Logistik 27.11.1998, 17:20 Uhr

Netzwerkmanagement wird Kerngeschäft der Hersteller

Erfolgreiches Netzwerkmanagement hilft sowohl Lieferanten als auch ihren Abnehmern die Probleme im internationalen Produktionsverbund zu lösen, wie Dr.-Ing. Frank Straube, Vorsitzender der Geschäftsführung des Zentrums für Logistik und Unternehmensplanung im folgenden aufzeigt.

Die fortschreitende Globalisierung der Märkte und zunehmende Wettbewerbsintensität ist für Systemlieferanten in Europa gleichzeitig Chance und Herausforderung. Denn im Zuge der Produktmodularisierung, verbunden mit veränderten Sourcing-Strategien, kommt es zu weitreichenden Strukturveränderungen zwischen Hersteller und Lieferant, wodurch sich Aufgaben und Kompetenzen vom Hersteller zum Systempartner verlagern.
Untersuchungen der Bundesvereinigung Logistik (BVL), Bremen, gemeinsam mit der TU Berlin (Fachbereich Logistik, Prof. Dr.-Ing. Helmut Baumgarten) zeigen, daß Hersteller System- und Modullieferanten bevorzugen, die ihnen global das Risiko und den Aufwand für Entwicklung, Konstruktion und Montage komplett vorgefertigter Komponenten sowie für Lagerung und Transport abnehmen können.
Die hierfür notwendig gewordenen Restrukturierungsprozesse der Zulieferer sind ähnlich schnell vorangekommen wie die der Hersteller. Heute sind einige starke Systempartner entstanden, hinter denen wiederum Modul- und Komponentenlieferanten rangieren. Ähnlich wie bei den Herstellern zeigt sich auch hier ein deutlicher Konzentrationsprozeß, der durch eine Auslagerung von Wertschöpfungen gekennzeichnet ist. So entsteht ein tiefgestaffeltes Lieferanten-Netzwerk.
Nicht allein Innovationskompetenz und Produktqualität, sondern in hohem Maße auch die Flexibilität und Integrationsfähigkeit der Systemlieferanten in die weltweiten Produktionsnetzwerke der Hersteller gewinnt an Bedeutung. Lieferanten besitzen in vielen Fällen jedoch noch keine ausreichende personelle Kompetenz, um ihren Abnehmern an international verteilten Produktionsstandorten eine geprüfte Anlaufreife zu gewährleisten. Ein vom Zentrum für Logistik und Unternehmensplanung (ZLU), Berlin, entwickeltes Instrument zur Messung und Verbesserung des Anlaufreifegrades quantifiziert bestehende Defizite und initiiert Lösungen über das gesamte Zuliefernetzwerk. Die laufende Produktionsteileversorgung gestaltet sich heute in vielen Fällen schwierig, da auch Systemlieferanten ihre Vorlieferantenstruktur nur unvollständig überblicken. Die Steuerung dieses Netzwerkes ist aber Voraussetzung für eine reibungslose Produktion des Abnehmers. Die Entwicklung von Frühwarnsystemen zur Fehlteilevermeidung wird heute oft durch den Endabnehmer initiiert, obwohl dies eigentlich Aufgabe der Lieferanten selbst wäre. Produktionsstätten vieler Hersteller sind mittlerweile in nahezu allen global wichtigen Märkten zu finden. Laut einer Trenduntersuchung der European Logistics Association (ELA) wird bereits heute 45 % des Beschaffungsvolumens europäischer Unternehmen auf globaler Ebene bezogen. Die Industrie erwartet, daß dieser Anteil mittelfristig bis auf durchschnittlich 55 % steigen wird. Diese Entwicklung zeigt, daß einerseits neue Märkte erschlossen und parallel Kostenstrukturen verbessert werden können, andererseits jedoch die Navigation in einem globalen Entwicklungs-, Produktions- und Lieferantennetzwerk deutlich komplexer wird.
Somit gibt es zwei wesentliche Anforderungen: Global agierende Systemlieferanten müssen zum einen Präsenz an den weltweiten Standorten der Hersteller zeigen, um den Integrationsanforderungen in den Produktionsverbund gerecht werden zu können. Zum anderen bleibt die Notwendigkeit der Innovationsintegration erhalten, da Hersteller Systemlieferanten frühzeitig und auf möglichst hohem Niveau in den Entwicklungsprozeß einbeziehen möchten. Die klassische Rollenverteilung zwischen Hersteller und Lieferant ist damit weitgehend aufgegeben.
Mit „High-Speed“-Logistikkonzepten ergeben sich durch die integrierte Zusammenarbeit Netto-Realisierungseffekte zwischen 20 % und 30 % der Gesamtkosten, die sich auf niedrigeren Entwicklungsaufwand, kürzere „Time-to-Market“, reduzierte Material-, Qualitätssicherungs-, Kapitalbindungs- sowie Transportkosten zurückführen lassen.
Wesentliche Erfolgsdeterminante bei der Entwicklung von Strategien für den langfristigen und wirtschaftlichen Einsatz globaler Produktions- und Logistiknetzwerke ist die Optimierung der Beschaffungs- und Lieferprozeßketten über die Grenzen interner und externer Organisationseinheiten hinweg. Die Logistik stellt hierzu Strategien des Netzwerkmanagements bereit, die global Durchlaufzeiten, Kapitalbindungskosten, Lager-, Handling- und Transportkosten sowie den Lieferservice optimieren. Die Verbesserungspotentiale des Netzwerkmanagements liegen vor allem in der Zuordnung von Teilefamilien zu Standardversorgungsketten, in der Optimierung der einzelnen Netzwerkelemente sowie in der verbesserten Zulieferintegration. Umsetzungserfahrungen belegen, daß durch die transparente Vernetzung der Einzelbausteine zu Gesamtprozessen in einem vom ZLU entwickelten IT-Netzwerknavigator nicht nur deutlich verbesserte kundenrelevante Lieferserviceindizes um mehr als 20 % erreicht, sondern auch Einsparungen allein bei den Logistikkosten zwischen 5 % und 25 % ermöglicht werden.
FRANK STRAUBE/Si

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