Vom Klingelton zum Audio-Download
Mit großen Schritten geht es in Richtung Musik auf dem Handy. Von kleinen Songfetzen über Warteschleifenmusik (Ringbacktones) bis hin zum Mobiltelefon als Jukebox. Kopierschutzsysteme halten damit ebenso Einzug. Gemeinsame Standards für Musik von Downloadbörsen aus dem Internet und für Handys scheinen aber noch in weiter Ferne.
Der Trend ist kaum zu überhören: Mobilfunkunternehmen und Handyhersteller warten mit immer ausgefeilteren Services rund um den mobilen Sound auf. Nach kleinen Songfetzen von 20 s bis 30 s Länge, den Realtones, bringt T-Mobile nun „Soundlogos“. Seit sechs Monaten sind solche „Ringbacktones“, eine Art Warteschleifenmusik, in Asien der Renner. Seit ein paar Tagen kann man auf der Webseite von T-Mobile unter 100 Soundlogos von Universal Music wählen und sie per Kurzwahl oder SMS abonnieren. Wer den Dienst für 1,99 € ordert sowie ab 30. April eine monatliche Abogebühr von 99 Cent bezahlt, bei dem tönen den Anrufern Songs wie „Mission Impossible“, unterbrochen durch das Freizeichen, entgegen. Laut T-Mobile funktioniert das auf jedem Handy, da die Songs nicht heruntergeladen werden.
Auch Vodafone bietet ab Mitte März die „Real-up-Tones“ an und will auf der CeBIT Downloads von Musikvideos in voller Länge über UMTS zeigen. „Ziel ist es, die heutigen MP3-Player zu ersetzen“, sagte Dirk Hemmerden, Leiter Content Services bei Vodafone Deutschland, bei der CeBIT-Preview in Hamburg. Bald seien dafür geeignete Endgeräte auf dem Markt.
Eine Zwischenlösung biete Siemens mit dem „Digital Music Player“, so Christoph Hilber, Geschäftsleiter von Siemens Schweiz. Das britische Mobilfunkunternehmen mmo2 und die deutsche Tochter O2 sollen die Ersten sein, die den neuen MP3-Player samt Dienst „O2 Music Service“ anbieten. Handynutzer können dann nicht nur Probehören, sondern per Infrarotschnittstelle oder USB-Verbindungskabel vom Handy oder PC rund 60 Songs für je 1,45 € bis 2,90 € (in Deutschland für 99 Cent) auf den Player laden. Das soll mit MP3-Files ebenso funktionieren wie mit den 5000 vorbereiteten Songs, die auf den O2-Servern liegen. 20 000 Songs sollen es bis zum Start ab März sein, die dann über das aacPlus-Format lizenzrechtlich geschützt sind.
Dieses neue Format, entwickelt vom Fraunhofer Institut für integrierte Schaltungen (IIS), macht es möglich, dass ein Song von bis zu vier Minuten Länge mit einer Datenmenge von rund 1 Mbyte nur ein Drittel so groß ist wie ein normales MP3-File. Darüber hinaus trägt aacPlus den Code für das Digital Rights Management (DRM), der auf dem Server eingesetzt ist und schließlich auf dem Player das Lied entpackt. Der Kopierschutz beruht auf einer javabasierten Technologie der Baseler SDC Secure Digital Container AG. „Momentan ist es die einzige für Handys optimierte Lösung, mit der sich Musikstücke in ganzer Länge sicher vertreiben lassen“, sagt Michael Bornhäusser, Geschäftsführer der SDC.
