Der Chefarzt ist auf Dauer teurer
Verbraucherschützer warnen vor Billigangeboten in der privaten Krankenversicherung. Sie kommen den Versicherten oft teuer zu stehen und bergen hohe Risiken für die Unternehmen. Auch aus anderen Gründen müssen Privatpatienten mit steigenden Beiträgen rechnen.
Das Internet ist voll davon: Verlockende Angebote für eine private Krankenvollversicherung (PKV) für weniger als 100 € im Monat. Geld.de etwa listet auf seiner Startseite unter der Rubrik „Topangebote des Monats“ für einen 30 jährigen Angestellten zehn Anbieter auf, deren Beiträge zwischen 68,11 € und 95,32 € liegen. Auf anderen Portalen wie pkv-suche.de finden sich sogar Angebote ab 49 € monatlich.
Doch von solchen Angeboten sollte sich niemand leichtfertig verführen lassen. Oft sind die Billigangebote mit einem hohen Selbstbehalt versehen. Kommt es zum Leistungsfall, müssen die Versicherten zunächst tief in ihre eigene Tasche greifen.
Verbraucherschützer warnen vor PKV-Billigtarifen
Verbraucherschützer warnen: „Häufig werden jungen Leuten Billigtarife angeboten, in denen viele Leistungen gekürzt sind. Hier ist oft Ärger mit dem Versicherer vorprogrammiert.“ Und ganz deutlich: „Wer den Magertarif wählen muss, weil er sich einen Normaltarif nicht leisten kann, sollte lieber die Finger von der PKV lassen.“
Um die Warnung besser einordnen zu können, muss man das Prinzip der Beitragserhebung in der PKV verstehen. Typischerweise werden die Tarife so kalkuliert, dass ein Versicherter möglichst konstante Beiträge bezahlt. In jungen Jahren zahlt er daher mehr ein, als er an Kosten verursacht. Mit zunehmendem Alter dreht sich dieses Verhältnis um.
Beitragserhöhungen im Alter sollen auch dadurch vermieden werden, dass der Versicherte einen Teil seiner Beiträge am Kapitalmarkt anlegt. Diese sogenannten Alterungsrückstellungen kommen dem Versicherten im Alter zugute.
Dass im Alter überhaupt die Beiträge steigen, liegt nach Angaben des PKV-Verbands vor allem am technischen Fortschritt: „Heute werden viele Krankheiten früher erkannt und erfolgreich behandelt. Zudem sind Operationen erst durch neue Erkenntnisse der Anästhesie möglich geworden.“ Weitere Gründe für Beitragserhöhungen sind die steigende Lebenserwartung und höhere Preise für Gesundheitsleistungen.
Zu dieser typischen Tarifkalkulation passen Billigtarife nicht. Dennoch bieten etliche Versicherer sie an. Ihr Argument: Preissensitive Kunden entscheiden sich bewusst für einen Tarif mit geringem Leistungsumfang, um ausschließlich ihre existentiellen Risiken abzusichern. Themen wie ambulante Psychotherapie, Kurleistungen oder umfassender Zahnersatzschutz sind für diese Kunden von geringerer Bedeutung.
Das mag in Einzelfällen richtig sein. Gleichwohl handelt es sich um Lockvogelangebote, denn die Anbieter gehen davon aus, dass die neuen Kunden in wenigen Jahren in einen teuren Tarif wechseln. Entsprechend knapp ist der Billigtarif kalkuliert.
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DKV und Central verabschieden sich von günstigen PKV-Einsteigertarifen
Immer häufiger geht die Rechnung aber nicht auf. Erst Mitte des Jahres verabschiedeten sich DKV und Central von ihren günstigen Einsteigertarifen. Die DKV begründet ihren Rückzug damit, dass die PKV nicht mit Angeboten auf den Markt treten dürfe, die einen geringeren Leistungsumfang haben als die GKV. Central wiederum ist in den vergangenen Jahren vor allem durch ihr Billigsegment gewachsen. Jetzt gesteht sie, dass das Ziel, die Kunden über Einsteigertarife mit der Zeit in höherwertige Tarife zu bekommen, nicht erreicht wurde. Also zog man die Reißleine. Billigtarife können nämlich zum Sprengsatz für die Beiträge aller anderen Versicherten werden. Der Grund ist die sogenannte Nichtzahlerregelung. Seit der Gesundheitsreform 2007 dürfen Versicherer säumigen Kunden nicht mehr kündigen, müssen aber eine Versorgung auf dem Niveau der GKV anbieten.
Das entlastet den Staat, der sonst Sozialhilfe zahlen müsste, untergräbt aber die versicherungsmathematische Kalkulation der privaten Anbieter. Denn die Kosten für die Versorgung der Nichtzahler trägt das Versicherungskollektiv. Nach Angaben des Rating-Hauses Franke und Bornberg ist gerade „bei sehr preissensiblen Kunden ein hohes Nichtzahlrisiko zu beobachten.“
Ärzte treiben PKV-Beiträge in die Höhe
Gleichwohl bekunden andere Anbieter von Einsteigertarifen, wie etwa Allianz, HanseMerkur, HUK-Coburg und LKH, an diesem Segment festhalten zu wollen. So wie das PKV-System derzeit ausgestaltet ist, gibt es weitere Gründe für langfristig steigende Beiträge. Zu nennen ist hier der Medizinbetrieb, also Ärzte, Krankenhäuser, Pharmaindustrie. Das Bestreben der Ärzte und Zahnärzte, über die PKV ihre Einkommen zu verbessern, führt aber auf Dauer zu höheren Beiträgen. Die anstehende Reform der Gebührenordnung für Ärzte könnte jetzt zumindest einen kleinen Beitrag zur Stabilisierung der PKV leisten.
Probleme könnten die Privatversicherer auch am Kapitalmarkt bekommen. Weil in großen Industriestaaten, wie den USA, Großbritannien aber auch in der Eurozone, das Zinsniveau künstlich niedrig gehalten wird (Stichworte: Niedrigzinspolitik, Ankauf von Staatsanleihen), fällt es den ersten Versicherern bereits schwer, den von der Finanzaufsicht festgelegten Rechnungszins in der PKV von 3,5 % zu erwirtschaften.
Die Differenz zwischen Rechnungszins und tatsächlicher Rendite verwenden die Versicherer überwiegend dazu, die Beiträge für ältere Versicherte bezahlbar zu halten. Gelingt es einzelnen Versicherer nicht, den Rechnungszins zu bedienen, müssen sie in ein oder zwei Jahren die Beiträge erhöhen.
Die Allianz Kranken plädiert deshalb bereits für eine Absenkung des Rechnungszinses. Dann allerdings müssten die Anbieter sofort die Altersrückstellungen erhöhen, was ebenfalls steigende Beiträge zur Folge hätte.