VDI-Kongress smartAI: So bringt KI echten Mehrwert
„AI – or Bye-bye“: Unter diesem Motto wurde der VDI-Kongress smartAI 2025 eröffnet. Was führende Köpfe jetzt fordern – und warum Ingenieurwissen zum Gamechanger wird.
Der VDI-Kongress smartAI 2025 macht deutlich: Europas Industrie kann mit KI aufholen – durch Ingenieurkompetenz, Datensouveränität und praxisnahe Lösungen.
Foto: VDI Wissensforum
Deutschland steht an einem Wendepunkt. Zwischen technologischem Aufbruch und typisch bürokratischen Zögern entscheidet sich, ob der Industriestandort international mithalten kann.
Rund 180 Expertinnen und Experten diskutierten beim VDI-Kongress smartAI 2025 im Innovation Park Artificial Intelligence (IPAI) in Heilbronn über konkrete KI-Anwendungen, Cloud-Infrastrukturen und realistische Erfolgsfaktoren. Eine Erkenntnis: „Angekündigt wurde genug – jetzt muss geschafft werden!“
Die Kernaussagen des smartAI Kongress 2025
- Deutschland braucht mehr Tempo: KI muss endlich praxisnah umgesetzt werden.
- Ingenieurwissen bleibt entscheidend für erfolgreiche KI-Anwendungen.
- Europa hat trotz Rückstand Chancen, dank Datensouveränität und regulierter Infrastruktur.
- Viele KI-Projekte scheitern nicht an der Technik, sondern an falschen Erwartungen.
- Start-ups zeigen, wie konkrete KI-Lösungen in Industrie und Logistik funktionieren.
- KI verändert Arbeit grundlegend, ersetzt den Menschen aber nicht.
Deutschland braucht Tempo und Mut
VDI-Direktor Adrian Willig erinnerte in seiner Eröffnungsrede daran, dass Wertschöpfung nicht im PowerPoint entsteht, sondern in Werkshallen, Rechenzentren und Entwicklungsabteilungen. Seine Botschaft: Deutschland kann KI, aber nur wenn sie konsequent angewendet und integriert wird.
Doch Digitalisierung und KI hängen hierzulande zu oft in der Warteschlange: Nicole Büttner, Gründerin und CEO von Merantix Momentum, fand deutliche Worte:
„Unsere Bevölkerung altert, der Fachkräftemangel wächst und die Produktivität stagniert in vielen Branchen. Gleichzeitig schreiten andere Länder mit hoher Geschwindigkeit bei der Digitalisierung voran und schaffen Ökosysteme, die Innovation und Mut zum Experimentieren fördern. In Deutschland dagegen verlieren wir oft zu viel Zeit in Diskussionen über Risiken und Regulierungen. Zu langes Zögern kann bedeuten, den Anschluss zu verlieren.“
Büttner betonte, dass KI vor allem als befähigendes Werkzeug verstanden werden müsse und nicht als Bedrohung. Beim Thema kultureller Wandel wurde sie besonders deutlich: Die Technologie sei längst vorhanden, doch nun gehe es darum, ihre Einführung in den Unternehmen voranzutreiben. Diese Phase sei spannend, stellenweise auch unbequem und verlange erhebliches „Human Engineering“, um Mitarbeitende wirklich mitzunehmen.

Ein Smart-Helm mit optischem Assistenzmodul auf der Ausstellung der smartAI 2025.
Foto: VDI Wissensforum
Europa zwischen Rückstand und Aufholpotenzial
Die ersten Keynotes machten deutlich, welche Chancen Europa trotz aller Rückstände im KI-Bereich weiterhin hat. Prof. Dr. Hans Uszkoreit, Wissenschaftlicher Direktor am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), verwies darauf, dass zwar manche Entwicklungen bereits an Europa vorbeigezogen seien, dies aber kein Grund zur Verzweiflung sei. Schließlich ergäben sich täglich neue Möglichkeiten, die es zu nutzen gelte.
Europa mag im Wettbewerb um generative Massenmodelle zwar zurückliegen, doch im Zusammenspiel von Ingenieurwissen, Sicherheit, Regulierung und souveräner Infrastruktur besitzt es erhebliches Potenzial, den Industriestandort langfristig zu stärken und neu zu positionieren.
Ingenieurkompetenz mit KI-Lösungen vernetzen
Entscheidend dafür wird jedoch sein, Ingenieurkompetenz künftig enger mit KI-Lösungen in Entwicklung und Produktion zu vernetzen. Datensicherheit und verlässliche regulatorische Rahmenbedingungen könnten sich dabei sogar zu einem strategischen Vorteil entwickeln.
Robin Hermann (STACKIT) unterstrich in seiner Keynote und im Interview, dass souveräne Infrastrukturen – also Cloud- und KI-Lösungen auf europäischer Rechtsgrundlage – nicht nur ein Compliance-Thema sind, sondern ein strategischer Hebel für wirtschaftliche Unabhängigkeit. Projekte wie der „DataHub Europe“ zeigen, wie Unternehmen KI entwickeln und betreiben können, ohne die Kontrolle über ihre Daten abzugeben.
Den Schwerpunkt des Kongresses bildeten deshalb praxisnahe Anwendungsbeispiele. Expertinnen und Experten stellten KI-Lösungen vor, die bereits heute produktiv im Einsatz sind, während Aussteller Prototypen, Softwaremodule und neue Entwicklungsansätze präsentierten. Die inhaltliche Spannbreite war nicht zu übersehen: Sie reichte von Automotive und Energieversorgung über Produktionstechnik und Robotik bis hin zu innovativen Anwendungen in der Medizintechnik.
Warum KI-Projekte scheitern
Einen klaren Realitätscheck auf dem Kongress lieferte Dr. Sven J. Körner (Aleph Alpha): KI-Projekte scheitern nicht wegen fehlender Technologie, sondern wegen falscher Erwartungen und mangelnder Prozesskenntnis. Körner macht deutlich, dass gute Absichten allein wertlos bleiben, wenn sie keine messbaren Effekte erzeugen. Wie er betont, müsse die reale Wirkung von KI nüchtern bewertet werden, statt sich von wohlklingenden Visionen blenden zu lassen.

