Logistik 22.11.2002, 18:22 Uhr

Zeebrügge zieht japanische Automobile an

Ab der Dezember-Produktion wird Toyota keine Fahrzeuge mehr in Bremerhaven anlanden. Denn der japanische Autohersteller will seine Logistik-Ströme für das gesamte Europa-Geschäft künftig auf den belgischen Hafen Zeebrügge konzentrieren.

Mit mehr als 120 000 monatlich abgefertigten Fahrzeugen gilt Bremerhaven noch vor Emden und Hamburg als der wichtigste deutsche Verschiffungshafen für Automobile. Doch der Ruhm vergangener Tage beginnt zu bröckeln: Nach einer fast 30-jährigen Zusammenarbeit und mehr als zweieinhalb Millionen importierter Automobile hat der japanische Fahrzeughersteller Toyota die Einfuhr seiner Produkte via Bremerhaven beendet und als neuen Importhafen die belgische Hafenstadt Zeebrugge auserkoren.
Nähert man sich dem Car-Terminal von Bremerhaven, so gewinnt der Begriff „Blechlawine“ eine völlig neue Bedeutung. Denn dicht an dicht stehen hier Neufahrzeuge jeglicher Größe oder Marke und warten auf ihre Verladung nach Übersee oder auf den Weitertransport ins Binnenland. Dabei ist der Terminal nicht nur Zwischenlagerplatz für die zahllosen Automobile, die jedes Jahr über den norddeutschen Hafen importiert oder exportiert werden, er ist auch Servicecenter. In diesem werden Importfahrzeuge nach einer langen Seereise entwachst und entsprechend den deutschen Zulassungsbestimmungen umgebaut oder an die Wünsche ihrer späteren Besitzer angepasst. Dieses Servicecenter, in dem seit mehr als 40 Jahren noch bis zum Sommer monatlich bis zu 129 000 Fahrzeuge (Stand Juli 2002) abgefertigt wurden, ist einer der wesentlichen Gründe, weshalb sich vor vielen Jahren sowohl deutsche, wie auch ausländische Automobilhersteller für den Verladehafen Bremerhaven entschieden hatten.
„Die BMW Group hat in der Zusammenarbeit mit dem Hafen Bremerhaven seit Jahren gute Erfahrungen gemacht“, erklärt Michael Blabst. zu den mittlerweile 25-jährigen Erfahrungen seines Unternehmens mit dem norddeutschen Verladestandort. „Das Terminal“, so der Leiter des Referats Produktion und Forschung (Technologiekommunikation) bei der BMW AG, „ist gut organisiert und mit den notwendigen Flächen, Einrichtungen, Terminals und EDV-Fähigkeiten ausgestattet, um derzeit mit anderen europäischen Häfen wettbewerbsfähig zu sein.“
Aber nicht nur die örtlichen Gegebenheiten hatten BMW, wie auch seine Mitbewerber, seinerzeit veranlasst, mit jährlich rund 200 000 Kraftfahrzeugen das Hauptkontingent seiner Exporte über Bremerhaven abzuwickeln. Die Entscheidung liegt zwar schon über 25 Jahre zurück, doch waren laut Blabst aus Sicht der BMW Group die Handlingkosten, die Infrastruktur, das heißt die gute Erreichbarkeit mit Bahn und Lkw, die Anzahl und Qualität der anlaufenden Reedereien und damit die Transitzeiten und Frequenzen in die entsprechenden Zielmärkte, die Flächenkapazität und nicht zuletzt die Flexibilität auf Kundenanforderungen wesentliche Einflussfaktoren für die Wahl des deutschen Seehafens.
Auch in Japan überzeugten die logistischen Qualitäten des Car-Terminals in Bremerhaven: „Toyota startete den Import von Fahrzeugen 1974 über Bremerhaven, da man uns dort seinerzeit mit der flexiblen Bereitstellung großer Flächen entgegenkam und so den Wechsel von Antwerpen nach Bremerhaven leicht machte“, erinnert sich
Petra Alefeld-Wehner, an die Gründe, warum sich ihr Unternehmen für den Standort Bremerhaven entschlossen hatte. „Stets stand kundenorientiertes Verhalten im Vordergrund“, betont die Pressesprecherin der Toyota Deutschland GmbH, Köln, und argumentiert weiter: „Es gab immer ein breites Serviceangebot und vor allem qualifizierte Arbeitskräfte vor Ort. Darüber hinaus war mit den Beteiligten eine permanente Weiterentwicklung des Importgeschäfts sowie ein kontinuierlicher Ausbau der Kapazitäten möglich. So konnte Toyota in Spitzenzeiten dort mehr als 10 000 Neufahrzeuge bevorraten.“
