Ingenieure als Anchormen der Technik
VDI nachrichten, Ellwangen, 18. 1. 08, cha – Ingenieure der Medientechnik sorgen dafür, dass der schier unersättliche Hunger nach Neuigkeiten in unserer Informationsgesellschaft gestillt wird. Ob auf digitalen Datenträgern, online im Netz oder live im Fernsehen. Das erfordert ein hohes Fachwissen. Deshalb raten Experten zur Spezialisierung.
Klaus Britzelmayr hat ein abwechslungsreiches Berufsleben. Der heute 46-Jährige hat an der Fachhochschule für Druck in Stuttgart die Fachrichtung Medientechnik studiert. Dann arbeitete der Ingenieur im Veranstaltungs- und Messebereich. Sein Arbeitsfeld reichte vom drahtlosen Mikrofon bis hin zum Einleuchten des Rednerpults. Und alles musste auf die Sekunde live funktionieren. Einige Jahre später wechselte er zum Privatfernsehen. Als Cutter stieg er ein, als technischer Leiter aus und machte sich danach selbstständig mit dem Schwerpunkt Veranstaltungstechnik.
Einer seiner damaligen Auftraggeber, die ACS-Medientechnik, übernahm Britzelmayr dann in Festanstellung – für drei Jahre. Dann ging er wieder in die Selbstständigkeit und eröffnete zusammen mit einem Kollegen ein Ingenieurbüro für audiovisuelle Medien. Sie tauften ihre Firma Vorbild.tv. „Wir produzieren Industriefilme und Messevideos“, berichtet er. Britzelmayrs Wechsel vom ausgebildeten Medieningenieur zum Produzenten von Filmen ist gar nicht so ungewöhnlich in der Branche: Die Entwicklung hin zur digitalen Informationsgesellschaft hinterlässt eben unübersehbar ihre Spuren.
Digitale Medien haben die Möglichkeit der Kommunikation, Information und Unterhaltung revolutioniert. Innerhalb kürzester Zeit entwickelten sich neben gedruckten Materialien neue, digitale Medien wie CD-ROMs, Online-Datenbanken, Kommunikationsnetze oder die schier grenzenlosen Möglichkeiten der Kommunikation im Internet. Gedruckte und nicht gedruckte Medien schließen sich dabei aber nicht aus. Im Gegenteil. Häufig ergänzen sie sich. Genauso, wie zuerst das Papier war, gab es zunächst den Ingenieur für Druck. Mit dem Aufkommen der digitalen Medien kamen immer neue Fachrichtungen dazu. Heute heißt die Studienrichtung Ingenieur für Druck- oder Medientechnik und es sind im Laufe der Zeit viele Spezialisierungsrichtungen dazugekommen.
„Zum Glück wird mit der Umstellung auf Bachelor- und Master-Studiengänge der verwirrenden Vielfalt ein Ende gesetzt“, zeigt sich Theo Zintel vom Bundesverband Druck und Medien e.V. in Wiesbaden zufrieden. Denn künftig heißen die Absolventen Bachelor oder Master of Science.
Ein Zusatz sagt dann aus, in welcher Fachrichtung sie sich spezialisiert haben: Multimedia, Ton- und Bildtechnik oder wie gehabt Druck- und Medientechnik. Die Vielfalt der Möglichkeiten, die es in der Medientechnik gibt, veranlasst Britzelmayr auch zu folgendem Rat: „Die Studenten sollten sich bereits im Studium auf den Bereich konzentrieren, der ihnen Spaß macht und in dem sie später arbeiten wollen.“
Wer das nicht macht, wisse zwar von allem etwas, aber von nichts etwas Richtiges. Dabei ist genau das Spezialwissen gefragt, weil die hochkomplexen Technologien ausgewiesene Fachleute erfordern. Dass der Berufsweg von Britzelmayr typisch ist, bestätigt auch Zintel: „Es gibt viele Freiberufler in der Branche.“ Warum dem so ist, das erklärt Peter Fiedler.
