„Zusy“ weiß, wenn Rentner schummeln
VDI nachrichten, Düsseldorf, 19. 5. 06, ps – Eine kleine Behörde in Brandenburg, die sich bisher vor allem um staatliche Zulagen aus der Riester-Rente kümmerte, wird ab 2007 zur elektronischen Steuerfahndungstruppe in Seniorenhaushalten. Die „Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen“, die im Internet unter dem Kürzel „Zusy“ firmiert, könnte für manchen Rentner zum Albtraum werden.
Vorwärts in die Vergangenheit. Ab 2007 holt viele Rentner eine lästige Pflicht wieder ein: Sie müssen Steuerformulare ausfüllen. Zuvor erreicht sie aber ein Brief vom Bundeszentralamt für Steuern, der eine Steuer-Identifikationsnummer enthält, die sie fortan begleiten wird – bis in den Tod. Denn im Gegenzug dafür, dass die Steuern auf Beiträge zur Altersvorsorge sinken, die man im Berufsleben zahlt, greift der Fiskus fortan verstärkt auf die Alterseinkünfte der 20 Mio. deutschen Rentner zu.
Bereits 2004 waren 2 Mio. der 14 Mio. deutschen Rentnerhaushalte steuerpflichtig, 2005 schon 3,3 Mio.. Und künftig steigt ihre Zahl weiter deutlich. Das ist der Tatsache geschuldet, dass die gesetzliche Rente nicht mehr mit dem Ertragsanteil versteuert wird, sondern für alle, die sich 2005 oder eher aufs Altenteil setzten, pauschal zu 50 %. Inbegriffen sind hier auch vorgezogene Altersrenten, Witwen-, Waisen- und Invalidenrenten. Und der zu versteuernde Teil der Rente steigt ab 2006 jährlich um 2 %. Wer also ab 2020 Rente erhält, hat bereits 80 % seiner Rente zu versteuern.
Hierbei gelten indes auch Freibeträge. Bestands- wie Neurentner können pro Jahr rund 18 600 € Rente steuerfrei einstreichen. Eine Steuererklärung wird ab 2007 aber in jedem Fall notwendig, wenn die Gesamtalterseinkünfte 7664 € bei Alleinstehenden und 15 328 € bei Verheirateten übersteigen.
Obligatorisch ist eine Steuererklärung aber auch einzureichen,
– wenn man zu Pension und Betriebsrente noch Arbeitslohn aus einer aktiven Beschäftigung bezieht,
– wenn zur Rente Kapital- oder Mieteinkünfte oder Lohnersatzleistungen (etwa Krankengeld) von mehr als 410 € monatlich kommen,
– wenn der Gatte oder die Gattin des Rentners noch berufstätig ist,
– wenn man als Angestellter in den Ruhestand wechselt.
Rund 1,3 Mio. Senioren mehr als bisher müssen hier dann neben der gesetzlichen Rente auch Einnahmen aus privaten Rürup-Rentenversicherungen oder berufsständischen Kassen angeben. Werden die Freibeträge überschritten, gilt der übliche individuelle Steuersatz – zwischen 15 % und 42 %.
Wie jeder Steuerbürger können Rentner freilich auch Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen geltend machen. Es entsteht also nicht zwingend eine Steuerschuld. Unter Umständen kann das zu versteuernde Einkommen noch kräftig gedrückt werden.
Zudem erlaubt das Gesetz auch eine Öffnungsklausel speziell für Selbstständige. Haben diese vor dem 1. Januar 2005 an ihre berufsständischen Versorgungswerke mindestens zehn Jahre lang Beiträge gezahlt, die über dem Jahreshöchstbetrag in der gesetzlichen Rentenversicherung lagen, können sie beantragen, dass die auf diesen Beiträgen beruhende Rente lediglich mit dem Ertragsanteil versteuert wird.
Wer aber als Ruheständler glaubt, manche Pfründe oder Nebeneinkünfte stillschweigend am Fiskus vorbei lenken zu können, da man ja nicht mehr im Arbeitsprozess steht, unterschätzt die Findigkeit des Staates.
Denn um möglichst jedes Schlupfloch abzudichten, macht der Bund derzeit eine Fahndertruppe scharf. Sie nennt sich „Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen“, firmiert im Internet unter „Zusy“, sitzt in Brandenburg an der Havel und hatte bisher eher eine freundliche Mission: Sie errechnete die Zulagen, die Sparern für die Riester-Rente zusteht.
Künftig wechselt sie aber ins Fach „Verdeckte Ermittlung“. Denn Zusy recherchiert fortan über Hochleistungsrechner penibel, ob deutsche Ruheständler ordnungsgemäß Steuern auf sämtliche Einkünfte abführen.
Dazu wurden 5700 Rententräger gesetzlich verpflichtet, einmal im Jahr alles zu melden, was sie ihren Klienten überweisen. Betroffen sind davon auch die berufsständischen Versorgungswerke von Ingenieuren, Ärzten oder Journalisten, Pensionskassen und -fonds, private Versicherer.
Zusy erfasst und berechnet die Daten und leitet sie an die Finanzämter weiter. Wo jemand zu viel einstrich, werden Rückforderungen erhoben.
Zur Vorsicht zu raten ist vor allem Rentnern, die die grau-grünen Bögen bisher ausgefüllt haben, obwohl sie auch schon in den letzten Jahren steuerpflichtig waren. Reichen sie nun für 2005 eine Steuererklärung ein, aus der sich hohe Kapitalerträge herauslesen lassen, müssen sie darauf gefasst sein, dass das Finanzamt auch die Vorjahre noch einmal gründlich unter die Lupe nimmt.
Ins Visier von Zusy geraten also auch 100 000 Rentner, die wegen hoher Gesamteinkünfte eigentlich schon früher hätten Steuern zahlen müssen, dies aber bewusst oder aus Nachlässigkeit versäumt haben.
Um sie aufzuspüren, stehen den Steuerdetektiven neben dem Datenaustausch mit den Institutionen der Altersvorsorge drei weitere Wege offen. Zum einen die Kontenabfrage, da nunmehr Finanz- und Sozialämter, Bafög-Stellen oder Arbeitsagenturen elektronisch sämtliche Konten und Depots eines Bürgers in Deutschland ermitteln können. Den Kontostand erfahren sie dabei zunächst nicht, bei einem Verdacht dürfen sie ihre Abfrage aber ausdehnen.
Zugleich öffnet sich der Blick ins Ausland, da sich die EU-Staaten in Kürze gegenseitig über Zinserträge ihrer Bürger informieren wollen. Vorerst entziehen sich aber noch Belgien, Luxemburg, Österreich und die Schweiz diesem Datentransfer. Drittens schließlich müssen Kreditinstitute fortan eine zusammenfassende Jahressteuerbescheinigung über alle Kapitalerträge eines Anlegers zusammenzustellen.
HARALD LACHMANN
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