Fortschritt in der Diagnose durch Evolution 24.11.2025, 19:00 Uhr

KI erkennt seltene Krankheiten

Ein neu entwickeltes KI-Modell soll schädliche Mutationen in Proteinen erkennen. Die Methode wurde auf Daten verschiedener Arten und genetischer Variationen entwickelt. Mit „popEVE“ wollen Forschende die Diagnostik auf eine neue Stufe heben.

Frau in weißem Kittel arbeitet in einem Labor

Wenn Ärztinnen und Ärzte zuverlässige Unterstützung von KI erhalten, kann das besser, schneller und kostengünstiger zum Ergebnis führen.

Foto: smarterPix / Andrey Popov

Ein Wissenschaftsteam entwickelte ein KI-Modell, das Variationen in menschlichen Proteinen hinsichtlich ihres Krankheitspotentials bewertet. Das Modell namens „popEVE“ ordnete auch zuvor nicht beobachtete Mutationen zuverlässig ein – ein Durchbruch für Medizinerinnen und Mediziner sowie Betroffene.

Die künstliche Intelligenz (KI) stützt sich dabei auf eine umfassende Datenbasis: Hunderttausende Arten sowie die genetische Diversität unter Menschen wurden berücksichtigt. Durch den Zugang zu evolutionären Daten kann die KI erkennen, welche Proteinbestandteile lebenswichtig sind und welche Änderungen tolerierbar erscheinen.

Analyse genetischer Variationen

Die Innovation popEVE erlaubt nicht nur die Identifikation krankmachender Genveränderungen, sondern ordnet sogar ihren Schweregrad für verschiedene Organe ein. Das Tool erkennt die rund 20.000 menschlichen Proteine und kann Veränderungen darin unterscheiden, ob die im Toleranzbereich oder außerhalb liegen.

Beteiligt an der Entwicklung waren Forschende der Harvard Medical School uns des Centre für Genomic Regulation (CRG) in Barcelona.

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KI unterstützt bei der Diagnostik seltener Krankheiten

Für Menschen mit seltenen Störungen könnte dies eine entscheidende Entwicklung darstellen, bleiben sie doch oft ohne genaue Diagnose. Die KI hilft den Ärztinnen und Ärzten dabei, sich zuerst auf die schwerwiegendsten Genvarianten zu konzentrieren. Vorteil dabei: Die KI basiert auf individuellen genetischen Daten.

Daraus ergibt sich zusätzlich ein positiver Effekt auf die Behandlung seltener Erkrankungen. Denn diese sind für das Gesundheitssystem bislang in der Regel eine erhebliche Belastung. Doch dank popEVE könnten Diagnosen schneller, einfacher und kostengünstiger gestellt werden als bisher.

Ärztinnen und Ärzte profitieren von der KI

„Kliniken haben nicht immer Zugang zur elterlichen DNA, und viele Patienten kommen allein. popEVE kann diesen Ärzten helfen, krankheitsverursachende Mutationen zu identifizieren, und das sehen wir bereits in der Zusammenarbeit mit Kliniken“, sagt Mafalda Dias vom Zentrum für Genomische Regulation.

Jeder Mensch ist durch zahlreiche kleine genetische Unterschiede geprägt. Besonders sogenannte Missense-Mutationen verändern einzelne Aminosäuren in Proteinen. Während die meisten solcher Veränderungen harmlos bleiben, können einige schwere Krankheiten auslösen. Der Knackpunkt ist das zuverlässige Herausfiltern gefährlicher Varianten.

KI kann evolutionäre Muster erkennen und bei der Diagnose helfen

Hinzu kommt: Nicht alle gefährlichen Mutationen führen zu gleich schweren Folgen. Manche verursachen nur leichte Beschwerden, andere schwere Beeinträchtigungen oder sogar einen frühen Tod im Kindesalter. Bestehende KI-Systeme bieten bisher keine einheitliche Bewertung des Schweregrads über sämtliche Gene hinweg.

Bei vielen seltenen Erkrankungen fehlen direkte Vergleichsdaten. Individuelle Fallbeispiele entziehen sich der Mustererkennung über große Patientengruppen. Deshalb nutzt das Forschungsteam evolutionäre Muster als Referenzbasis.

Seltene Krankheiten dank KI entdeckt

Im Verlauf der Erdgeschichte hat die Evolution stetig erprobt, welche Proteinveränderungen überlebensfähig sind. Durch den Vergleich von Sequenzen unterschiedlicher Spezies erkennt die KI, welche Stellen im Protein kritisch und welche tolerant gegenüber Mutationen sind.

Das Algorithmus-Modell EVE wurde 2021 vorgestellt und nutzt evolutionäre Prinzipien zur Bewertung von Krankheitsgenen. Die KI erkennt seltene Krankheiten oft präziser als klassische Labormethoden und organisierte die Interpretation schwieriger Genvarianten für die klinische Genetik entscheidend neu. Allerdings konnte das Modell nur die Auswirkungen innerhalb eines Gens beurteilen, ein Vergleich von Mutationen zwischen verschiedenen Genen war bislang nicht direkt möglich.

Gegencheck der KI mit vorhandenen Patientendaten

Die Weiterentwicklung namens popEVE setzt genau dort an. Das Problem ließ sich durch die Kombination von Evolutionsdaten mit Informationen aus der UK Biobank und gnomAD lösen. Es handelt sich dabei um die zwei umfangreichsten Datenbanken.

Erstmals konnten Medizinerinnen und Mediziner eine Mutation in Gen A direkt mit Gen B auf derselben Schweregradskale vergleichen. Bei einem umfangreichen Test nutzen die Forschenden genetische Daten von mehr als 31.000 Familien mit Kindern, die an schweren Entwicklungsstörungen leiden. Das Ergebnis: In 98 Prozent der Fälle lag popEVE richtig.

Gleichberechtigte Bewertung aller genetischer Varianten durch KI

Darüber hinaus identifizierten die Forschenden mit popEVE 123 bisher unbekannte Gene als mögliche Ursachen für Entwicklungsstörungen. Viele davon entfalten entscheidende Funktionen im Gehirn und stehen in physischer Verbindung zu bereits bekannten Krankheitsproteinen.

Ein besonderer Fortschritt: Die KI erkennt seltene Krankheiten ohne diskriminierende Nachteile für unterrepräsentierte Bevölkerungsgruppen in Gendatenbanken. Indem sie jede Variante unabhängig von ihrer Beobachtungshäufigkeit einstuft, verringern sich Fehlbewertungen.

Ein Beitrag von:

  • Nina Draese

    Nina Draese hat unter anderem für die dpa gearbeitet, die Presseabteilung von BMW, für die Autozeitung und den MAV-Verlag. Sie ist selbstständige Journalistin und gehört zum Team von Content Qualitäten. Ihre Themen: Automobil, Energie, Klima, KI, Technik, Umwelt.

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