Coole Luftfracht ohne Trockeneis
Setzten Pharmazie und Chemie beim weltweiten Transport von temperaturempfindlichem Gut bislang auf Kühlaggregate oder Trockeneis-Systeme, so hält die „Friobox“ jetzt ihre Produkte ohne teuren Zusatzaufwand auf dem Interkontinentalflug frisch.
Aktive Kühlsysteme wie Aggregate mit externer Energieversorgung sind einerseits teuer in der Anschaffung und erfordern andererseits einen großen Aufwand, um bei jedem Umladen einen Stromanschluss verfügbar zu machen. Unter dem Strich schlagen so hohe Kosten zu Buche. Die passive Alternative bestand bislang im Einsatz von Trockeneis, doch die Verwendung des verfestigten Kohlendioxids wird besonders in der Luftfracht zunehmend kritisch gesehen. Das CO2 sublimiert, geht also direkt aus dem festen in den gasförmigen Zustand über, weshalb entsprechend ausgerüstete Verpackungen grundsätzlich als Gefahrgut eingestuft werden. Längere Einwirkung auf die Haut verursacht zudem schwere Verbrennungserscheinungen, weshalb Vorsichtsmaßnahmen beim Handling in Form von Schutzbrille und Handschuhen notwendig sind. Deshalb sind beim Gebrauch von „Hartgas“ Melde- und Sicherheitsgebühren obligatorisch. Der Expressdienstleister United Parcel Service (UPS) lehnt Gebinde, die Trockeneis enthalten, aus Haftungsgründen sogar generell ab.
Eine wegweisende Alternative hat das spanische Unternehmen Friobox Express, Barcelona, mit seinem gleichnamigen Produkt entwickelt. Zu den ersten Nutzern überhaupt gehört die Farbenfabrik Karl Wörwag GmbH & Co. KG, Stuttgart, für die das Logistikunternehmen BAX Global Pulverlacke per Luftfracht vom „Ländle“ nach China befördert. „Unser Produkt ist hitzeempfindlich, oberhalb von 20 °C klumpt der Lack und wird dadurch unbrauchbar“, begründet Uwe Reuß den Einsatz der neuen Verpackung. Mit der Friopalette will der Wörwag-Versandleiter künftig auch kältesensible Hydrolacke durch Deutschland fahren. Sein Argument: „Für 100 kg lohnt sich kein Thermo-Lkw, wir werden in diesem Fall die Kühlelemente mit heißem Wasser füllen, damit die Temperatur nie unter 15 °C sinken kann.“
Die „Friobox“-Transportbehälter haben eine würfelähnliche Geometrie und sind für 2 l oder 5 l Inhalt verfügbar. Die Außenverpackung ist ein faltbarer Karton von 4 mm Dicke, in die eine Aluminiumfolie eingelegt wird. Die Wärmedämmung aus sechs vorgeschnittenen Stücken PU-Weichschaum übernimmt gleichzeitig eine Schutzfunktion für den Inhalt, der in eine weitere Alu-Folie eingeschlagen und von den beiden flexiblen Kühlelementen umhüllt wird. Diese Elemente bestehen aus einem stabilen Verbundkunststoff. Als Kältemittel dient Wasser (für Temperaturen von plus 2 °C bis 6 °C) bzw. Wasser mit einem geringen Salzzusatz für tiefere Temperaturen (minus 18 °C bis 25 °C). Entsprechend ihrem Temperaturbereich werden die Beutel in einem Kühl- oder Gefrierschrank vorgefrostet. Das System ist von der Materialprüfanstalt für das Bauwesen (MPA), Braunschweig, zertifiziert, das auch die anhaltende Kühlwirkung bestätigt hat.
Friobox garantiert eine absolut sichere Kühlkette für eine Transportdauer von bis zu 96 h. „In diesem Zeitfenster kann selbst unter ungünstigen Umständen jeder Ort der Welt per Flugzeug erreicht werden. Trockeneisverpackungen dürfen als Gefahrgut ausschließlich mit Frachtfliegern transportiert werden, dagegen kann jede Passagiermaschine unser System mitnehmen“, erklärt Dr. Ghassan Sowan, einer der beiden Gründer und Vorstände von Friobox Express. Das Unternehmen hat die Vertriebsrechte für die Verpackung exklusiv zunächst für Europa an BAX Global übertragen, über eine Ausdehnung auch auf Amerika und Asien wird verhandelt. Der Logistikdienstleister, dessen Hauptsitz in Europa Hamburg ist, verfügt über ein weltweites Netzwerk und besitzt besondere Kompetenz in der Expressluftfracht. „Wir stellen unseren Kunden die Verpackung als komplettes, volumenreduziertes Set zu, wobei den Schaumstoffteilen die Luft entzogen ist. Natürlich versprechen wir uns von dieser intelligenten Lösung auch ein zusätzliches Transportgeschäft“, sagt Jan Dietrich Hempel, Marketing-Leiter bei BAX für Zentraleuropa.
BAX Global hat bereits mehr als 100 000 Friobox-Verpackungen in Umlauf gebracht. Inzwischen stehen auch Behälter in der Größe einer halben oder ganzen Europalette mit 200 l bzw. 400 l Packvolumen (Friobox Pallet) zur Verfügung. „Die Nachfrage in diesem Bereich ist enorm, mit den neuen Abmessungen erschließen wir zusätzliche Märkte“, freut sich Hempel. Dazu trägt auch bei, dass im Vergleich mit der Trockeneis-Kühlung rund 50 % Gewicht und bis zu nahezu 60 % der Kosten eingespart werden. Der Preis der 2-l-Box beträgt 27 Euro bzw. 41 Euro (Gefriergut), der für die 5-l-Ausführung 29 Euro bzw. 43 Euro. Die Palettenversion kostet 230 Euro bzw. 420 Euro, die Tiefkühlvariante soll noch in diesem Sommer folgen.
Abnehmer mit thermosensitiven Waren existieren bisher vor allem in der Pharmazie- und Chemieindustrie, in der Biotechnik und Medizin (Blutproben, Impfstoffe, Seren), in der Optik und Elektronik. So vertraut beispielsweise das Schweizer Unternehmen Nortrade Pharma AG, Ebmatingen, den Transport hochwertiger Calcium-Präparate von Warschau über Zürich nach Sao Paulo (Brasilien) der Friobox an. Die Kühlkette, das belegen die gemachten Erfahrungen, hält trotz der hohen Außentemperaturen im tropischen Brasilien sogar bis zu sechs Tage. Die Calcium-Verbindungen werden als Rohstoffe für die Arzneimittelproduktion gebraucht. „Unsere polnischen Partner sind so zufrieden, dass sie die Friobox jetzt auch für andere Sendungen einsetzen“, berichtet George Knecht, Inhaber der Nortrade.
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