Personenprofile per Tastendruck
VDI nachrichten, Berlin, 29. 2. 08, rb – Spezielle Online-Suchmaschinen zapfen namensbezogen soziale Netzwerke, Online-Gemeinschaften, Wikipedia, Nachrichtenseiten oder sogar die Wunschlisten von Amazon.com an, um in Sekundenschnelle die über eine Person im Internet verfügbaren Informationen komprimiert zusammenzustellen. Datenschützer sehen die Entwicklung mit Sorge.
Die Debatte tobt zurzeit in den Foren des sozialen Netzwerks Xing. Im Visier der Community sind spezielle Online-Suchmaschinen zu Personen, wie sie hierzulande im Oktober die Frankfurter Firma Yasni mit ihrem gleich lautenden Internetdienst eingeführt hat. Viele Nutzer der Online-Gemeinschaft, die erste Erfahrungen mit dem Angebot gesammelt haben, sind erstaunt darüber, was die Personensuche alles zutage bringt.
Von „Big Brother“ ist die Rede, da Yasni in seinen Ergebnislisten gleich nach eventuellen Einträgen zu dem Gesuchten in der Netzenzyklopädie Wikipedia die Kategorie „Bücher-Wunschlisten“ von Amazon.com aufführt. Darauf finden sich im Zweifelsfall begehrte Sex-Ratgeber oder Literatur über Krankheiten verzeichnet.
Personensuchmaschinen wie Yasni, 123people.com und my On-ID hierzulande oder Spock.com in den USA zapfen neben dem Marktführer Google unter anderem direkt soziale Netzwerke wie Facebook oder MySpace sowie Nachrichtenartikel und Webseiten von Personen oder Firmen an.
Bei Yasni kommen die Amazon-Wunschlisten dazu, wobei die Daten laut dem Geschäftsführer des dahinter stehenden Unternehmens, Steffen Rühl, direkt bei dem Online-Händler abgefragt werden. „Vielen ist unbewusst, dass die Wunschzettel auf ¿privat¿ eingestellt sein müssen, um nicht erfasst zu werden“, ärgert sich ein Amazon-Kunde. Dazu komme, dass selbst die Listen nicht mehr genutzter Konten bei dem Webversand aufgeführt würden. Amazon selbst verweist auf den Kundenservice, der solche Accounts sofort löschen würde.
Schon gleich nach dem Start stand für Rühl Krach aufgrund der Kooperation mit Amazon ins Haus. Der Musiker Ingo Vogelmann beschwerte sich, dass Yasni selbst Geburtsdatum und Wohnort aus seiner Wunschliste herausgezogen und veröffentlicht habe. Vogelmann forderte die Firma auf, Suchergebnisse zu seinem Namen „umgehend unmöglich zu machen“ oder zumindest die Angaben der beiden besonders umstrittenen persönlichen Daten außen vor zu lassen.
Der Datenschutzbeauftragte von Yasni, Stephan Hansen-Oest, teilte ihm daraufhin mit, dass künftig weder Geburtsdaten noch Wohnortangaben bei der Ausgabe von Amazon-Wunschzetteln veröffentlicht würden. In prinzipieller Hinsicht sei die Anzeige der Informationen genauso wie aller bei Amazon freigegebenen persönlichen Daten aber datenschutzrechtlich zulässig. Ausnahmen bestünden nur, wenn das schutzwürdige Interesse des Betroffenen am Ausschluss der Verarbeitung offensichtlich überwiege.
Die Yasni-Macher werben anders als ihre US-Vorbilder gar damit, die Privatsphäre der Nutzer als „zentralen Bestandteil“ des Dienstes zu sehen und „Transparenz“ zu schaffen. „Jeder ist für die Informationen, die er veröffentlicht, selbst verantwortlich“, sagt Rühl. Das von ihm ins Leben gerufene Portal helfe gar „bei der Pflege des eigenen Rufs“. Bei Yasni werde ein gesondertes Personenprofil erst angelegt, wenn ein registrierter Nutzer eine Auswahl angezeigter Suchergebnisse tatsächlich auf sich beziehe.
Ein Sprecher der für privatwirtschaftliche Internetangebote in Hessen zuständigen Aufsichtsbehörde beim Regierungspräsidium Darmstadt begrüßt prinzipiell die Möglichkeit, „selbst Einfluss auf ein Profil zu nehmen“. Den von Yasni beworbenen Aspekt der „Stärkung“ des informationellen Selbstbestimmungsrecht kann er vor allem darin sehen, dass den Nutzern die von ihnen im Internet hinterlassenen Informationen gesammelt vor Augen geführt würden.
Konkreten Datenschutz praktiziert Yasni inzwischen, indem die IP-Adressen der Besucher des Angebots nicht mehr gespeichert werden und diese anonym bleiben. Dennoch sieht der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert noch „einige Mängel“. Er rät davon ab, ein eigenes Profil bei Diensten wie Yasni anzulegen: „Damit erleichtert man den Auskunfteien nur das Geschäft.“
Generell seien Suchmaschinen im Grunde nicht mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung vereinbar. Dieses schließe ein, „wissen und mitbestimmen zu können, wer über einen Daten verarbeitet“. Theoretisch müssten die Anbieter Nutzer so ständig darüber aufklären, was bei ihnen über sie gespeichert ist. Praktisch sei dies „kaum machbar“. STEFAN KREMPL
Ein Beitrag von: