Fünf Pakete pro Sekunde
VDI nachrichten, Düsseldorf, 21. 12. 07, rb – Faktor 3 gilt für die Menge der Sendungen, die im Dezember durch die Logistikzentren der Deutschen Post World Net laufen. 200 000 Warensendungen und Pakete und damit dreimal so viel wie zu normalen Zeiten bewältigt der DHL-Knoten in Köln vor Weihnachten täglich. Doch trotz der Routine warten schon neue Angebote auf Logistiker und Privatkunden.
Später Montagnachmittag bei DHL in Köln-Eifeltor. Alle paar Minuten hält ein Lkw mit gelber Wechselpritsche vor der Schranke des Logistikzentrums. „Welches Tor?“ ruft der Lastwagenfahrer durch den Regen in die Gegensprechanlage. „215 ist frei“, antwortet Betriebslenker José Almeida knapp noch einem Blick auf den Bildschirm. Das ist Routine, von Hektik keine Spur.
Doch von Routine kann heute keine Rede sein: Die vorweihnachtliche Paketlawine rollt, stündlich werden jetzt über 15 000 Pakete sortiert und verladen. „Bis zu 20 000 pro Stunde schaffen wir in Spitzenzeiten“, sagt Frank Adelhütte, Leiter des DHL-Knotens – im logistikdeutsch Hub genannt – ein bisschen stolz.
Aber normal ist gerade nichts, denn eine der beiden Sortieranlagen ist ausgefallen, weil sich einige Schalen auf dem 2000 m langen Band verhakt haben. „Wir probieren es noch mal“, krächzt eine Technikerstimme aus dem Funkgerät. Die Zeit drängt, denn um 20.15 Uhr ist Verladeschluss an den 40 Lkw-Toren.
Ein paar Meter weiter, in der 19 000 m2 großen, U-förmigen Halle des Kölner DHL-Knotens, rauscht es routiniert. Über den Köpfen fahren Pakete auf hölzernen Kippschalen mit 1,8 m/s zu ihrem Ziel irgendwo in der Halle. Dort kippt das Frachtgut blitzschnell in eine der Rutschen, die auf einem Rollband vor einem Tor enden.
Rasch nehmen die fast 100 Schicht-Mitarbeiter, die zwischen den Rollbehältern kaum auffallen, die Pakete vom Band und legen sie in die Wechselbehälter vor den Toren. Woanders wird noch die „Zufuhr“, so nennen Logistiker die eingegangene Fracht, ausgeladen: „Die kommt von einem Musikinstrumentebauer“, sagt Hub-Leiter Adelhütte und zeigt auf die länglichen Wellkartons mit Gitarren.
Daneben legt eine Mitarbeiterin geduldig weiße Kartons von Paletten auf ein Rollband. Es sind Weihnachtsgeschenke für Geschäftsfreunde, wie die Klebebänder verraten. Elektrokarren ziehen hohe Rollbehälter durch den großen Gang des Hallenschenkels. Und, endlich, kommt Weihnachtsstimmung auf: Ein Oldtimer-Tretauto, ein Mercedes 300 SL, steht neben einer verpackten Elektro-Orgel Kopf. Sperrgut, obwohl der Orgelkarton „slim, light, compact“ verspricht. Bei bis zu 120 cm Länge handelt es sich um ein Standardpaket, darüber transportiert es die Post als Sperrgut.
Ein gelborange leuchtendes Portal weist den Paketen den Weg durch die Sortieranlage. Eine Kamera erfasst von oben den Strichcode und die Postleitzahl auf den vorbeisausenden Paketen, von der kleinen Warensendung bis zu 60 cm hohen Kartons. Ist der Absender ein Großkunde, trägt das Etikett einen Leitcode, der Postleitzahl, Straßenname und Hausnummer enthält.
Auch Privatkunden, die ihr Päckchen- und Paketporto im Internet erwerben und die Adresse eingeben, vereinfachen den Transport durch den direkt mit ausgedruckten Leitcode – und sparen dabei noch einen Euro. Die Anlagensteuerung lotst die Kartons zielsicher durch die Sortieranlagen.
Alle anderen Kartons werden mit Hilfe der Postleitzahl dirigiert. Die ist nicht immer lesbar, zeigt ein Blick bei den Kollegen der Videocodierung am Rande der Halle. Die Adventskränze können nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch hier hochkonzentriert gearbeitet wird. „Was die Anlage nicht erkennt, müssen unsere Mitarbeiter am Bildschirm klären“, sagt Adelhütte.
