Software 22.10.1999, 17:23 Uhr

MP3 – Das Musikformat der Zukunft?

MP3 ist ein schleichender Erfolg. Ohne die sonst übliche Unterstützung der Industrie hat dieses Musikformat viele Freunde gefunden. Maßgeblich über das Internet, doch steckt dahinter mehr als nur die illegale Verbreitung von Musik.

Die Sache liest sich phantastisch: Musik per Suchmaschine im Internet suchen, per Mausklick den Download einleiten und kurze Zeit später den Titel von der Festplatte auf den portablen Chipkarten-Player übertragen. Ganz so einfach ist das in der Praxis freilich nicht, denn der Download aus dem Internet ist bei den hiesigen Online-Verhältnissen immer noch recht teuer und zeitaufwendig. Zudem sind die populären Musiker nur auf illegalen Seiten vertreten und die werden nach Gegenmaßnahmen der Musikindustrie immer weniger.
Hinter MP3 verbirgt sich ein Datenreduktionsverfahren mit der genaueren Bezeichnung MPEG 1 Layer 3, das mit verschiedenen Datenraten arbeitet, also unterschiedlich gute Klangqualität bietet. Für klanglich akzeptable Anwendungen kommen nur Datenraten ab 128 kbit/s in Frage. Rauschen, Brummen, Verfärbungen, alles kein Thema, lediglich die volle Räumlichkeit wurde in Hörversuchen zuweilen vermisst. Nahe an der CD also, wenngleich auch die Qualität nicht ganz erreicht wird.
Bei MP3 handelt es sich also um ein Format, das mit geringem Platzbedarf auskommt, im Vergleich zur CD beträgt die Reduktion 1:11. Zur Erinnerung: Die MiniDisc kommt gerademal auf 1:5. Durch die geringe Datenmenge ergeben sich neue Anwendungen und Distributionswege. Möglich ist zum Beispiel die Übertragung über das Internet, wegen der derzeit noch eingeschränkten Bandbreite jedoch nicht in Echtzeit. Durch die bei ISDN mögliche Kanalbündelung ließen sich zwar die für eine gute Echtzeit-MP3-Qualität erforderlichen 128 kbit/s realisieren, doch nützt das dem Internet-Surfer in der Regel wenig. In der Praxis liegt die Datenrate im Durchschnitt nur bei etwa 40 kbit/s, in „Stoßzeiten“ darunter.
Die erzielbare Datenrate hängt heute also nicht vom Zugang ab, sondern von den Engpässen im Netz. Hinzu kommen Engpässe bei den Servern, auf denen die Musik-Files lagern. Für eine 60-Minuten-CD vergehen damit an reiner Downloadzeit schon mal drei Stunden, was derzeit etwa mit 9 DM zu Buche schlägt. Ein weiterer Faktor ist die Zeit für das Suchen und die Vorbereitung. Falls das Endprodukt eine CD sein soll, addieren sich noch eineinhalb Stunden für die Umwandlung ins CD-ähnliche Wave-Format sowie für das CD-Brennen hinzu. Und der Perfektionist erstellt sich dann noch ein Booklet.
Bei den heutigen Onlinekosten lohnt sich der Musikdownload in Deutschland kaum. Interessant sind allerdings MP3-Raritäten, die es im CD-Laden nicht gibt, wie seltene Live-Mitschnitte und vergriffene Titel. Das freilich gegen Bezahlung. Eine Webseite dafür ist zum Beispiel www.goodnoise.com. Finden kann man Raritäten auch bei Musik, die frei von Urheberrechten ist, so enthält die wohl wichtigste MP3-Website www.mp3.com viele Links auf solche Musik, und zwar geordnet nach Richtungen.
Schwieriger ist hingegen das illegale Herunterladen, denn hier muss der Titel zunächst gefunden und dann meist per ftp-Protokoll heruntergeladen werden. Solche illegalen Server wechseln laufend ihre Adresse und sind meist überlastet. Ja bereits das Einloggen gestaltet sich oft zum Geduldsspiel. Es lohnt sich kaum, schon wenn man die Zeit rechnet, die beim Suchen, Warten auf das Einloggen, Warten während des Herunterladens, Umwandelns und CD-Brennens vergeht. Ganz abgesehen von der rechtlichen Seite und den Folgen, die sich mittelfristig für die betrogenen Musiker und die Musikindustrie ergeben.
Eine Sonderstellung nimmt der „Music-On-Demand“- Service ein, den die Telekom in Zusammenarbeit mit der Musikindustrie anbietet (www.audio-on-demand.de). Hier erfolgt der Download nicht über Internet, sondern direkt über die beiden ISDN-Telefon-Kanäle mit 128 kbit/s. Damit also in Echtzeit und – das ist wichtig – nicht abhängig davon, wie stark das Internet gerade ausgelastet ist. Ein echter Vorteil, wenngleich dieser Service in Zukunft noch viel Entwicklungspotential hat. So zum Beispiel mit der schnellen ADSL-Technik, die den Download erheblich verkürzt. Billig ist „Music-On-Demand (MOD)“ allerdings nicht, so kostet der Musikgehalt einer CD etwa so viel wie im Laden. Hinzu kommt das Brennen der CD, in Kürze möglich mit einem in die Abspiel-Software integrierten CD-Brennmodul. Gut ist, dass auch viele Einzeltitel heruntergeladen werden können. Obwohl die Musik auch bei MOD im MP3-Format übertragen wird, lässt sich diese nicht mit üblichen MP3-Playern abspielen, da das verschlüsselte Signal dann gestört wäre.
Durch die neuen SDMI-Vereinbarungen (www.sdmi.org) über die legale Vermarktung im Netz dürfte das Musik-Angebot bald in die Höhe schnellen. Als Vorreiter hat sich MP3 etabliert, und zwar ohne jegliches Dazutun der Musik- und Geräteindustrie. Als Gegenpol möchte Microsoft mit „MS Audio“ einen eigenen Standard etablieren, was über Windows durchaus Chancen hat. In der „legalen“ Fassung hat MP3 dennoch gute Karten.
REINHARD PAPROTKA
Musik zahlreicher Anbieter steht im Internet zum Herunterladen bereit. Doch nicht alle Angebote wahren auch die Urheberrechte der Künstler.

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