Die digitale Spaltung der Gesellschaft: Ober- und Unterschicht auch im Internet
61 Jahre alt, unterdurchschnittliche Bildung, weiblich, nicht berufstätig und ein Haushaltsnettoeinkommen unter 2000 €. Zu diesem Ergebnis kam kürzlich eine Auswertung des (N)onliner Atlas 2006, der von der Initiative D21 auf Basis von über 50 000 Interviews zusammengestellt wurde.
Alter“ und „Bildung“ – das sind die bestimmenden Merkmale für Nutzung oder Nichtnutzung des Internets. 58 % der Deutschen surfen heute im Web. Um diese Quote weiter zu steigern, will Europas größte Partnerschaft von Politik und Wirtschaft sich künftig auf drei Tätigkeitsschwerpunkte konzentrieren: digitale Integration, digitale Kompetenz und digitale Exzellenz.
„Die digitale Spaltung der Gesellschaft entspricht der aktuellen Debatte über Ober- und Unterschicht“, sagte Hannes Schwaderer, Geschäftsführer von Intel für Mitteleuropa und stellvertretender D21-Vorsitzender. Alte Menschen halten sich oft aus Angst vor unbekannter Technik und ihren Sicherheitsrisiken vom Internet fern. Außerdem ist ihnen noch oft der individuelle Nutzen unklar, den sie aus dem Netz ziehen können. Und viele Senioren schrecken die vielen Anglizismen in der gängigen Netzterminologie ab.
Dagegen hapert es in den Schulen immer noch an der flächendeckenden Ausstattung mit PCs. Und so mancher Lehrer verzichtet aus Mangel an eigenen PC-Kenntnissen auf die Computernutzung im Unterricht. Hier schafft zumindest die Demografie Abhilfe, denn in den nächsten Jahren werden viele Pädagogen in den Ruhestand gehen und durch IT-affinere Hochschulabsolventen ersetzt.
„Das Aufholen der Offliner ist kein Selbstläufer. Gefragt sind nutzenorientierte Informationen, Anwendungsbeispiele und Lernangebote, ebenso wie öffentliche Internetzugangsorte und einfach zu nutzende Technologien“, kommentierte D21-Vorstand Professorin Barbara Schwarze, Vorsitzende des Kompetenzzentrums Technik-Diversity-Chancengleichheit, die Studie.
Bei der Jahresveranstaltung von D21 konzentrierte sich Internet-Guru Ossi Urchs auf das Web 2.0 als „eine der Zukünfte des Internets“. „Web 2.0 ist zunächst eine Haltung, keine Technologie. Es ist kein Design-Trend, sondern Lifestyle, besonders für junge Leute. Es ist auch kein Geschäftsmodell, selbst wenn sich damit Geschäfte machen lassen“, skizzierte er die Web-Philosophie. Es ermögliche den Übergang vom traditionellen E-Commerce zum sozialen E-Commerce in einem „digitalen Ökosystem“. Dabei ist das Web 2.0 durchaus kommerziell attraktiv, denn der Netzwerkeffekt führe zu exponentiellem Wachstum. Inhalte müsse man nur einmal, in der Regel mit wenig Aufwand, ins Netz stellen und könne dann lange Zeit von Nutzungs- und Lizenzgebühren profitieren.
Dem Nutzer komme in der digitalen Wirtschaft eine neue und aktive Rolle zu. „Die Unternehmen sollten sich von ihren Kunden an der Hand nehmen lassen“, forderte Urchs. Auch die Wissens-pyramide kehre sich um, da die Älteren von Jüngeren den Umgang mit bestimmten Netznutzungen lernen könnten.
Lernen war ohnehin einer der Schlüsselbegriffe der Jahresveranstaltung. Sei es, dass Urchs zufolge alle den Umgang mit ihren digitalen Spuren im Netz im Sinne einer digitalen Biografie lernen müssten, sei es, dass viele die Fertigkeit erwerben müssten, zwischen Information und Desinformation zu unterscheiden, wie Arne Klempert, Geschäftsführer von Wiimedia Deutschland, betonte. Er regte ein eigenes Schulfach „Medienkompetenz“ an. Seine Vision: „Ich hoffe, dass im Web 3.0 alle weltweit miteinander kommunizieren.“ ULRICH HOTTELET
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