Supply-Chain-Management kappt die Lieferzeiten im Automobilbau
Deshalb wird nun auch Supply-Chain-Management (SCM), die konsequente Integration von Zuliefererketten, zum strategischen Werkzeug der Branche.
Friedrich Preiss, Partner der Unternehmensberatung Andersen Consulting nahe Frankfurt/M. betont: „Ein Wachstum der Automobilhersteller allein durch mehr Umsätze ist kaum noch möglich.“ Statt dessen beherrschten Preisschlachten, Überkapazitäten und ruinöser Verdrängungswettbewerb den Markt. Die Margen seien dünn und die Potentiale, Kosten weiter zu senken, weitgehend ausgeschöpft.
Impulse ergeben sich für ihn nur durch weitere Fusionen (Skalierungseffekte), transparentes Supply-Chain-Management sowie radikal veränderte Vertriebskonzepte mit kurzen Lieferzeiten.
Das hier ruhende Potential beeindruckt, wie eine Studie des International Car Distribution Programme (ICDP) belegt. Bei einem schlanken, auftragsbezogen arbeitenden Vertriebs- und Produktionssystem könnte die gesamte europäische Automobilindustrie bei einer transparenten und durchgängigen Wertschöpfungskette jährlich rund 7,5 Mrd. DM bis 8 Mrd. DM einsparen.
Zusätzlicher Nebeneffekt: Mehr Zufriedenheit der Käufer. Denn zwischen „Lieferzeit und Kundenzufriedenheit“ sieht Willi Diez, Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft in Geislingen, einen „engen Zusammenhang“. Wer sich als Käufer entschieden hat, will sein Auto schnell.
Das weiß auch die Industrie. Denn zu der Modelloffensive der Hersteller mit einer Fülle an neuen Fahrzeugen in immer kürzerer Folge passen keine lange Wartezeiten. Volumenhersteller wie Volkswagen oder auch die Premium-Marke BMW formulieren denn auch mit lediglich zehn Tagen Lieferzeit höchst ehrgeizige Ziele.
„Solche Vorstellungen sind möglich“, bestätigt Stefan Wolff, Mitglied der Geschäftsleitung vom Zentrum für Logistik und Unternehmensplanung in Berlin. „Selbst bei individueller Ausstattung der Fahrzeuge und in der Premium-Klasse“. Allein die Abschaffung des heutigen Vertriebssystems mit seiner Planwirtschaft durch starre Händler-Quotenzuteilung würde die Lieferzeiten halbieren. Und mit Supply-Chain-Management in einer transparenten Wertschöpfungskette, die auch die Zulieferer mit einbezieht, ist für Stefan Wolff das Zwei-Wochen-Auto „durchaus keine Utopie.“
Doch der Weg dahin ist lang. Denn Supply-Chain-Management ist kein fertiges Produkt, das sich einfach installieren lässt, sondern „eine Strategie zur Differenzierung im Wettbewerb“, betont die Amerikanerin Beth Enslow, eine auf SCM spezialisierte Analystin der Gartner Group. Enslow vergleicht Supply-Chain-Management denn auch mit einer Kettenreaktion, deren Rückkopplung durch alle Unternehmensbereiche läuft. „Bei der systematischen Verzahnung der gesamten internen und externen Wertschöpfungsketten gilt es, Marktbedürfnisse vorherzusehen und Produktion, Logistik und Services optimal aufeinander abzustimmen“.
Trotz möglicher Schwierigkeiten beobachten große Anbieter von SCM-Software, wie etwa Manugistics oder i2, bei den Automobilherstellern wachsendes Interesse an Supply-Chain-Management. Interesse an dem Thema zeigt aber auch die Zulieferindustrie, etwa an dem neuen Softwaresystem für „Multi Resource Management“ (MRM) des Balinger Herstellers Adicom. Das deutsche Systemhaus spricht mit seiner Supply-Chain-Lösung vor allem die Sublieferanten an und deckt in einer integrierten Lösung neben Material-Management, Advanced Planning und Logistik zusätzlich auch die Bereiche Personaleinsatzplanung oder die Auftragsverwaltung ab.
Während Konsumgüterhersteller oder Hightech-Unternehmen wie Produzenten elektronischer Bauteile oder Personal Computer ihre neuen Marktchancen längst in durchgängigen Informations- und Wertschöpfungsketten ausspielen, steht die Autoindustrie hier noch ganz am Anfang. „Bei Supply-Chain-Management hat die Branche den Dornröschen-Kuß noch vor sich“, meint Preiss von Andersen Consulting.
Dennoch gehört SCM in der Automobilindustrie mittlerweile zum Thema auf der Vorstandsetage. Und während Wolff bei amerikanischen Autoherstellern eine größere Offenheit gegenüber SCM erkennt, führen die deutschen Hersteller die Diskussionen über die Auswirkungen auf Vertriebssystem und Zulieferer deutlich mehr konkret. Bei der Absicht der europäischen Autohersteller, Supply-Chain-Management auch umsetzen, fällt Wolff „eine ungewöhnliche Übereinstimmung mit der Höchstgeschwindigkeit der Fahrzeuge auf.“ BERNHARD ROSE
Kurze Lieferzeiten bringen auch Pluspunkte auf überseeischen Märkten: Mittels Supply-Chain-Management in einer transparenten Wertschöpfungskette rückt das Ziel des individuell bestellten „Zwei-Wochen-Autos“ näher.
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