SIM-Karten machen Karriere
VDI nachrichten, München, 12. 5. 06, rb – Heute ist die SIM-Karte im Handy Schlüssel und Torwächter zugleich. Das Subscriber Identity Module (SIM) authentifiziert und schützt seinen Besitzer. Denn die kleine Chipkarte besteht aus einem Mini-Prozessor und einem Speicher mit geheimen Nummern sowie Algorithmen zur Verschlüsselung von Sprach- und Signaldaten. Doch schon bald soll die Karte eine zweite Karriere starten, dank Speicheraufrüstung per Flash.
Heutige Funktelefone verfügen im Schnitt über Speichergrößen von 64 kByte. Damit lassen sich laut Gieseke & Devrient (G&D), München, gerade einmal 50 bis 100 SMS (Short Message Service) und 250 Telefonnummern speichern. Karten der neuen Generation weisen Speicherkapazitäten von bis zu 400 kByte auf bald schon soll es bis zu 1 GByte sein. Der Bedarf für die massive Kapazitätssteigerung erwächst aus dem Content-Geschäft. Nach Analysen von Strategy Analytics geben Han- dynutzer 2009 weltweit voraussichtlich 90 Mrd. $ für Inhalte jeglicher Art aus: Klingeltöne, Bilder, Musik, Finanz- und Verkehrsinformationen, Spiele, Sportereignisse, Nachrichten und Flirtanbahnung werden aufs Handy geladen und verschickt.
Ein Teil davon soll direkt auf die SIM-Karte. So stellte Kartenlieferant G&D jüngst ein Telefonbuch mit kompletter Anschrift, mehreren E-Mail-Adressen und Telefonnummern vor. Die Basis für die Anwendung ist „GalaxSIM“, eine SIM-Kartenserie mit Speicherkapazitäten im Bereich von 64 MByte bis 512 MByte.
Doch nicht nur die Inhalte selbst verschlingen Speicherplatz. Auch die Strukturen, die notwendig sind, um die Rechte daran zu verwalten und die Abrechnung zu ermöglichen, sollen auf die SIM-Karte. Denn alle wollen verdienen, vom Provider bis zu den Content-Lieferanten, von Disney bis Sex-Hotlines. So sieht Jean-Marc Julia, Europachef von Spansion, Hersteller eines der neuartigen Super-Flash-Speichers (siehe Kasten), in der sicheren Verwahrung und Verwaltung von Zugriffsrechten und Bezahlmodellen, kurz Digital- Rights-Management, die Killer-Anwendung für die SIM-Karten schlechthin.
Mit den neuen SIM-Karten können Verbraucher in Zukunft ihre Profile und Inhalte von einem zum anderen Handy oder auch PC übertragen. Rechnerhersteller Fujitsu Siemens etwa zeigte zur CeBIT eine schickes 1,4 kg schweres Notebook, das für das Surfen via UMTS keine auffällige Steckkarte mehr benötigt. Stattdessen fügt der Anwender an versteckter Stelle seine SIM-Karte ein. Doch das werde längst nicht alles sein, was ein Smartcard-Chip beziehungsweise eine SIM-Karte für PCs und Notebooks in petto hat. Auch in ihrem Haus, verrät Vera Schuh, Pressereferentin bei G&D, beschäftige sich die Abteilung „New Business“ mit solchen Möglichkeiten.
Zudem profitieren nicht nur die Nutzer von den aufgepeppten SIM-Karten. Die bisher eigentlichen Kunden, die Kommunikationsanbieter, können beispielsweise mit Hilfe des SIM-Karten-zugehörigen Web-Servers von G&D, „UniverSIM@ctive“, ihren Dienstportalen ein individuelles Design verleihen. Grafische Symbole, schöner als bisher, sorgen für ein spezifisches Look-and-Feel.
Das ist um so wichtiger, als es hierzulande noch in diesem Jahr rund 60 neue Anbieter geben soll, zusätzlich zu Tchibo, Base, Simyo, Easymobile, Simplytel, Klarmobil und Blau zum Beispiel.
Das „vanilla phone“ beschäftigt auch Jean-Christoph Tisseuil, Chef des Produktmarketings Telco beim G&D-Kokurrenten Sagem-Orga. Er prophezeit: „Künftig wird das Handy praktisch leer sein, außer einem Betriebssystem und einem Konfigurations-Tool nichts enthalten“. Für die Inhalte und Anwendungen sollen Provider und die Anwender sorgen.
Was da möglich ist, zeigte der Anbieter ganz im Zeichen des Mozart-Jahrs mit der „XXL-SIM-Card“ auf der weltgrößten Mobilfunkmesse in Barcelona. „DJ Mozart“ bedient sich einer computeranimierten Figur, die dem Nutzer verschiedene Inhalte anbietet: Klingeltöne, Oberflächen, E-Cards, Spiele, 3-D-Animation und MP3-Songs sowie Informationen zu diversen Mozart-Events in diesem Jahr (www.dj-mozart.com).
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Dennoch ist die neue Rolle des Identitätsmoduls bei weitem nicht so klar definiert, wie die Protagonisten glauben machen wollen. So räumt Spansion-Manager Julia ein, dass durchaus diskutiert werde, ob Anwendungen wie die genannten tatsächlich auf die SIM-Karte gehören. So dürfte es den Handynutzern genügen, komfortabel an die gewünschte Telefonnummern oder Adressen zu kommen, egal ob sie auf einer Server-Partition liegen oder direkt auf dem Handy.
Auch rechtliche Fragen sind noch ungeklärt, etwa ob die Netzbetreiber für eine Payment-Lösung Banklizenzen haben müssen und wie mit den Nutzerdaten verfahren wird. Und wie werden SIM-Card-Anwendungen altern? Immerhin sollen sie mindestens mehrere Handygenerationen überstehen. Gartner-Analyst Joseph Unsworth jedenfalls empfiehlt den Mobilfunkbetreibern, auch die so genannten „high-capacity“-SIM-Karten zu nichts anderem zu nutzen als bisher: für einfachste Anwendungen. Flash-Speicher fänden auch anderweitig Eingang in die Speicherwelt von Handys.
ULRIKE OSTLER
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