Heilen mit Protonen
Eine neue Behandlung bei Krebserkrankungen, die sogenannte Protonentherapie, verspricht den Patienten gute Heilungschancen bei größtmöglicher Schonung. Weltweit wenden allerdings erst einige wenige Einrichtungen diese Therapie an. In Deutschland aber soll sie jetzt verstärkt eingeführt werden.
Trotz enormer Fortschritte in der Tumortherapie kann heute kaum die Hälfte der Patienten dauerhaft geheilt werden. Zwar lässt sich jede zweite Neuerkrankung klassisch mit Operation, Bestrahlung oder Chemotherapie bekämpfen, doch bei metastasierten Formen sind sie chancenlos.
Die Strahlentherapie mit Photonen hat große Fortschritte erzielt. Aber sie belastet gesundes Gewebe immer noch wesentlich und verursacht oft Nebenwirkungen und Langzeitschädigungen. Hier verspricht die Therapie mit Protonenstrahlen bessere Erfolge.
Bereits 1954 wurde der erste Patient in einem Forschungsinstitut in Berkeley, USA, mit Erfolg bestrahlt. Weitere Institute in den USA, in der Schweiz, in Schweden, Russland, Japan, Großbritannien, Belgien, Frankreich, Kanada, Südafrika u.a. folgten und stellten einen Teil ihrer Beschleunigerzeit der medizinischen Nutzung zur Verfügung. Mit Protonenstrahlen wurden bis heute fast 28 000 Patienten erfolgreich behandelt. Die einzige Protonentherapie-Klinik befindet sich in Loma Linda, Kalifornien. In Deutschland sind solche Kliniken u.a. in Erlangen, München und Regensburg geplant.
Die in Europa einzige und weltweit modernste Protonenbestrahlungsanlage ist am Paul Scherrer Institut (PSI), Villigen, in Betrieb. Protonen, die Kerne des Wasserstoffatoms, verhalten sich wegen ihrer ballistischen Eigenschaften im Gewebe anders als Photonenstrahlen. Sie geben ihre größte Energie erst am Ende der genau berechneten Reichweite, dem sogenannten „Bragg Peak“, ab. Damit wird die therapeutische Dosis genau im Tumor platziert, während zwischen Körperoberfläche und Tumor nur eine geringe Strahlenmenge wirkt. Hinter dem Tumor fällt die Strahlung innerhalb weniger mm auf Null ab. Die Tiefe des Bragg Peaks hängt von der Anfangsenergie der Protonen und den durchstrahlten Strukturen ab. Dadurch kann man hohe Strahlendosen in Tumoren applizieren und gesundes Gewebe schonen.
Protonenanlagen bestehen aus einem Beschleuniger (Zyklotron oder Synchrotron), der die durch Ionisierung von Wasserstoffatomen gewonnenen Protonen auf eine Energie von 235 MeV beschleunigt. Damit können Tumoren bis zu einer Tiefe von ca. 30 cm bestrahlt werden. Die beschleunigten Protonen werden durch ein Vakuumsystem mit Fokussier- und Umlenkmagneten zum Behandlungsplatz geleitet. Ein isozentrisches um 360 Grad rotierendes Strahlführungssystem, die sogenannte Gantry, ermöglicht es, den dünnen Protonenstrahl von jedem gewünschten Winkel aus auf den Tumor zu richten. Die am PSI entwickelte, weltweit einmalige Spot-Scan-Technik erlaubt eine sehr präzise Bestrahlung von tief sitzenden Tumoren. Die kompakte Gantry wurde in Zusammenarbeit mit der Schär Engineering AG in der Schweiz gebaut.
Weltweit sucht man nach Alternativen zur Krebsbehandlung. Bei der Gesellschaft für Schwerionenforschung in Darmstadt untersucht Prof. Gerhard Kraft in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Radiologischen Universitätklinik Heidelberg schon seit Jahren die Wirkungen schwererer Ionen wie z.B. Kohlenstoffionen (12C6+) in der Krebstherapie. Sensationelle Ergebnisse bei bisher etwa 100 Patienten mit besonders schwer zu behandelnden Tumoren gaben den Ausschlag, bis 2005 in der Universitätsklinik Heidelberg eine Einrichtung zur Krebsbehandlung mit Schweren Ionen zu errichten. An der Anlage, die sowohl Protonenstrahlen als auch Schwerionenstrahlen liefern kann, sollen pro Jahr etwa 1000 Patienten mit besonders schwierigen Tumoren behandelt werden. HARRY H. BINDER/ber
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