KI erkennt Komplikationen im OP, bevor es die Ärzte bemerken
Im Operationssaal zählt oft jede Sekunde: Ärztinnen und Ärzte überwachen Herzschlag, Blutdruck und Atmung – doch Warnsignale kommen meistens erst, wenn es bereits kritisch wird. Das Projekt TRANSFER des Technologieentwicklers SectorCon will das ändern: Mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) sollen Komplikationen erkannt werden, bevor sie entstehen und so Leben gerettet werden, noch bevor Gefahr droht.
Das System ConCardiac AIR von SectorCon überwacht während Operationen den Kreislauf – und warnt dank KI, bevor Komplikationen entstehen.
Foto: Smarterpix/Kalinovskiy
In Deutschland gibt es jährlich 16 Millionen chirurgischer Eingriffe – 10 % davon verlaufen mit Komplikationen. Diese führen oft zu Folgeerkrankungen, wie Herzinfarkten oder Nierenversagen. In Industrieländern ist postoperative Sterblichkeit aktuell die dritthäufigste Todesursache.
Wenn der Eingriff zu spät kommt
Aktuelle Überwachungssysteme erlauben es Anästhesistinnen und Anästhesisten meist erst einzugreifen, wenn eine kritische Situation bereits eingetroffen ist, beispielsweise bei einem drastischen Abfall des Blutdrucks oder der Herzfrequenz.
Transfer – Vorausschauendes Monitoring im OP
SectorCon arbeitet derzeit an der Entwicklung des Medizingeräts ConCardiac AIR – ein nicht-invasives Monitoring-System zur Überwachung der Kreislaufsituation von Patientinnen und Patienten während einer Operation. Diese Sensortechnik soll Instabilitäten frühzeitig erkennen und so Komplikationen verhindern.
Die Datenplattform Transfer trägt zu dieser Entwicklung bei. Sie soll mithilfe von künstlicher Intelligenz und Maschinellem Lernen die Anästhesieüberwachung weiterentwickeln und die Versorgung der Patientinnen und Patienten verbessern.
Patientendaten trainieren Transfer
Die Trainingsdaten für Transfer liegen bereits vor: Es handelt sich um anonymisierte Informationen von mehr als 300.000 Patientinnen und Patienten der Charité Berlin. Mehr als 9 Mio. Datenpunkte, beispielsweise Vitaldaten der Anästhesie, biometrische Daten oder Daten zur Medikation, bieten die Grundlage für die Entwicklung des KI-Modells.
Präventiv statt reaktiv: Monitoring ohne Eingriff
Die neue Überwachungsmethode ist nicht-invasiv und beinhaltet eine durchgehende Messung der Pulswellenlaufzeit (PTT) an mehreren Körperstellen für bis zu 24 Stunden. Die PTT zeigt an, wie lange der Puls vom Herzen zu anderen Körperteilen braucht und verrät viel über den Blutdruck eines Menschen. Diese Methode gibt den Ärztinnen und Ärzten ein umfassendes Bild über den gesamten Kreislauf, sodass schneller therapeutische Maßnahmen eingeleitet werden können. Da die Ermittlung der PTT mit ConCardiac AIR an mehreren Stellen zugleich erfolgt, was bei herkömmlichem Monitoring nicht möglich ist, kann die Messung dazu beitragen, schwere Komplikationen zu vermeiden.
Transfer dient dabei als KI-basiertes und in Echtzeit agierendes Unterstützungssystem, das präzise Prognosen und maßgeschneiderte Therapieempfehlungen während chirurgischer Eingriffe ermöglicht. So kann ein zu niedriger Blutdruck oder eine eingeschränkte Durchblutung frühzeitig erkannt werden.
Operationsrisiko dank KI minimieren
Dieses Modell kann in Zukunft auch für andere Anwendungsfälle in der Anästhesiologie geschult werden, beispielsweise bei der Notwendigkeit einer Bluttransfusion. Es dient daher nicht nur der Sicherheit der Patientinnen und Patienten, sondern verbessert auch die Behandlung dieser. Zudem ermöglicht es vorausschauend auf drohende Änderungen zu reagieren, sodass Komplikationen vermieden werden können.
Ein Frühwarnsystem wäre besonders vorteilhaft für Patientinnen und Patienten mit Vorerkrankungen oder erhöhtem Risiko für Komplikationen. Besonders bei älteren Menschen müssen Eingriffe auch postoperativ begleitet werden – mit einer vorausschauenden Behandlung könnten Krankenhauskosten gesenkt und Freiräume für eine notwendige intensive Betreuung eröffnet werden.
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