Fiedler ist einer der Geschäftsführer der ACS Medientechnik GmbH und einer der früheren Arbeitgeber von Britzelmayr. „Wir leben vom Tagesgeschäft und können es uns deshalb nicht leisten, mehrere Ingenieure fest anzustellen.“ ACS mit Sitz in Stetten, nahe dem Stuttgarter Flughafen, betreut Veranstaltungen im laufenden Betrieb. Die drahtlose Sprachübertragung von Reden, Projektion des Redners an die Wand, in andere Räume oder gleich direkt ins Internet, Bühnenbeleuchtung und Beschallung sind Services, die das Unternehmen bietet. Die Hauptversammlung von Porsche, die Betriebsversammlung bei Bosch oder die Bilanzpressekonferenz von Hugo Boss sind Veranstaltungen, bei denen ACS für Bild, Ton und Datenübertragung sorgt. 18 Mitarbeiter hat das Unternehmen, davon ist nur ein fest angestellter Ingenieur und der hatte in seinem Studium digitale Medien den Schwerpunkt Veranstaltungs- und Produktionstechniken gewählt. Daneben beschäftigt ACS zwei freiberufliche Ingenieure. Einer davon ist Britzelmayr. „Das Grundproblem der Branche ist die kaum überschaubare Vielfalt an Möglichkeiten der Ausbildung“, sagt er. Ein Neffe von ihm studiert beispielsweise Medieninformatik. Das ist wieder etwas anderes, hat aber dennoch mit Medientechnik zu tun.
Professor Stephen Lowry, Studiendekan audiovisuelle Medien an der Hochschule der Medien in Stuttgart, meint: „Es gibt weder typische Aufgaben für unsere Absolventen noch typische Arbeitgeber.“ In der aktuellen Absolventenbefragung haben die meisten ¿andere Branche“ auf die Frage angekreuzt, wo sie heute arbeiten. Multimedia- und Werbeagenturen, Rundfunk- und Fernsehstudios sind potenzielle Arbeitgeber wie auch die Automobilindustrie. Hier entwickeln die Absolventen z. B. Sprachsteuerungen oder arbeiten in virtuellen 3D-Entwicklungsumgebungen. Gerade weil die Einsatzmöglichkeiten so vielfältig sind, bezeichnet der Professor den Arbeitsmarkt als gut: „Sehr viele unserer Diplomanden hatten schon während der Diplomarbeit einen Arbeitsplatz oder standen kurz davor, den Arbeitsvertrag zu unterzeichnen.“
Rund 100 Studienanfänger jährlich nehmen ein Studium der audiovisuellen Medien an der Hochschule der Medien in Stuttgart auf. „Dass wir den Absolventen den Titel Bachelor of Engineering verleihen, ist durchaus erst gemeint“, mahnt Lowry. Technik, Informatik und Mathematik sind zentrale Fächer im Studium. Kreativität und Neugier müssen die angehenden Spezialisten für audiovisuelle Medien von sich aus mitbringen. In diesem Semester wurde ein neuer Masterstudiengang „elektrische Medien“ eingeführt mit Schwerpunkten in Mediengestaltung und Medientechnik. Stillstand scheint die Medientechnik nicht zu kennen.
Stuttgart zählt mit audiovisuellen Medien sowie Studiengängen in allen Bereichen der Drucktechnik zu den großen Hochschulen für Medientechnik. Nach Auskunft von Theo Zintel vom Bundesverband Druck und Medien schließen jährlich etwa 250 Studenten ihr Studium der Druck- und Medientechnik in Deutschland ab. „Die Einstiegsgehälter fest angestellter Ingenieure liegen auf dem Niveau anderer Ingenieurdisziplinen“, weiß Zintel. Das sind zwischen 40 000 € und 45 000 € Jahresgehalt. PETER ILG
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