Welt der Strategien und des täglichen Wahnsinns
Kritik am System Unternehmen.
Ähnlich einem Reiseführer begleitet dieses Buch den Leser wie auf einer wilden Safari. Es ist geschrieben für Menschen, die mehr die offene Prärie als geschlossene Käfige lieben. Es ist zugleich ein Buch für jene, die gerne einmal das gesamte Wissen der Managementtheorie schön übersichtlich in einem Band zusammengefasst haben wollen. Dies leistet das Autorentrio auf ungewöhnlich lustige und dennoch kluge und präzise Art und Weise. Das Wissen der modernen Managementtheorie wird in zehn Kapitel aufgeteilt und zu „Denkschulen“ zusammengefasst. Wie ein Universitätslehrbuch für Erstsemester bietet es damit einen systematischen Überblick zum Stand der Fachdiskussion. Ein kundiges Panoptikum der BWL-Theorie tut sich auf. Da gibt es monumentale Theorien wie Elefanten, spitze Thesen wie Nashörner, zupackende Logiken wie Löwen.
Nun sind Vergleiche der Tierwelt mit dem Wirtschaftsleben weiß Gott nichts Originelles und gerade bei den aktuellen Buch-Titeln werden diese Parallelen arg überstrapaziert – bei Mintzberg jedoch haben diese Analogien so gar nichts umständlich Aufgesetztes. Mit einer unglaublichen Sachkenntnis und einem souveränen Überblick über den Stand der Forschung wie den der aktuellen Debatte werden Querverbindungen gezogen und Thesen sortiert. Mit diesem Trick wird die harte Kost der Theorie anschaulich und leichter verdaulich.
Zuweilen lockern außerdem Cartoons das Safari-Gestrüpp etwas auf. Die eng bedruckte deutsche Ausgabe bleibt freilich eine anstrengende Lektüre für anspruchsvolle Leser mit theoretischen Ambitionen – aber eine lohnende. Es ist eben wie auf einer Safari!
Henry, Bruce Ahlstrand, Joseph Lampel.: Strategy Safari. Ueberreuter Verlag Frankfurt 1999, 454 S., 78 DM.
Was zunächst als eine immer wiederholte Version eines billigen Management-Ratgebers für Machtlustige klingt, ist in Wahrheit ein sehr kluges und ungewöhnlich reichhaltiges Kompendium aus dem Wissen, das Politiker, Philosophen und Schriftsteller aus aller Welt in mehr als 3000 Jahren über die Macht zusammengetragen haben. Seit ewigen Zeiten suchen die Ehrgeizigen nach den Wegen, die auf den Gipfel der Macht führen. Der amerikanische Autor Robert Greene hat ihnen die Streckenkarte zusammengestellt: Seine 48 Gesetze der Macht sind ein Destillat des akkumulierten Wissens aus den Werken glänzender Strategen wie Sun-tzu oder Clausewitz, Staatsmännern wie Bismarck oder Talleyrand, Höflingen wie Castiglione oder Gracian, Verführern wie Casanova oder Ninon de Lenclos und Trickbetrügern wie „Yelow Kid“. Obwohl alles streng bildsam und sachlogisch konzipiert ist, liest sich das Buch wegen seiner vielen Anekdoten und Beispiele außerordentlich unterhaltsam. Rotgedruckte Originaltexte – von asiatischen Parabeln bis zu europäischen Philosophen-Sentenzen – ergänzen das Macchiavellistische Lehrbuch auf eine sinnliche Weise. Greene hat eine ungewöhnliche, eine provozierend kenntnisreiche Enzyklopädie der Macht verfasst. Sie ist in einem sehr klassischen Sinne lehrreich und daher sehr lesenswert.
Robert Greene: Power. Hanser Verlag München 1999, 535 S., 49,80 DM.
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Ein deutsches Stahlröhrenunternehmen betreibt Mobilfunknetze, ein Mineralölkonzern eröffnet Lebensmittelgeschäfte ohne angeschlossene Tankstelle, ein Kaffeeröster verkauft Unterhosen. Immer häufiger überschreiten Unternehmen ihre angestammten Marktgrenzen und drängen in völlig neue Geschäftsfelder vor, um der etablierten Konkurrenz das Fürchten zu lehren. Es entsteht – so die Kernthese dieses Buches – ein Wettbewerb jenseits der Industriegrenzen. Das Ende der klassischen Marktlogiker fordere ein fundamental neues Verständnis der Unternehmensarchitektur. An die Stelle des integrierten, an Produkt und Branche orientierten Modells tritt die flexible, situationsabhängige Verbindung von Ressourcen und Fähigkeiten. Wachstum basiere künftig auf Veränderungsfähigkeit, Risikobereitschaft und einer konsequent wertorientierten Unternehmensführung. Der Autor, Deutschlandleiter der Unternehmensberatung Boston Consulting Group, propagiert eine offensive Strategie „der Erfindung neuer Märkte und Marktchancen“. Als Beispiele analysiert er Branchenquerschnitte (Auto, Gesundheit, Finanzbranche) und Einzelkonzerne wie Veba, Mannesmann, Preussag, Vivendi und General Electric. In jedem Unternehmen steckten ungeahnte Wachstums- und Ertragspotentiale. Das finale Motto heißt also: Schuster bleib bloß nicht bei deinem Leisten.
