Globales Supply Chain Management ist eine Top-Management-Aufgabe
VDI nachrichten, Berlin, 8. 10. 04 -Durch die wachsende Globalisierung gewinnen Logistikfunktionen, die sich mit der Koordination der gesamten Produktionskette befassen, zunehmende Bedeutung. Die Gründe dafür liegen laut Marco Bensch auf der Hand, denn durch erfolgreiches Supply Chain Management (SCM), so der Manager der ZLU – Zentrum für Logistik und Unternehmensplanung GmbH, Berlin, kann im internationalen Wettbewerb eine entscheidende Unique Selling Position erreicht werden.
Das strategische Schwergewicht des Supply Chain Managements (SCM) ist die Schaffung einer Unique Selling Position (USP) gegenüber Wettbewerbern – mit direktem positiven Einfluss sowohl auf den Umsatz als auch auf den Gewinn. Das macht das Thema SCM zu einer klaren Top-Management-Aufgabe, denn gerade in den komplexen Wertschöpfungsketten global agierender Unternehmen liegen bislang ungehobene Potenziale. Hierzu gehören gebundene Bestände (Puffer), suboptimale Transporte sowie nicht standardisierte Prozess- und Informationsflüsse.
In zahlreichen Studien konnte die ZLU erhebliche Einsparpotenziale durch den Einsatz eines erfolgreichen Supply Chain Managements ermitteln. So wurde beispielsweise in einem Unternehmen der Halbleiterindustrie die Reduzierung der Bestandskosten um 15 % sowie für Eiltransporte um mindestens 30 % durch einen entsprechenden Einsatz von SCM nachgewiesen. Doch dabei darf die Komplexität des Supply Chain Managements nicht unterschätzt werden. So ergibt sich beispielsweise ein besonderes Problem bei der Implementierung unterstützender SCM-Systeme aus der hohen Anzahl an Schnittstellen zu den Teilnehmern. Denn diese erfordern in der Regel die Vernetzung heterogener IT-Systeme der verschiedenen entlang der Supply Chain beteiligten Unternehmen.
Üblicherweise gehen Bestrebungen für die ganzheitliche informatorische Vernetzung der Supply Chain von dem dominierenden Unternehmen innerhalb der Kette aus – zumeist von dem Unternehmen direkt am Endverbraucher. Diese Schlüsselstellung innerhalb der Kette ist erfahrungsgemäß erforderlich, um eine standardisierte Vernetzung sämtlicher Teilnehmer innerhalb der Kette voranzutreiben und zu implementieren.
Setzt man voraus, dass eine hinreichende Kollaborationsbereitschaft der SCM-Partner vorhanden ist, so ist dennoch vor der Entscheidung für ein SCM-System dringend eine ausführliche Überprüfung der Kosten und Nutzen einer solchen Einführung erforderlich. Denn eine intensive Entscheidungsvorbereitung reduziert die Risiken bei der Einführung eines SCM-Systems nachhaltig. Hierbei zahlt sich in jedem Fall aus, wenn im Rahmen einer Vorstudie in der Regel zunächst die gewünschten Ziele definiert und die Erreichbarkeit dieser Ziele validiert werden.
Nachdem die technischen, organisatorischen und logistischen Spezifikationen festgelegt sind, die sämtliche, eventuell bereits umgesetzte SCM-Konzepte mit einbeziehen, findet eine Vorauswahl potenzieller Systeme- und/oder Provider statt. Die Auswahl geeigneter IT-Systeme ist schwierig, da viele Softwareunternehmen – beispielsweise i2 und SAP, aber auch spezialisierte Anbieter wie Descartes, G-Log oder Viewlocity – mit sehr unterschiedlichen SCM-Produkten auf diesen Wachstumsmarkt drängen.
Neben der IT-mäßigen Leistungsabbildung ist die organisatorische Ausrichtung des Supply Chain Managements ein entscheidendes Kriterium: So können SCM-Systeme oder dessen Nutzungsrechte gekauft und mit internen Ressourcen betrieben werden. Neben der unterstützenden Funktion des IT-Systems, sind weitere Ressourcen als SCM-Koordinatoren, beispielsweise in Form eines Call-Centers, häufig sinnvoll. Diese Call-Center können je nach Kompetenz, eigenständige Entscheidungen zur Optimierung des Mengenflusses treffen oder Informationen richtig kanalisieren. Mit welcher Kompetenz und ob diese Funktion intern oder von einem spezialisierten IT- oder Logistik-Provider wahrgenommen wird, ist wesentlich für die erfolgreiche Umsetzung der Maßnahme.
Die Erfahrung zeigt, dass global agierende Unternehmen das Management der Supply Chain in den meisten Fällen als Kernkompetenz betrachten und selten komplett aus der Hand geben. Die Kompetenzen der neu zu schaffenden SCM-Organisation, ob in- oder extern, sollte daher in die Kernkompetenzen anderer (interner) Bereiche wie beispielsweise der Produktionsplanung nicht eingreifen. Jedoch benötigt die neue SCM-Organisation – mit dem Ziel wertschaffend tätig zu sein – klar geregelte eigene Entscheidungskompetenzen – nicht zuletzt, um schnell und reibungslos Optimierungen vornehmen zu können, ohne lediglich eine zusätzliche Schnittstelle innerhalb der Organisation zu sein.
In einem dritten Schritt der Vorstudie wird für die Gesamtmaßnahme der Return of Investment (ROI) ermittelt. Diese Berechnung dient dem Management als Entscheidungsvorlage und zeigt, ob und wann die Maßnahme einen positiven Beitrag zum Unternehmensergebnis leisten kann. Bei entsprechend kurzem ROI erfolgt die Ausschreibung (Lastenheft) mit dem Ziel einer System- und/ oder Providerauswahl.
Nach erfolgreicher Vergabeverhandlung wird zur Reduzierung von Projektrisiken in der Regel zunächst ein Pilotsystem aufgesetzt. Ziel ist, die erforderlichen Informationen gleichzeitig allen Partnern zur Verfügung zu stellen. Prädestiniert dafür ist der Einsatz des Internets über Web-Front-Ends mit zuvor definierten Datenaustauschformaten. Ziel der angestrebten vierten Phase ist die auf einer gemeinsamen Datenbasis aufbauende Synchronisation aller Prozesse über die gesamte Supply Chain mit dem Ergebnis, die im Rahmen der ROI-Ermittlung identifizierten Potenziale zu realisieren.MB/Si
Ein Beitrag von: