Medienwächter prüfen Angebote im Firmen-TV
Noch nie war es so einfach, einen Sender zu gründen. Das haben auch die Marketingabteilungen großer Konzerne und Firmen bemerkt, die nun verstärkt ihr eigenes Fernsehen produzieren.
Die Idee ist nicht neu. Bereits um die Jahrtausendwende gab es einige Versuche. Doch die waren zu kostspielig. DaimlerChrysler beispielsweise zahlte jährlich Millionen von Euro allein für die Bereitstellung eines Satellitentransponders, über den das Programm übertragen wurde. Jetzt hat der Automobilkonzern erneut einen Kanal gestartet: mit einer eigenen Website, auf der Downloads zu Themengebieten wie „Motor & Sport“, „Historie & Mythos“ und „Lifestyle“ angeboten werden.
Einige Wochen zuvor startete auch Audi TV. Die Leiterin Liane Scheinert sieht darin ein weiteres „Marketing-Tool“ mit dem Ziel, das Image der Marke deutlich zu machen und zu transportieren: „Wir haben viel zu unserer Marke zu sagen, insofern ist Audi TV ein weiterer Kommunikationskanal.“ Auch hier gibt es audiovisuelle Inhalte zu Auto-, Technik-, Kultur- sowie Lifestylethemen. Und das als Livestreaming oder als Downloadangebot. Die Kosten bewegen sich in einem „unteren einstelligen Mio.-€-Bereich“. Damit sollen 15 min bis 20 min neues Programm pro Woche produziert werden – alles nach „hochwertigen, qualitativen, journalistischen Ansprüchen“. Die Verweildauer der Zuschauer beträgt laut Scheinert im Schnitt zwischen 8 min und 10 min: „Wir erreichen so zurzeit 10 % der 1 Mio. User, die unser Portal monatlich besuchen.“
Ein Klassiker des Unternehmensfernsehens ist Bahn TV. Nach eigenen Angaben erreicht der Sender über digitale Kabelnetze mehr als 11 Mio. Haushalte, für den Onlinebereich werden 1,8 Mio. Page-Impressions angegeben. Davon dürfte auch eine große Anzahl auf das 24-stündige Livestream-Programm entfallen. Im Dezember letzten Jahres wurden jedenfalls 530 000 Videos abgerufen.
Die drei wichtigsten Arten des Firmenfernsehens beschreibt Ingo Wolf: Brand-Kommunikation, interne Kommunikation und Schulungen der Mitarbeiter am Bildschirm. Der Geschäftsführer von Grid TV hat für Kunden wie die Deutsche Bank, Bayer, Siemens oder die Deutsche Post AG Präsenzen dieser Art umgesetzt: „Vor drei Jahren war die Anzahl der Unternehmen, die ein derartiges Firmen-TV betrieben haben, verschwinden gering, mittlerweile hat sich das grundlegend geändert.“
Das wird von Michael Wurzer, Geschäftsführer von verytv, bestätigt. Er beschreibt den Kanal T-Home Inside, den verytv produziert, als „extrem serviceorientiertes Firmen-TV“: „Neben Service und Information für die Kunden von T-Home beinhaltet unser Sender auch Marketing- und Vertriebsfunktionen, um zusätzlich buchbare Inhaltepakete zu verkaufen.“ Seine wichtigste Erfahrung: „Inhalte müssen so aussehen, wie man es vom Fernsehen gewohnt ist, die Nutzerführung ist dabei besonders wichtig.“ Mit einigen aneinandergeschnittenen Videos im Netz sei es nicht mehr getan. Wurzer: „Wir glauben, dass Web-TV zukünftig für viele Unternehmen zur Pflichtveranstaltung wird – in der internen wie der externen Kommunikation.“
Laut Wolf würden bei ihm bereits zahlreiche Anfragen der verschiedensten Markenartikler vorliegen, die in naher Zukunft einen eigenen Kanal planten: „Das ist auch logisch, denn viele Brands sind bekannter als manche Sender.“ So plant Red Bull offenbar über Satellit einen eigenen Sender mit einem breiten Programmangebot. Bei Audi TV dagegen denkt man zwar an Kooperationen mit anderen großen Sendern. Fiktionale Themen oder der Schritt zum Vollprogramm sind kein Thema. „Fernsehen und Internet werden sowieso mehr zusammenwachsen“, glaubt Scheinert, „insofern ist Audi TV eine Vorstufe zu richtigem Fernsehen, wenn unsere Inhalte in naher Zukunft auch auf dem Fernsehbildschirm landen.“
Mittlerweile sind auch die Landesmedienanstalten aufmerksam geworden. Zwar gilt zurzeit der Staatsvertrag für lineare Mediendienste, der Web-TV generell von einer Zulassung befreit, doch haben die Medienwächter bereits Bedenken angemeldet. „Wir müssen die Angebote im Detail prüfen“, erklärt der Sprecher der nordrhein-westfälischen Landesmedienanstalt Peter Widlok. Denn die besseren technischen Kapazitäten im Netz könnten Veranstalter auf den Plan rufen, die klassisches Fernsehprogramm übers Internet machen. Aber wie wären Sender wie Audi TV in diesem Rahmen zu definieren? Das wissen bisher weder die Macher noch die Landesmedienanstalten. Dass Firmen mit ihren Angeboten als Rundfunk eingestuft werden, kann sich Widlok zurzeit allerdings noch nicht vorstellen: „Wir würden als Messlatte für Rundfunk die klassischen Kriterien anlegen: z. B. Aktualität, ein lineares Programmschema, das sich an die Allgemeinheit richtet, oder die Ausübung von Meinungsmacht.“ W. URBE
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