
Diese Entwicklung ist insofern interessant, als die Überbrückungszeit bis zur Herztransplantation immer länger dauert. Das liegt zum einen daran, daß derzeit die Anzahl der durchgeführten Herztransplantationen zurückgeht und daß zum anderen die Liste derjenigen wächst, die auf ein Spenderherz warten, weil weniger Organe gespendet werden. In dieser Zeit übernimmt das „künstliche Herz“ die Herz- und Lungenfunktion. Außerdem kann das implantierte Herzunterstützungssystem als Alternative zur Herztransplantation bei Patienten eingesetzt werden, die durch Vorerkrankungen nicht für eine Transplantation in Frage kommen. Und nicht zuletzt werden immer mehr Patienten für eine längere Zeit an diese Systeme angeschlossen, damit sich ihr erkranktes Herz erholen kann.
Dafür stehen bisher, zumindest bei deutschen Herstellern, nur extrakorporale Pumpsysteme zur Verfügung. Die sind – wie das Berlin Heart von Mediport und das konventionelle Herzunterstützungssystem von Medos – ausgereifte Produkte, die in puncto Biokompatibilität und mobiler Einsatzmöglichkeiten wenig zu wünschen übrig lassen. Dennoch dürfte die Zukunft aus mindestens zwei Gründen bei den Implantaten liegen: Sie verringern die psychische Belastung der Patienten und sind kostengünstiger, denn die vergleichsweise seltenen Kontroll- und Wartungszeiten können auch ambulant durchgeführt werden.
HANNEGRET HÖNES
Das Kunstherz als Lebensretter nach Mehrfach-Infarkt.
Mobilität verringert den psychischen Druck während des Wartens auf ein Spenderorgan.
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