Dennoch entschloss sich das japanische Unternehmen, Bremerhaven als Standort für seinen Automobilimport aufzugeben. Als offizieller Grund für diesen einschneidenden Schritt nennt Petra Alefeld-Wehner die Konzentration der Logistik-Ströme für das gesamte europäische Toyota-Geschäft. In einer groß angelegten europäischen Studie seien die bisher 16 Eingangshäfen untersucht und auf etwa ein halbes Dutzend reduziert worden. Bei der Entscheidung sei es nicht um den konkreten Vergleich der Häfen Zeebrügge und Bremerhaven gegangen, sondern um eine effiziente neue Logistik-Struktur für Europa. Dennoch, das Urteil steht für die Unternehmenssprecherin fest: „Ab der Dezember-Produktion wird Toyota keine Fahrzeuge mehr in Bremerhaven anlanden.“
Der Abzug von Toyota betrifft auch die deutsche Kfz-Ausfuhr über den norddeutschen Seehafen. Denn dadurch, dass mit einem Schlag jährlich rund 100 000 Automobile weniger angelandet werden, verschiebt sich auch das Gesamtgefüge – ein Argument, das bislang stets für den Standort sprach, ist bedroht: die kurzen Stand- bzw. Wartezeiten bis zur Verladung. Hier konnte Bremerhaven, nicht zuletzt dank der großen Zahl von Toyota-Automobilen, mit 27 abgefertigten Schiffsladungen pro Woche in aller Regel extrem kurze Standzeiten gewährleisten. Bei diesen Schiffsladungen, die bis zu 6500 Fahrzeuge umfassen können, handelt es sich um ein „Roll-On–Roll-Off“ im ursprünglichen Sinn der Bedeutung. Denn während noch japanische oder amerikanische Importfahrzeuge aus den an schwimmende Parkhäuser erinnernden Schiffen fahren, stehen deutsche Exportfahrzeuge schon im Abfertigungsbereich, um schnellstmöglich verladen zu werden.
Aus dieser Form der „paarigen“ Verkehrsströme hat sich mit jährlich 1400 „Calls“, also ein- und auslaufenden Schiffen, eine sehr hohe Anfahrtsdichte entwickelt. So vergeht kaum ein Tag im Jahr, an dem nicht ein Autotransporter im Hafen liegt. Für die Versender, egal, ob sie BMW, Daimler Chrysler oder Mitsubishi heißen, ist diese Anfahrtsdichte von besonderer Bedeutung:
Gerade im Pkw-Export, bei dem mit
relativ teuren Objekten gearbeitet wird, verkürzt sich die Kapitalbindung enorm, wenn der Hersteller fast jeden Tag die Möglichkeit hat, sein Fahrzeug in Richtung USA oder Japan zu versenden.
Wenn aber demnächst die Transporter von Toyota nicht mehr in Bremerhaven landen, fehlt auch der entsprechende freie Laderaum zum Export deutscher Fahrzeuge nach Übersee, so dass im Endeffekt mit längeren Standzeiten gerechnet werden muss. Wie lange werden die deutschen Exporteure die damit verbundenen Mehrkosten tragen wollen oder können?
Hauptleidtragende der Abwanderung des japanischen Automobilherstellers sind die für den Betrieb des Car-Terminals Bremerhaven zuständigen Logistikunternehmen, die Bremer Lagerhausgesellschaft (BLG) und die E. H. Harms Automobile-Logistik GmbH & Co. Vor allem Harms ist von dem neuen Vertriebsweg Toyotas betroffen, war es doch der Firmengründer Egon H. Harms, der vor 28 Jahren den Automobilkonzern nach Bremerhaven „geholt“ und damit den Grundstein für die Bedeutung des heutigen Car-Terminals gelegt hatte. Sowohl Harms, wie auch die BLG hatten im Laufe der Jahre rund um die Ver- und Entladung von Fahrzeugen einen terminalbezogenen Komplettservice aufgebaut, der von den Pre-Delivery-Inspections, also den Erstüberprüfungen importierter Fahrzeuge über die Endfertigung bis zum Einbau von Sonderausstattungen wie Klimaanlagen, Sonnendächern, Ledersitzen, Spoilern und Ähnlichem reicht. Da diese Dienstleistung mit einem hohen Personalaufwand geleistet werden, ist es unvermeidbar, dass durch den Weggang von Toyota aus Bremerhaven auch Arbeitsplätze wegfallen oder zumindest gefährdet sind.
„Als direkte Folge müssen wir jährlich den Verlust von rund 100 000 Automobilen im Importbereich verkraften“, erklärt Harms-Geschäftsführer Michael Bünning, für den das Toyota-Geschäft rund ein Drittel des Gesamtumsatzes ausmachte. Eine weitere Folge sei, dass rund 80 Mitarbeiter demnächst vor der Entlassung stünden. Es stehe auch zu befürchten, dass der Verlust von Toyota erst der Anfang einer Entwicklung sei und jetzt auch andere Hersteller ähnliche Überlegungen anstellen würden – nicht zuletzt weil der Laderaum von diesen 100 000 Autos auch für den Export verloren gehe. Bünning: „Wir versuchen zwar neue Kunden zu akquirieren und bestehende Verträge aufzustocken, doch handelt es sich dabei weitestgehend noch um Wunschdenken.“ T. HANSEN/Si

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