Dr. Sven J. Körner bei seiner Keynote Präsentation auf dem smartAI Kongress 2025
Foto: VDI Wissensforum
Besonders kritisch sieht er die weit verbreitete „Magic-Bullet-Mentalität“. Viele Unternehmen glaubten noch immer, generative Modelle würden schon „irgendwie alles“ automatisieren. Doch die Wirklichkeit ist komplexer. Produktionsprozesse bestehen aus eng verzahnten, oft sicherheitskritischen Abläufen, die hohe Präzision und lückenlose Dokumentation verlangen. Körner weist darauf hin, dass KI in solchen Umgebungen nur dann funktionieren kann, wenn Fachleute sie aktiv formen:
„Ohne die kompetenten Ingenieure, die einem KI-System zeigen, was richtig und notwendig ist, bleibt jede Lösung lediglich Stückwerk“, erklärt Körner.
Damit verschiebt sich der Blick weg von generischen, breit angelegten KI-Anwendungen hin zu spezialisierten, prozessnahen Lösungen. Körner plädiert konsequent dafür, ambitionierte Großprojekte herunterzubrechen und sich zunächst dort zu engagieren, wo messbare Ergebnisse liegen.
Gerade in klassischen Industrieprozessen wie FMEA-Analysen, Validierungs-Workflows, Wartungsdokumentation oder Qualitätsmanagement sind enorme Kosten- und Zeitfresser. Hier entstehen laut Körner realistische, wirtschaftlich relevante Potenziale für die KI.
Start-ups als Innovationsmotor
Ein Highlight des Kongresses war die Startup-Stage. Auf dieser wurde deutlich, wie wichtig junge Technologieunternehmen für den Fortschritt in der industriellen KI sind.
Das Preisgeld von 5000 Euro ging an das Team von HEBIO. Das Unternehmen überzeugte die Jury mit einem Robotersystem zum Bewegen von Euro-Paletten, das als Gerätepaar funktioniert. Diese hochmodernen Roboter arbeiten autonom, um Paletten in Lagern anzuheben und zu transportieren.

Dr. Arne Nordmann und Julian Ernst bei der Übergabe des Preisgeldes für den Gewinn der Startup-Stage.
Foto: VDI Wissensforum
Die Startup-Stage diente darüber hinaus als Austauschplattform für Fachleute aus Industrie, Forschung und Tech-Szene. Unternehmen präsentierten ihre Produkte, Softwarelösungen und Prototypen, diskutierten deren Reifegrad sowie Integrationsaufwand und beantworteten detaillierte technische Fragen aus dem Publikum. Für die jungen Firmen bot sich gleichzeitig die Chance, Kontakte zu potenziellen Industriepartnern zu knüpfen und Kooperationen anzubahnen.
Der Mensch bleibt der entscheidende Faktor
Über einen Punkt waren sich alle Expertinnen und Experten einig: KI wird die Arbeitswelt grundlegend verändern, aber den Menschen nicht ersetzen können. Vielmehr verschiebt sie Aufgaben, schafft neue Verantwortlichkeiten und entlastet Fachkräfte, indem sie bei zahlreichen Aufgaben Zeit spart und Routineaufwände reduziert.
Nicole Büttner formulierte diese Perspektive im Interview besonders präzise: „Digitalisierung und KI sollen den Menschen nicht ersetzen, sie sollen ihn befähigen. Sie können Zeit zurückgeben, Prozesse effizienter gestalten und neue Chancen eröffnen“.
Aus Sicht von Robin Hermann stellt sich die Lage ähnlich dar. Er unterstrich, dass selbst in Szenarien mit hoher Automatisierung die Verantwortung letztlich beim Menschen bleibt. KI könne Entscheidungen vorbereiten, Muster erkennen oder Prozesse beschleunigen, aber keine Führungsverantwortung übernehmen und keine unternehmerische Haftung tragen. Gerade in kritischen Bereichen – Personalmanagement, Qualitätssicherung, Sicherheitsfreigaben – brauche es weiterhin den „Human in the Loop“.
Zudem wurde auf dem Kongress deutlich, dass dieser Wandel neue Rollen entstehen lässt: von KI-Trainern über Data Stewards bis hin zum professionellen Prompter.
KI als Schlüsseltechnologie für die Industrie
smartAI 2025 hat eines deutlich gemacht: KI kann zur Schlüsseltechnologie der deutschen Industrie werden – unter der Voraussetzung, dass Ingenieurinnen und Ingenieure sie verantwortungsvoll, nutzerorientiert und mit echtem Praxisfokus einsetzen.
Damit bestätigte der Kongress genau das, was VDI-Direktor Adrian Willig zum Auftakt skizziert hatte: Es soll einen spürbaren Impuls für den KI-Einsatz in der Industrie geben. Konkret, anwendungsnah und mit messbarem Mehrwert für Unternehmen.
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