Dieter Heuskel: Wettbewerb jenseits von Industriegrenzen. Campus Verlag Frankfurt/M. 1999, 192 S., 78 DM.
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Wirtschaftswissenschaft hat normalerweise etwas mit abstrakten Größen wie Angebot und Nachfrage, Märkten und Preisen, Bilanzen und Buchhaltung zu tun. Nicht so bei David Friedman, dem Sohn des legendären Wirtschaftsnobelpreisträgers Milton Friedman. Für David Friedman (er arbeitet als Professor in Kalifornien) unterliegt die ganze Welt einem ökonomischen Code, einem Grundmuster der wirtschaftlichen Logik. Wie einst Gary Becker, der mit seiner „Theorie vom schlimmen Kind“ der Frage nachgegangen ist, wie ein vernünftig denkendes Kind feststellt, wann es in seinem Interesse ist, seine Schwester zu treten und wann nicht, wendet auch Friedman wirtschaftswissenschaftliche Logiken auf unser Alltagsverhalten an. An vielen treffenden und witzigen Beispielen erklärt er einerseits die Logik des Marktes, andererseits, wie weit diese Logik unser Leben bereits beherrscht. Wie finde ich die schnellste Spur im Stau? Wie verhindere ich, dass mir die Angebetete einen Korb gibt? Lohnt sich die Ehe? Friedman betreibt damit seine Wirtschaftswissenschaft also nicht, um das Bruttosozialprodukt vorherzusagen, sondern um menschliches Grundverhalten zu erklären. Das unterhaltsame Buch mischt damit Soziologisches, Psychologisches und Ökonomisches zu einer hochinteressanten Analyse des menschlichen Sozialverhaltens. Friedman schreibt augenzwinkernd und doch mit dem Schalk der Klugheit.
David Friedmann: Der ökonomische Code. Eichborn Verlag Frankfurt/M. 1999, 447 S., 49,80 DM.
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Wie kaum ein Zweiter in Deutschland schafft es Daniel Goeudevert, mit seinen zuweilen queren Gedanken, manchen auf eine gerade Bahn bringen. Er war Vorstandsvorsitzender der deutschen Ford-Werke und Mitglied im VW-Konzernvorstand – ein unbequemer Spitzenmanager mit zuweilen außergewöhnlichen Ansichten. Inzwischen ist er ausgestiegen, arbeitet als Berater und Bestseller-Buchautor. Ähnlich wie im letzten Bestseller („Wie ein Vogel im Aquarium“) übt Goeudevert auch diesmal scharfe Kritik an der autistischen Kultur im Spitzenmanagement. In den Vorstandsetagen der Unternehmen säßen zu viele Technokraten und Kostenkiller. Die menschliche, kulturelle und gesellschaftliche Dimension des Wirtschaftens gerate immer mehr ins Hintertreffen. Goeudevert kritisiert sowohl das Tempo des „Turbokapitalismus“ und seine einseitige Rendite-Denke als auch die Auswüchse einer Politik, die nur nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner statt nach dem großen reformierbaren Projekt sucht. Der Autor fordert einen humaneren Kapitalismus, ein gestärktes Verantwortungsbewusstsein der Manager und die Kultur des Kreativen, Phantasievollen und Visionären. Nur mit Träumen beginne die Realität, behauptet er, und träumt den großen Traum vom friedlich vereinten Europa. Mit seinen zuweilen verblüffenden Perspektiven auf längst in gedankliche Schubladen abgelegte Phänomene bringt Goeudevert Debatten und Phantasien in Bewegung (auch wenn seine Kapitalismus-Kritik oftmals nicht greift). Er ist eben wie einst geblieben – ein Sonderling und Quertreiber, aber ein erfrischender Ideen- und Impulsgeber. CDa
Daniel Goeudevert: Mit Träumen beginnt die Realität. Rowohlt Verlag Berlin 1999, 240 S., 39,80 DM.
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