Sie haben sieben Sekunden, um schlecht handgeschriebene, zerrissene oder zerknitterte Etiketten auf den bereits umlaufenden Paketen zu entziffern und die richtige Postleitzahl einzutippen. Sonst weiß der Vorsorter nicht, wohin das Paket geleitet werden muss. Immerhin, verloren geht auf dem Weg über 3600 Verteilschalter nichts. „Spätestens nach drei Runden wird ein Paket ausgesondert“, erklärt der Hub-Leiter. So ist sichergestellt, dass es nicht ewig durch die Anlage kreist.
Die Hektik nimmt zu, immer mehr Bewegung ist in den beiden Hallenschenkeln, während draußen die Lkw ihre Wechselbehälter aufnehmen.
Ab 20.30 Uhr machen sich heute 70 Lkw mit 130 Behältern auf den Weg zu den 32 anderen DHL-Frachtzentren in Deutschland und weitere in den benachbarten Ländern Belgien, Niederlande, Frankreich, Luxemburg, in Großbritannien und Irland.
Nervosität in der Vorweihnachtszeit? Dazu gibt es keinen Grund. „Die Post gibt es schon seit 500 Jahren“, sagt Frank Adelhütte mit der Miene eines Routiniers. Auch in der Bonner Postzentrale ist von Weihnachtshektik nichts zu spüren. „Wir kennen langjährig die Spitzenzeiten“, sagt Andrej Busch, Bereichsvorstand für das Marketing bei Paket Deutschland. „Momentan fahren wir das Dreifache des Üblichen.“
So gut das 1994 gebaute Logistikzentrum seinen 24-Stunden-Dienst verrichtet: DHL ist ständig auf der Suche, die technischen Hilfsmittel zu verbessern. Bei DHL Exel Supply Chain in Essen arbeitet bereits der erste Roboter, der Pakete ein- und auslädt. „Das schwere Heben und die Drehbewegungen sind belastend für die Mitarbeiter“, sagt Keith Ulrich, Chef des Technologie- und Innovationsmanagements beim DHL Innovation Center in Troisdorf. Treibende Kraft bei vielen neuen Anwendungen sind dabei vor allem Geschäftskunden.
„Wir werden RFID-Chips und Temperatursensoren verknüpfen, um eine gekühlte Versorgungskette zu sichern und bei Bedarf eingreifen zu können“, blickt Ulrich in die Zukunft. Bisher zeichnet bei Medikamententransporten nur ein Temperaturlogger auf, welchen Umweltbedingungen die Ware unterwegs ausgesetzt war. „Den Einsatz passiver RFID-Tags werden wir künftig im Bereich Handel sehen“, kündigt Ulrich an. Die Transportketten würden durch RFID transparent, das Informationsmanagement verbessert.
RFID kann aber auch die Automatisierung in Logistikzentren unterstützen, um etwa Gabelstapler zu steuern oder bei Nacht Lagerbestände zu inventarisieren. „Es gibt schon Versuche, wo ein Roboter als RFID-Reader nachts durch die Regale fährt und eine Bestandsaufnahme macht.“ Doch bei den Privatkunden von DHL Paket wird RFID nicht so schnell Fuß fassen. „Ein gutes Barcode-System reicht für die heutigen Anwendungen aus, zumal die RFID-Tags für Netzwerke noch zu teuer sind“, sagt der DHL-Technikexperte.
In Troisdorf stehen aber auch Innovationen, die Privatkunden besonders interessieren. Das Versuchsstadium hat die Packstation allerdings schon vor Jahren hinter sich gelassen. Hier können Kunden rund um die Uhr Pakete abholen und versenden. Bundesweit gibt es bereits 900. „Ende 2009 werden fast 90 % der Bevölkerung eine der rund 2500 Packstationen innerhalb von zehn Minuten erreichen können“, verspricht Boris Mayer, Abteilungsleiter Privatkundengeschäft. Wenn das Weihnachtspaket in der Packstation liegt, bekommt der Kunde eine SMS oder E-Mail. Hart arbeitende Menschen können es dann auf dem Heimweg aus der Box holen. Der Plausch in der Schlange vor der Postfiliale fällt dann aus. FRIEDHELM WEIDELICH
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