SMS-Ping-Pong ersetzt bei Süchtigen Sex und gute Freunde
Etwa 30 Mrd. SMS werden jedes Jahr über deutsche Mobilfunknetze versendet. Wenn es beim kurzzeitigen SMS-Ping-Pong bleibt, ist das ebenso ungefährlich wie ein Stückchen Schokolade, das den Alltag versüßt. Ist die Konzentration jedoch zunehmend auf den Empfang und das Senden der Kurzmitteilungen fixiert, dann ist der Schritt zum zwanghaften Verhalten nicht weit. „Von Sucht ist dann die Rede, wenn der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, die Aufgaben in seinem Alltag zu erledigen und alles – in dem Fall – dem Senden und Empfangen von Kurznachrichten unterordnet“, erklärt Andreas Herter, Psychotherapeut und Suchtexperte aus Hannover. In seiner praktischen Arbeit mit Patienten wurde er auf das Phänomen „SMS-Sucht“ aufmerksam, mit dem er sich seit mehreren Jahren befasst.
Herters Schätzungen nach sind es rund 380 000 Menschen, die allein in Deutschland SMS-süchtig sind, mit steigender Tendenz. Ob Witze oder Liebesbriefe – die Mobilfunkindustrie ergänzt mit Angeboten fehlende Phantasie bei Handynutzern.
6000 € in zwei Monaten hatte ein jugendlicher Patient „versimst“, bevor seine Eltern die exorbitant hohe Handyrechnung auf den Tisch bekamen, beschreibt Herter einen Fall aus der Praxis. Die Ursachen der Sucht bei dem 17-Jährigen sind wie so oft „Einsamkeit und die Angst sexuell zu versagen“, erklärt Herter.
Netzbetreiber und Diensteanbieter sehen jedoch keine Möglichkeit und selten Notwendigkeit etwas zu tun. „Wir können gar nicht überprüfen, ob ein Kunde süchtig ist oder nicht“, so Stefan Zuber, Pressesprecher von O2. Der Verkehr in den Netzen unterliegt zum Schutz des Verbrauchers den Gesetzen des Datenschutzes, der Zugriff auf die gesendeten Inhalte ist damit auch den Betreibern verwehrt. Helfen könnten die Netzbetreiber nur über Kulanzregelungen bei extrem hohen Rechnungen, um den Betroffenen den Weg in die Normalität erleichtern. dow
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