„Visual Radio“ heißt hingegen Nokias Radio-Handy-Version, die über die derzeitigen GPRS-Netze laufen soll. Sender wie Kiss FM streamen ihre Hits auf Handys wie das Nokia 7700, das in den kommenden Monaten auf den Markt kommen soll. „Dabei sehen Handynutzer auf dem Display, welcher Song gerade läuft“, sagt Seppo Aaltonen, Director Wireless Technology Marketing bei Nokia. Aus dem laufenden Song wird auf Wunsch per Klick der Klingelton bestellt. Zudem können auf Nokias UMTS-Handy 7600 mit integriertem Musikplayer ganze Songs im AAC-Format oder als MP3-File auf das Handy geladen und gespielt werden. Dies erfordere aber UMTS-Netze.
Um den mobilen Musikmarkt anzukurbeln, braucht es laut Aaltonen mehr Handymodelle, die die Formate unterstützen und genug Speicher haben. „Mobilfunkunternehmen diskutieren die neuen Möglichkeiten für Musikservices momentan intensiv mit den Labeln.“ Dabei dürfe eines nicht vergessen werden, so Bernhard Ribbrock, CEO von Dienste-Enabler Arvato mobile: „Spätestens mit den Realtones wird jeder Mobilfunkcarrier auch zur Downloadplattform.“
Die Musikindustrie wittert jedoch nicht nur bei Downloadbörsen, sondern auch für die mobile Vertriebsschiene Morgenluft. Denn: Das Bezahlen von Kleinstbeträgen läuft reibungslos über die Handyrechnung. Zudem übertrafen im vergangenen Jahr die Einnahmen mit Klingeltönen in Großbritannien bereits die Erlöse der Single-CDs. Jupiter Media schätzt, dass die Musikindustrie 2003 mehr Umsatz mit mit Klingeltönen als mit legalen Musik-Downloads aus dem Web erlöst hat. So habe die Industrie mit Ringtones in Europa und den USA rund 350 Mio. € umgesetzt, während beim digitalen Vertrieb nur 70 Mio. € erlöst wurden. Laut Juniper Research sind weltweit im vergangenen Jahr 1 Mrd. $ mit Klingeltönen umgesetzt worden. Um mehr Licht in das Zahlendunkel zu bringen, wollen das Mobile Entertainment Forum und die Wirtschaftsberater der KPMG im März die „UK Ringtone Top Twenty Charts“ starten. Darüber sollen exakte Marktdaten rund um das „Multimilliardengeschäft“ entstehen. NIKOLA WOHLLAIB
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DRM auf dem Handy
Ähnlich wie in der Musik-Downloadwelt krankt momentan die Handywelt an einem unüberschaubaren System-Wirrwarr an Kopierschutz-Systemen. Um den Markt weiter anzukurbeln, wollen jedoch viele Branchenteilnehmer einen Standard, der es erlaubt, herstellerübergreifend Musikstücke weiterzuschicken. Handyhersteller wie Nokia haben derzeit 24 Handys mit Kopierschutz und speziellen Digital-Rights-Management-Systemen (DRM) im Programm. Momentan wird meist die erste DRM-Version eingesetzt, die die Open Mobile Alliance (OMA), der Branchenverband der Mobilfunkindustrie mit rund 200 Mitgliedern, bereits Ende 2002 verabschiedet hat. Seit Februar wird von den Marktteilnehmern in der OMA die zweite DRM-Version diskutiert. Diese soll mehr Sicherheit für rechtlich geschützte Inhalte wie Musikstücke, Filme oder Spiele bieten und gleichzeitig die Weitergabe erleichtern. Nur so kann die Voraussetzung für Konzepte wie „Superdistribution“ aufgehen, die von vielen Branchenteilnehmern derzeit favorisiert werden. Dabei können Nutzer ihre Lieblingsinhalte an mehrere Freunde weitergeben, die dann wiederum bezahlen. Branchenkenner rechnen jedoch damit, dass die zweite DRM-Version der OMA nicht vor 2005 in den Handys implementiert ist. Und auch das Ziel, einen Standard, der alle Geräte von PC- über MP3-Player bis hin zum Handy einschließt und viele Geschäftsmodelle möglich macht, liegt noch in weiter Ferne.
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