Mobile Orientierungshilfe ohne GPS
VDI nachrichten, Berlin, 11. 1. 08, rb – Mit der Anwendung „Qiro“ können sich Nutzer auf ihrem Handy Geldautomaten anzeigen lassen, sich über das aktuelle Kinoprogramm informieren oder ihre Freunde orten und mit ihnen plaudern. Basis ist eine patentierte Ortungstechnologie über WLAN und GSM, die ohne Global Positioning System (GPS) auskommt. Qiro will im Frühjahr kommerziell starten. Noch ist die Ortung und Positionsbestimmung per Handy kaum verbreitet.
April 2008 ist es so weit. Dann will das 12-köpfige Berliner Start-up Qiro die Vollversion seines gleichnamigen, standortbasierten Dienstes, im Fachjargon Location Based Services, herausbringen. Damit können Nutzer vor allem hierzulande in Großstädten den nächsten WLAN-Hotspot finden, ihre Freunde orten und mit ihnen per Instant Messaging plaudern oder aber das nächste Fahrrad über den Service „Call a Bike“ der Deutschen Bahn finden. Der Clou: Auch dynamische Informationen sind abrufbar wie DB-Fahrräder, die ihren Standort ändern, oder Speisekarten, die täglich ihren Inhalt wechseln.
Nutzer müssen sich über die Internetseite einmalig registrieren, ihr Einverständnis zur eigenen Ortung geben und eine etwa 350 kByte große Anwendung auf ihr Handy laden.
Momentan läuft der Dienst rein technisch schon in allen vier deutschen Mobilfunknetzen und auf rund 90 Handy-modellen. Dazu kommen Smartphones, darunter auch Modelle, die mit dem Betriebssystem Windows mobile ausgestattet sind.
Rund 1 Mio. spezifische Adressen, die so genannten Points of Interest (POIs), können sich Nutzer je nach ihren Interessen auf einer Karte anzeigen lassen. Die Anwendung ist für die Nutzer kostenlos, jedoch fallen dabei Datenvolumina an. Wer nicht lokalisiert werden möchte, drückt den Button „Mach dich unsichtbar“.
Darüber hinaus haben die Berliner gerade die Onlineversion gestartet. Sie versprechen im Internet noch mehr Features als in der mobilen Version und einen reibungslosen Austausch von Informationen zwischen mobiler Anwendung und Internetversion. So ist z. B. Plaudern mit Freunden möglich, die unterwegs sind, während der Nutzer an seinem PC sitzt.
„Einzigartig bei unserem mobilen Informationsdienst ist die automatische Lokalisierung ohne GPS“, sagt Entwicklungschef Keith Thorne.
Der britische Experte baut zudem auf eine patentierte Technologie, die an den Deutschen Telekom Laboratories, einem An-Institut der TU Berlin und der Deutschen Telekom, entwickelt wurde und für Europa patentiert ist. „Da sind etliche Mannjahre an Entwicklung reingeflossen.“
Qiro ist die erste Ausgründung aus den Telekom Laboratories. Das Start-up startete 2006 die Weiterentwicklung des Dienstes und erhielt in einer ersten Finanzierungsrunde 700 000 € Risikokapital.
„GPS bestimmt zwar die Position exakter, braucht aber dafür mindestens eine Minute und funktioniert nicht innerhalb von Gebäuden“, erläutert Thorne. „Wir setzen auf Schnelligkeit, 5 s nach der Anfrage bekommen Nutzer die Antwort.“ Bis auf 200 m genau kann in Großstädten z. B. ein Call-a-Bike-Fahrrad geortet werden.
Qiro verwendet für die Positionsbestimmung die Ortung über die Zell-information des GSM-Netzes samt Verfeinerungen. Schon jetzt können Mobilfunkunternehmen jedes Handy orten. Dabei stellt jeder Funkmast in seinem Einzugsgebiet eine Zelle dar, die in Großstädten sehr klein ist, auf dem Land jedoch bis zu 30 km betragen kann.
Das Handy registriert, über welchen Funkmast die Verbindung hergestellt wird. Noch genauer wird die Positionsbestimmung von Sender und Empfänger, wenn zudem die Sende- und Empfangszeit des Signals miteinander verglichen wird. Darüber hinaus kann ein Handy auch von mehreren Antennen gleichzeitig abgeschickte Signale registrieren. Der kleine Zeitunterschied zwischen dem Eintreffen der Signale dient der Positionsbestimmung.
Google Maps hingegen bringt bei seiner Positionsbestimmung GPS und zehnstellige Kennziffern der Mobilfunkmasten zusammen und errechnet daraus den Aufenthaltsort des Nutzers. „Wir sind jedoch genauer als Google Maps“, sagt Thorne selbstbewusst. „Und wir schaffen es, Freunde automatisch zu lokalisieren.“
Dies beruht auf der patentierten Technologie. Sie umfasst einerseits ein „Personal Private Gateway“, das Nutzer direkt mit den Mobilfunkunternehmen verbindet, und gleichzeitig die Schnittstellen zum Kartenmaterial und den Inhalten intelligent verwaltet. Ebenfalls läuft darüber die Positionsbestimmung von Qiro-Nutzern zu anderen Qiro-Anwendern – auch online. Sie können über die Anwendung sehr kostengünstig mit einander plaudern. Verfügen Handys über ein WLAN-Funkmodul, so lassen sie sich auch über die drahtlosen lokalen Netze orten.
„Derzeit arbeiten wir an einem Chat-Modul und ebenfalls an der Einbeziehung von GPS in die Technologie, denn „immer mehr Handys mit GPS kommen in den Markt“, sagt die kürzlich berufene Geschäftsführerin Suk-Hyon Paek. Die Südkoreanerin ist davon überzeugt, dass der Dienst Qiro bei der werbetreibenden Industrie, von Markenartiklern bis hin zu Restaurants, großen Anklang finden wird. „Wir erschließen gerade Einnahmequellen über Kooperationen.“ Im April soll die Vollversion von Qiro abgeschlossen sein, bereits jetzt können sich Nutzer eine Betaversion auf ihre Handys laden. NIKOLA WOHLLAIB
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