IPTV via DSL-Netz: Der vierte Weg zum Fernsehen
An Wegen zu den Fernsehprogrammen hat der Verbraucher keinen Mangel. Neben Kabel, Satellit und Terrestrik gibt es noch das Internet über die Telefonleitung und Mobile TV. Der in dieser Aufzählung vierte Weg, das sogenannte IPTV, ist von den Nutzerzahlen her das fünfte Rad am Wagen: Jeder Anbieter kocht noch sein eigenes Süppchen. VDI nachrichten, Düsseldorf, 27. 2. 09, jdb
Für Fernsehen und Video über schnelle DSL-Netze haben sich nach Recherchen von Jürgen Sewczyk, Leiter einer Arbeitsgruppe der Deutschen TV-Plattform, bislang erst 565 000 Haushalte erwärmen können, 500 000 bei der Telekom-Tochter T-Home, 35 000 bei HanseNet und 30 000 bei Arcor. Alle nutzen getrennte Netze und unterschiedliche Endgeräte.
Natürlich hat sich die Arbeitsgruppe auch um eine Definition bemüht. „IPTV ist ein Internet-Fernsehen, das in einem geschlossenen Netz stattfindet, wo der Kunde mit einer garantierten Qualität rechnen kann, so wie er es am Fernseher über Satellit, Terrestrik oder im Kabel gewohnt ist“, erläutert Sewczyk. „Bei WebTV ist das anders, da können Bewegtbildinhalte wie bei YouTube oder den Mediatheken ganz normal über PC und Internetanschluss abgerufen werden, die Qualität ist aber nicht garantiert.“
Jeder Netzbetreiber kann in seinem Netz nach Belieben schalten und walten
Bislang können IPTV-Anbieter in ihren Netzen beliebig schalten und walten, eine Interoperabilität der Settop-Boxen, die neuerdings als „Home Network End Devices“, kurz HNED firmieren, gibt es nicht. Das könnte anders werden, ginge es nach der IPTV-Arbeitsgruppe, die ihre Vorstellungen in einem englischen „White Paper“ (Profiles for IPTV Services and Home Devices) gebündelt hat. Alle Marktteilnehmer haben sich in der Arbeitsgruppe versammelt, Programmveranstalter, IPTV-Provider, Gerätehersteller, Netzausrüster, Chip- und Softwarehersteller, Forschungseinrichtungen, Medienanstalten und Regulierer – nur eben die Konsumenten nicht.
Im Prinzip sind die IPTV-Systeme der drei Anbieter ähnlich aufgebaut. Die Fernsehprogramme der Sender werden am Internet vorbei in gesicherter Qualität über die DSL-Leitung in die Haushalte gestreamt. Ein spezielles IP-fähiges Gigabit/Ethernet-Netzwerk sorgt für entsprechende Bandbreiten, die kurze Telefonleitung bringt sie in die Wohnung, und zwar als VDSL2 mit bis zu 50 Mbit/s, oder als ADSL2+ mit bis zu 16 Mbit/s.
Außerdem gibt es einen schnellen Internetzugang sowie Telefonie, eben ein komplettes Triple-Play-Angebot. Während beim Rundfunk alle Programme gleichzeitig beim Teilnehmer anliegen, sind es bei IPTV maximal zwei, bedingt durch die beschränkte Datenkapazität der DSL-Leitung. Ein Rückkanal wählt das gewünschte Fernsehprogramm in den DSL-Vermittlungsschränken, die als neumodisches Straßenmöbel überall herumstehen.
„Allerdings sind die Lösungen der drei Anbieter nicht interoperabel“, erläutert Peter Willems von der Deutschen Telekom. Das liegt vor allem am Zugangssystem, dem Conditional Access, sowie dem digitalen Rechte-Management (DRM). Während die klassischen Broadcast-Settop-Boxen eine Smartcard zur Freischaltung vor allem der privaten Digitalprogramme verlangen, sind bei IPTV die DRM-Systeme eingebettet, brauchen keine Smartcards, was weniger logistischen Aufwand und – so Willems – „mehr Flexibilität“ bedeutet.
Die Endgeräte werden subventioniert abgegeben, bei Anbieterwechsel gibt es ein neues. Einheitliche Endgeräte hätten da Vorteile für die Endkunden, könnten diese doch leichter den Betreiber wechseln, erläutert Gerhard Schaas, Vorstandsmitglied bei Loewe und Vorsitzender der TV-Plattform. „Aber auch bei Produktion und Vertrieb würde sich das für alle rechnen.“
Einheitliche IPTV-Settop-Box könnte in Zukunft in den Fernseher integriert werden
Perspektivisch wäre es natürlich interessant, die im Heimnetzendgerät steckende IPTV-Technik auch in den Fernseher zu integrieren. Eine interoperable Box hält inzwischen selbst die Telekom für möglich – „aus Kostengründen sollte das aber auf Basisfunktionen beschränkt bleiben, also Rundfunkempfang und den nicht diskriminierenden Zugang zu einem EPG, dem elektronischen Programmführer“, so Willems.
„Video schauen ist die Nummer 1 bei der Nutzung des Internets“, erläutert Andre Prahl von der Mediengruppe RTL. Seine Argumente beeindrucken: Allein in Deutschland gäbe es pro Monat 3 Mrd. Videoabrufe zu je 5 min, und das würde 250 Mio. h entsprechen. Nicht Broadcast oder IPTV, sondern WebTV, eben Video übers Internet und PC. Hier setzt die CE-Industrie an und möchte den Fernseher weiterhin als Nabel der häuslichen Mediennutzung sehen. Fernsehgeräte mit Internetanschluss und Browser sind die Antwort, WebTV und IPTV rücken zusammen, offene Standards machen es möglich.
Schon jetzt haben fast alle neuen Sony-Fernseher mit AppliCast Zugriff auf selbst eingespeicherte Onlineportale für Nachrichten, Lifestyle, Wetter und mehr. Philips ist gerade dabei, Net TV zu launchen, um Internetzugang zu YouTube, TomTom, Ebay, Meteo, Funspot, MyAlbum usw. zu bieten. Und alles soll über die normale Fernbedienung machbar sein: Aus Internetnutzern werden wieder Zuschauer. Auch hier bleiben für die Deutsche TV-Plattform noch Fragen offen. Eine neue Arbeitsgruppe soll sie beantworten. RAINER BÜCKEN
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