Mobilfunk 25.07.2003, 18:26 Uhr

Vorsicht, Handykamera!

Heimliche Schnappschüsse in Schwimmbädern, die im Internet auftauchen, und Wirtschaftsspionage rufen immer mehr Politiker und Strafrechtsexperten auf den Plan. Gesetzesinitiativen zum besseren Schutz der Intimsphäre sind auf dem Weg. Winzige Kameras und Fotohandys stehen in der Kritik.

Heiße Miezen, Voyeure, Spanner – schauen Sie einfach mal rein“, „Amateur-Erotikfotos“ oder „Das Neuste vom FKK-Strand“ – die Werbung im Internet ist eindeutig. Ahnungslose Surferinnen finden ihre Konterfeis im Netz Schüler konfrontieren ihre Lehrerinnen mit Fotos, die sie heimlich mit ihren Handys aufgenommenen haben – die Fälle häufen sich.
Was als Spaß- und neuer Umsatzbringer hierzulande gerade erst Einzug in den Alltag hält, macht derzeit negative Schlagzeilen: Handy-Spanner nutzen Mobiltelefone mit Kamerafunktion, um unauffällig zu fotografieren und die Bilder danach auf eine der Millionen Porno-Seiten im Web zu stellen.
Hinzu kommen Millionen winziger Digitalkameras, die mittlerweile auf das Format einer Zigarettenschachtel geschrumpft sind. Nur noch daumengroß ist der USB-Stick mit Digitalkamera, den Philips auf der Internationalen Funkausstellung Ende August vorstellt, und der es auf immerhin 1,3 Megapixel Auflösung bringt.
Bernd Jurgeit kennt das Problem: „In Freibädern geht es zurzeit richtig zur Sache“. Der Pressesprecher des Bundesverbands Deutscher Schwimmmeister e.V. will mit einem 5-Punkte-Plan energisch gegen diskreditierende Aufnahmen in Umkleiden vorgehen, die dann auf Erotik-Seiten im Internet veröffentlicht werden. Jurgeit empfiehlt u.a., Eingangsbereiche von Umkleidezonen mit Video zu überwachen und das Fotografieren von Personen ohne deren Einwilligung laut Badeordnung zu verbieten. „Momentan verschicken wir an alle Bäder ein Piktogramm mit Handysymbolik und einem Hinweis auf Fotografierverbot“.
„Untersagt ist die Veröffentlichung von Aufnahmen ohne Einwilligung des Abgelichteten bereits jetzt“, so Rechtsanwältin Alexandra Hölzer aus Berlin. „Bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bzw. eine Geldstrafe sieht das Kunst-Urheber-Gesetz dafür vor“, zitiert Medienrechtsexpertin Hölzer. Nun gleicht die Suche von Leidtragenden nach ihren Fotos im Internet der berühmten Stecknadel im Heuhaufen.
Vor dem Fotografiert werden schützt das bestehende Gesetz nicht. Längst sind drei Gesetzesinitiativen unterwegs, allen voran die Bundesratsinitiative von Corinna Werwigk-Hertneck (FDP), Justizministerin in Baden-Württemberg, zum Schutz der Intimsphäre .
Kern ist der neue § 201 a Strafgesetzbuch. Danach soll mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden, wer die Intimsphäre einer anderen Person dadurch verletzt, dass er sie unbefugt auf einen Bildträger aufnimmt oder eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht. Auch das reine Beobachten soll bestraft werden. „Lückenhaft“ sei bisher der Schutz, so Werwigk-Hertneck. Denn die Veröffentlichung von heimlichen Tonaufnahmen ist im § 201 bereits unter Strafe gestellt. Im September wird es eine Sachverständigen-Anhörung geben.
Bettina Sokol, Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in Nordrhein-Westfalen, plädiert für die Schließung der Gesetzeslücke. Zwar hätte sich bei ihr bislang niemand beschwert. „Die Rechte werden trotzdem verletzt“, so Sokol mit Blick auf das Nichtwissen der Betroffenen.
Dagegen beurteilt Medienrechtsexpertin Hölzer die geplante Ausweitung des § 201 skeptisch. „Anstelle eines Abschreckungsparagrafen, plädiere ich für Sensibilisierung und Aufklärung in Richtung bestehendes Recht auf das eigene Bild.“ Die Gesetzesinitiative leiste keine Eindämmung des Missbrauchs, zumal die Opfer zunächst einen Strafantrag stellen müssen.
Gegen den Missbrauch sind auch Kamerahandy-Hersteller wie Samsung nicht gefeit. Aus Angst vor Wirtschaftsspionage sind im südkoreanischen Handy-Werk Gumi Kamerahandys für Besucher wie Mitarbeiter nur eingeschränkt erlaubt. Auf die Linsen wird ein Sicherheitsaufkleber geklebt. „Man sieht, wenn die Verplombung des Aufklebers beschädigt wurde“, erläutert Pressesprecherin Sandra Kuhlmann.
Zudem geben ab August alle weltweit ausgelieferten Samsung-Fotohandys beim Knipsen ein Warngeräusch von sich, der nicht auf „silent mode“ gestellt werden kann. Samsung-Fotohandys, die bereits auf dem Markt sind, machen lediglich ein leises Schnarrgeräusch. Gut hörbare akustische Signale, das fordern auch Datenschutzbeauftragte in Japan, Südkorea und anderen asiatischen Ländern, wo die Schnappschuss-Handys längst zum Alltag gehören.
„Keine überzeugende Idee“ meint hingegen Sokol. Schon jetzt fühlt sich die Datenschutzbeauftragte durch das viele Handyklingeln gestört.
„Der laute Klickton ist nicht abschaltbar“, sagt Oliver Zelle, Marketingmanager bei Panasonic, und verweist auf die lautlosen Digitalkameras. Sein Tenor: Nicht die neue Handyfunktion schürt das Spannen, sondern das Problem besteht, seit es Fotoapparate gibt. NIKOLA WOHLLAIB/rb

Ein Beitrag von:

  • Nikola Wohllaib

    Freie Journalistin in Berlin. Scherpunktthemen: Telekommunikation, Medien, Medienpolitik.

  • Regine Bönsch

    Regine Bönsch

    Redakteurin VDI nachrichten
    Fachthemen: Telekommunikation, Mobilfunk, Automobilelektronik, autonomes Fahren, E-Mobilität, Smart Home, KI, Datenschutz/IT-Sicherheit, Reportagen

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