Lande-Navi für Piloten sorgt für leisere Landungen
Die Anwohner großer Flughäfen sind wohl am meisten gespannt, ob das Experiment klappt: Ende September wird ein Airbus immer wieder auf dem Frankfurter Flughafen landen – so leise wie möglich. Die 17 Piloten werden dazu von einem Lande-Navi beraten.
„Verkehrsgünstig gelegen“ ist in Immobilienanzeigen nicht immer positiv – vor allem die allzu gute Anbindung an einen Flughafen kann nervenaufreibend sein, wenn der Wind den Fluglärm direkt ins Ohr weht. Speziell die Landungen sorgen für erhebliche Lärmbelastungen. Doch da lässt sich was machen.
Denn es macht lärmtechnisch einen erheblichen Unterschied, wann und in welchen Höhen Lande- und Störklappen aus- und eingefahren werden. Diese Klappen setzt jeder Pilot sehr individuell ein, um Schub zu erzeugen, zu bremsen, um mal steiler, mal flacher den Flughafen anzusteuern. Erst, wenn die Flugzeuge ihre Stabilisierungshöhe von etwa 1.000 Fuß oder 300 Metern erreicht haben, laufen die Landungen in der Regel nach einem exakten Standard ab.
Standards machen laute Korrektur-Manöver überflüssig
Diese Standards, die optimale und damit leisere Landungen ermöglichen, will das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) jetzt bereits vor der Stabilisierungshöhe etablieren, um unnötige und somit unnötig laute Manöver überflüssig zu machen. Helfen soll dabei das Pilotenassistenzsystem LNAS (Low Noise Augmentation System), das am 28. und 29. September am Frankfurter Flughafen getestet wird – unter Realbedingungen und mitten im Hochbetrieb.
Zum Einsatz kommt das DLR-Forschungsflugzeug Airbus A320 ATRA. Natürlich ist das Lande-Navigationsgerät im Vorfeld bereits ausgiebig und erfolgreich im Simulatorzentrum des DLR in Braunschweig getestet worden. 17 Piloten von vier verschiedenen Fluggesellschaften nahmen an den Simulatorflügen teil.
Intuitiv zu verstehende Grafiken
LNAS führt den Piloten per Display, auf dem intuitiv zu verstehende Grafiken eingeblendet werden, Schritt für Schritt durch ein optimiertes und möglichst leises Landeverfahren. „Der Pilot sieht das ideale vertikale Anflugprofil, das in unterschiedliche Phasen aufgeteilt ist“, erklärt LNAS-Projektleiter Dr.-Ing. Fethi Abdelmoula vom Braunschweiger DLR-Institut für Flugsystemtechnik.
Sowohl das Setzen der Landeklappen, das Erreichen der Zwischenflughöhe und das Ausfahren des Fahrwerks seien jeweils markiert, so dass der Pilot langfristig planen und den Sinkflug von der Reiseflug- bis zur Stabilisierungshöhe möglichst gleichmäßig auf niedrigem Schubniveau und ohne unnötige Schubveränderungen meistern könne. Das führt zu weniger Lärm und ganz nebenbei auch zu einem niedrigeren Energieverbrauch, so der Plan.
Anflugprofil wird in Echtzeit angepasst
Jetzt ist aber nicht jeder Flughafen gleich, und Wind und Wetter spielen ebenso wie das Flugzeuggewicht oder die Vorgaben des Flugverkehrsmanagements eine wichtige Rolle – nicht umsonst ist das Landemanöver eine besonders arbeitsintensive Phase, die eine hohe Konzentration und Reaktionsbereitschaft erfordert. Schema F wäre da mehr als hinderlich.
Deshalb ist LNAS so programmiert, dass von der Idealvorgabe abweichende Handlungen des Piloten ebenso wie sich ändernde Umgebungsbedingungen sofort erfasst und einbezogen werden: Das Assistenzprogramm errechnet direkt ein angepasstes Anflugprofil. Ganz oben auf der Prioritätenliste stehen hierbei das Einhalten der Stabilitätsbedingungen, eine möglichst niedrige Triebwerksdrehzahl und die vollständige Vermeidung des Einsatzes von lärmintensiven Bremsklappen.
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Anwohner unterstützen Projekt zur Lärmreduktion
Unterstützt wird das DLR-Forschungsprojekt vom Umwelt- und Nachbarschaftshaus (UNH) in Kelsterbach mit mehreren hunderttausend Euro. Das UNH ist eine Einrichtung des Landes Hessen, die vor dem Hintergrund der konfliktträchtigen Situation rund um den Frankfurter Flughafen entstanden ist und nach eigener Aussage neutral zwischen den Interessensgruppen vermitteln will.
Dass Lärmreduktion ein zentrales Thema ist, verwundert nicht: Die knapp 16.000 Einwohner zählende Stadt Kelsterbach grenzt direkt an den Frankfurter Flughafen an. Der wiederum ist der wichtigste Luftverkehrsknoten Deutschlands mit entsprechender Flugfrequenz.
Weitere Maßnahmen in der Erprobung
Das LNAS ist nicht die einzige Stellschraube zur Verminderung von Fluglärm, an der in Deutschland gedreht wird. Ebenfalls in Frankfurt wurde zum Beispiel ein System mit der Bezeichnung „RNP to xLS“ getestet, das die Flugzeuge satellitengestützt und möglichst exakt um Siedlungen herum führt, wie das Online-Portal airliners.de schreibt. Ein anderes Verfahren namens „Point Merge“ auf Basis des Reißverschlussprinzips werde zudem noch bis Ende des Jahres in Leipzig/Halle getestet.
Gegenschall reduziert den Lärm der Triebwerke
Aber es gibt auch ganz andere Ansätze, um Fluglärm zu reduzieren. Im Landeanflug kann Lärm auch dadurch reduziert werden, indem die Piloten mit niedrigen Geschwindigkeiten die Landebahn ansteuern. Zudem experimentiert das DLR auch mit Gegenschall, um den Lärm der Triebwerke zu reduzieren.