Mobilfunk 13.11.1998, 17:20 Uhr

Kuckucksei der Viag Interkom irritiert die Mobilfunk-Konkurrenz

Dank des Mobilfunk-Frischlings Viag Interkom denkt die Branche über nationales Roamen, das Wechseln von Netz zu Netz, nach.

Wer ein Dualband-Handy vom neuen Mobilfunkanbieter Viag Interkom besitzt, kann sich außerhalb des noch lückenhaften Interkom-Netzes in sämtliche Konkurrenznetze einbuchen und ist unter seiner Nummer erreichbar. Je nach Empfangslage zeigt das Handy-Display dann „D1-Telekom“, „D2 privat“ oder „E-plus“ an. Was für den Kunden – abgesehen von Umständlichkeiten in der Handhabung – ideal erscheint, ist für die Interkom-Konkurrenten ein Ärgernis, denn sie müssen ihr Netz ungefragt zur Verfügung stellen.
Bei T-Mobil, Mannesmann Mobilfunk und besonders E-Plus betrachtet man die neue deutsche Kundschaft, die über ein sogenanntes Roaming-Abkommen via Swisscom im eigenen Netz telefoniert, daher ein wenig wie ein Kuckucksei, das ihnen die Konkurrenz aus München ins Nest gelegt hat. Einerseits verdienen sie auch an den Telefongesprächen, die Interkom-Kunden in ihrem Netz führen, andererseits verhelfen sie damit auch einem ernstzunehmenden Mitbewerber aus den Startlöchern. Die Nutzung der Netze durch Interkom-Kunden spüle den Mitbewerbern „Deckungsbeiträge in die Kassen“, glaubt Michael Rebstock, Sprecher der Interkom.
Das freilich ist den drei Konkurrenten nicht unbedingt das Wichtigste. Besonders E-Plus in Düsseldorf sieht die Aktivitäten der Münchener mit unguten Gefühlen, weil diese sich desselben GSM-1800-Standards bedienen, und wandte sich bereits mit einer Beschwerde an die Brüsseler EU-Kommission. Außerdem werde die rechtliche Zulässigkeit des Interkom-Roamings via Schweiz weiterhin geprüft, teilte eine Sprecherin mit. Bei Mannesmann Mobilfunk will man erst einmal abwarten, wie stark das eigene D2-Netz von den Interkom-Kunden genutzt wird. „Wir behalten uns aber Schritte vor“, betonte D2-Sprecher Matthias Andreesen. Technisch hätten E-Plus und Mannesmann Mobilfunk wie auch T-Mobil die Möglichkeit, Interkom-Handies in ihren Netzen zu identifizieren und abzuschalten.
Vor diesem eher unfreundlichen Hintergrund ließen Äußerungen von Wilhelm Simson, Vorstandsvorsitzender der Muttergesellschaft Viag AG, aufhorchen: Es sei inzwischen ein „bindendes Abkommen“ zwischen Viag Interkom und T-Mobil zustandegekommen. Danach habe T-Mobil zugesichert, die Anwesenheit von Interkom-Telefonierern im Funknetz „D1-Telekom“ zu dulden. Darüber hinaus hoffe man, in Verhandlungen mit T-Mobil zu einem direkten nationalen Roaming-Abkommen ohne Umweg über die Schweiz zu kommen. Das hätte für Interkom-Kunden Vorteile bei Handhabung und Kosten, erläuterte Interkom-Sprecher Rebstock.
Derzeit ist die Gesprächsminute tagsüber mit 1,99 DM in den Fremdnetzen sehr teuer. Doch bei der Telekom-Tochter T-Mobil weiß man nichts von einem „bindenden Abkommen“. Man habe sich über die Darstellung des Viag-Chefs „sehr gewundert“, sagt T-Mobil-Sprecher Stephan Althoff: „Es gibt kein Abkommen“. Allerdings führe man mit der Viag Interkom-Gespräche über ein nationales Roaming-Abkommen, bestätigte T-Mobil. Dergleichen würde man nicht tun, wäre man nicht an einem positiven Ergebnis interessiert. Die Regulierungsbehörde hätte jedenfalls nichts gegen ein nationales Roaming-Abkommen: „Das ist nicht verboten“, teilte die Bonner Behörde mit.
Wie auch das Fingerhakeln um die freiwillig-unfreiwillige Zusammenarbeit der deutschen Mobilfunkanbieter auch ausgehen mag, es handele sich nur um „Übergangslösungen“, versichert Viag Interkom. Bis zum Jahr 2000 wollen die Newcomer ihr Netz flächendeckend ausgebaut haben. Ob das so schnell geht und die Viag-Kunden dann auch noch bei ihren niedrigen Preisen (29 Pf für Ortstelefonate rund um die Uhr, 99 Pf für Ferngespräche tagsüber) bleiben kann, bezweifelt T-Mobil-Sprecher Althoff: „Allein in diesem Jahr stecken wir 1 Mrd. DM in den Netzausbau, und nächstes Jahr noch etwas mehr.“ Dagegen erscheinen die „Anlaufverluste“ der Viag Interkom von 700 Mio. DM in diesem und 800 Mio. DM Mark im kommenden Jahr bescheiden.
Unterdessen weckte Viag-Chef Simson Zweifel, ob die Tochter Interkom tatsächlich überall in Deutschland mit eigenen Sendeanlagen vertreten sein will. Der Viag-Chef verwies auf den Mobilfunkmarkt in Großbritannien, wo sich Anbieter in abgelegenen Gegenden gegenseitig unter die Arme greifen. Man müsse sich schon fragen, ob es in Deutschland überall vier Mobilfunknetze geben müsse.
RALF MÜLLER

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