Augentropfen 21.08.2025, 14:10 Uhr

Adieu Lesebrille? Neue Tropfen verbessern die Nahsicht

Neue Augentropfen mit Aceclidin könnten die Lesebrille ersetzen. Wie sie wirken und welche Alternativen es gibt.

Statt Brille bald Tropfen nehmen? 
Foto: smarterpix/sinenkiy

Statt Brille bald Tropfen nehmen?

Foto: smarterpix/sinenkiy

Ab Mitte 40 kennen viele das Problem: Die Zeitung muss weiter weggeschoben werden, Kleingedrucktes verschwimmt, und die Lesebrille wird zur täglichen Begleiterin. Diese Altersweitsichtigkeit, medizinisch Presbyopie genannt, betrifft fast alle Menschen. Nun verspricht ein neuer Ansatz Abhilfe – ganz ohne Brille, dafür mit Augentropfen.

Aceclidin: Tropfen gegen Altersweitsichtigkeit

In den USA wurde 2025 erstmals ein Arzneimittel auf Basis von Aceclidin zugelassen. Es trägt den Namen „Vizz“ und soll die Nahsicht für mehrere Stunden verbessern. Entwickelt wurde es von Lenz Therapeutics. „Die FDA-Zulassung von Vizz ist ein Meilenstein für Lenz und stellt eine bahnbrechende Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten für die 128 Millionen Erwachsenen in den USA mit verschwommener Nahsicht dar“, sagte Unternehmenschef Eef Schimmelpennink in einer Mitteilung.

Aceclidin wirkt direkt an der Pupille. Der Wirkstoff verengt diese leicht, bis auf weniger als 2 Millimeter. Dadurch entsteht der sogenannte Pinhole-Effekt: Das Auge fokussiert besser auf kurze Distanzen, ähnlich wie eine Kamera mit kleiner Blendenöffnung. Anders als bei vielen bisherigen Ansätzen reizt Aceclidin kaum den Ziliarmuskel, der normalerweise für die Fokussierung zuständig ist. Das bedeutet: Die Nahsicht wird besser, ohne dass die Fernsicht darunter leidet.

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Anwendung und Wirkung

Das Mittel wird einmal täglich angewendet. Laut Hersteller reicht ein Tropfen pro Auge, zwei Minuten später folgt ein zweiter. Die Wirkung tritt nach rund 30 Minuten ein und hält bis zu 10 Stunden. Für Menschen, die tagsüber viel lesen, schreiben oder am Computer arbeiten, könnte das die Lesebrille zeitweise ersetzen.

Die klinischen Studien Clarity 1 bis 3 untersuchten sowohl die kurzfristige als auch die langfristige Sicherheit. Getestet wurden die Tropfen zunächst über 42 Tage an 466 Teilnehmenden. Anschließend prüften Forschende die Langzeitanwendung über sechs Monate bei weiteren 217 Personen. Das Ergebnis: Die Nahsicht verbesserte sich deutlich, die meisten kamen über viele Stunden ohne Lesebrille aus.

Nebenwirkungen wurden ebenfalls dokumentiert. Dazu zählten Reizungen am Auge (20 %), leichte Sehschwäche (16 %) und Kopfschmerzen (13 %). Schwerwiegende Komplikationen wurden in den Studien nicht festgestellt.

Warum wird die Pupille kleiner?

Die Pupille reguliert, wie viel Licht ins Auge gelangt. Bei großer Öffnung fällt viel Licht ein, was in der Nähe zu Unschärfen führt. Eine kleine Pupille dagegen lässt nur einen schmaleren Lichtstrahl passieren – und steigert dadurch die Schärfentiefe. Dieses Prinzip kennt man auch aus der Fotografie.

Aceclidin greift hier gezielt an. Es wirkt als sogenannter Muscarin-Rezeptor-Agonist. Das bedeutet: Der Wirkstoff stimuliert bestimmte Rezeptoren im Auge, die die Pupillenmuskeln steuern. Die Pupille zieht sich zusammen, das Sehen in der Nähe wird klarer.

Unterschiede zu Brille und Kontaktlinsen

Eine Brille korrigiert die optische Brechkraft und ist sofort wirksam. Tropfen setzen dagegen am natürlichen Sehapparat an. Das macht die Anwendung flexibel: Wer morgens tropft, kann für den Rest des Tages oft ohne Brille auskommen.

Doch es gibt Einschränkungen. VIZZ ist in den USA ab Ende 2025 erhältlich, in Europa aber noch nicht zugelassen. Wer hierzulande an Altersweitsichtigkeit leidet, muss weiterhin zu Brille oder Kontaktlinsen greifen.

Blick zurück: Pilocarpin als erster zugelassener Wirkstoff (2021)

Aceclidin ist nicht der erste Versuch, Altersweitsichtigkeit mit Tropfen zu behandeln. Bereits 2021 genehmigte die FDA Tropfen mit dem Wirkstoff Pilocarpin. Auch er verengt die Pupille und verbessert so die Nahsicht. Die Wirkung setzte schon nach 15 Minuten ein, hielt aber nur bis zu sechs Stunden.

Ein Nachteil: Im Dunkeln wird das Sehen schwieriger, weil die Pupille nicht mehr weit genug aufgehen kann. Deshalb dürfen Anwender*innen mit Pilocarpin-Tropfen bei schlechten Lichtverhältnissen kein Auto fahren. Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Augenreizungen und verschwommenes Sehen wurden ebenfalls beobachtet. Viele Augenärztinnen und -ärzte sehen die Tropfen daher eher skeptisch.

Atropin: Studien zu Kurzsichtigkeit bei Kindern (2016)

Noch weiter zurück reicht ein anderer Ansatz. Schon 2016 testeten Forschende in Asien den Wirkstoff Atropin – allerdings nicht gegen Altersweitsichtigkeit, sondern gegen zunehmende Kurzsichtigkeit bei Kindern. Atropin stammt aus der Tollkirsche und wird in sehr geringer Dosis medizinisch eingesetzt.

Die Studien zeigten: Niedrig dosierte Atropin-Tropfen konnten das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit wirksamer bremsen als Kontaktlinsen oder mehr Zeit im Freien. In Deutschland wird Atropin seitdem vereinzelt verschrieben, vor allem im Off-Label-Use. Für Erwachsene mit Presbyopie spielt es jedoch keine Rolle.

Hier geht es zur Pressemitteilung von VIZZ.

Ein Beitrag von:

  • Alexandra Ilina

    Alexandra Ilina ist Diplom-Journalistin (TU-Dortmund) und Diplom-Übersetzerin (SHU Smolensk) mit mehr als 20 Jahren Berufserfahrung im Journalismus, in der Kommunikation und im digitalen Content-Management. Sie schreibt über Karriere und Technik.

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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