Informationstechnologie 07.05.1999, 17:21 Uhr

Deutschland auf dem Weg in die Informationsgesellschaft

Deutschland könnte zum Vorreiter der E-Society werden. Die Unternehmen stellen sich darauf ein, aber der Staat und wichtige gesellschaftliche Gruppen haben noch nicht gleichgezogen. Dies stellt IBM-Deutschland-Chef Erwin Staudt fest. Nachfolgend Auszüge aus einer Rede.

Die E-Business-Revolution verläuft schneller und dynamischer als ursprünglich erwartet. E-Business ist heute Realität.
Netzwerkhersteller Cisco erwirtschaftet 70 % seines Umsatzes online, in den USA werden bereits 5 % des Buchhandels über das Internet abgewickelt. Auch IBM ist inzwischen eine der führenden E-Business-Companies. Wir haben von unserer Net.commerce-Lösung inzwischen über 2000 Lizenzen verkauft und sind in 10 000 Kundenprojekten involviert, die E-Business-Charakter tragen. In 1999 wird IBM voraussichtlich Waren und Services im Wert von rund 12 Mrd. Dollar über das Netz ordern, was ca. 240 Mio. Dollar an Kosten einsparen wird.
Das universelle E-Business-Prinzip verändert individuelle Lebensstile und gesellschaftliche Strukturen: Wir sind auf dem Weg zu E-Society.
Der kleine Walkman zeigt: Digitale Informationen und ihre Verarbeitung werden zu einem Signet unserer Gesellschaft. Und zwar sowohl wirtschaftlich, gesellschaftlich, politisch als auch privat.
Lernen: An Schulen, Hochschulen wie auch an den Arbeitsplätzen wird das Internet bzw. multimediale Lernformen einen integralen Bestandteil ausmachen.
Rechtsprechung: Nationale Gesetze haben auf das globale Medium Internet nur bedingt Zugriff. Was in Deutschland verboten ist, kann in den USA oder Dänemark erlaubt sein – und umgekehrt. Hier müssen dringend internationale Standards vereinbart werden.
Freizeit: Das Fernsehen wird zugunsten des Internets an Bedeutung verlieren. Schon heute zeigen Studien, daß gerade höher gebildete Personen oft mehr Zeit im Internet als vor dem TV verbringen. Laut einer ARD-Online-Studie reduzierte sich bei rund einem Drittel der Befragten seit ihrem Einstieg in das Netz der Fernsehkonsum. Insgesamt erwarten rund 95 % einen höheren eigenen Zeitbedarf für Online-Aktivitäten und sind gleichzeitig der Meinung, daß sich dadurch ihre Fernsehnutzung weiter reduzieren wird.
Informations- und Kommunikationsverhalten: Das Internet stellt eine Erweiterung unserer Kommunikations- und Informationsmittel dar – eine extrem leistungsfähige Erweiterung. E-Mail wird auch im persönlichen Bereich an Bedeutung gewinnen.
Soziale und persönliche Beziehungen: Schon heute gibt es einen Trend zur Differenzierung und Individualisierung von Lebensstilen, sozialen Beziehungsnetzen und damit auch Zielgruppen. Das Internet bietet die Möglichkeit, sehr gezielt die Kommunikationspartner zusammenzustellen und Informationsangebote zu personalisieren. Die Folge ist, daß wir noch mobiler, flexibler und individualisierter leben können und gleichzeitig in soziale Beziehungen und Strukturen eingebunden sind.
Deutschland hat die kritische E-Business-Masse erreicht und damit das Potential, weltweit neben den USA zum E-Society-Vorreiter zu avancieren.
Viele Indikatoren belegen, daß sich in den vergangenen zwei Jahren in Deutschland ein deutlicher Wandel, ein Aufbruch vollzogen hat:
Die Nutzerzahlen des Internets schwanken, je nach Quelle, zwischen 7,3 Mio. und 8,5 Mio. bis Januar 1999.
Die Online-Umsätze sind in den vergangenen sechs Monaten um mehr als 50 % gestiegen. Die Umsatzzahlen beim Online-Shopping in Deutschland lagen 1998 bei ca. 420 Mio. DM.
Die Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes brachte viele neue Anbieter hervor, große Unternehmen sind ins E-Business eingestiegen, innovative Startups wurden gegründet.
Wollen wir die Potentiale der E-Society für unser Land nutzen, müssen wir Veränderungen nicht nur akzeptieren, sondern sie wollen und provozieren. Die Chancen liegen im Wandel – sowohl individuell als auch gesellschaftlich.
Im E-Business-Zeitalter ist es immer unwahrscheinlicher, daß ein Arbeitnehmer Zeit seines Lebens bei ein- und demselben Unternehmen beschäftigt ist – allein die Vielzahl der laufenden Mergers&Aquisition oder Outsourcing-Projekte sorgen für Veränderungen. Wer diesen Wandel annimmt und für sich nutzt, hat viel bessere Chancen, sich beruflich weiterzuentwickeln, neue, interessantere und besser bezahlte Positionen zu bekleiden.
Im E-Business-Zeitalter sind Menschen wichtiger als Maschinen. Es kommt darauf an, daß die Mitarbeiter richtig qualifiziert sind und sich als Unternehmer verstehen. Die Chancen liegen darin, Unternehmer im Unternehmen zu finden und diese Mitarbeiter zu beteiligen – bis hin zu Stockoptions.
Das Verhältnis von Staat und Bürger kann neu organisiert werden. Der Staat ist Dienstleistungspartner seiner Bürger – die Bürger haben darüber hinaus neue Möglichkeiten, sich zu artikulieren. Das gilt auch und vor allem in lokalen und regionalen Kontexten.
Der Staat und andere große gesellschaftliche Gruppen wie etwa die Gewerkschaften sind noch nicht aufgewacht. Das hat zwei negative Konsequenzen: Der Staat „produziert“ zu teuer – er wäre als Unternehmen heute nicht mehr konkurrenzfähig. Und der Staat – vor allem die Bundesregierung – schafft nicht die optimalen Rahmenbedingungen für die Entwicklung der E-Society.
Der Staat steht vor der gleichen Aufgabe, vor der die Unternehmen Ende der 80er standen: Drastisch die Kosten zu senken und trotzdem die Qualität der Leistung und die Innovationszyklen zu steigern. Automobilindustrie, die Chemie, der Handel und andere Branchen haben hier enormes geleistet. Mit neuen Strukturen und dem Einsatz von Informationstechnologie wurden große Produktivitätsschübe verzeichnet. Das könnten staatliche Institutionen auch. Die Wirtschaft ist heute dem Staat in der Effizienz und Leistungsfähigkeit seiner Strukturen und Prozesse um mindestens 15 Jahre voraus. Der Staat wäre als Unternehmen heute nicht mehr konkurrenzfähig.
An der Gesundheitsreform läßt sich beispielhaft die „Rückständigkeit“ der Diskussion nachvollziehen. Hier geht es „klassisch“ um eine deutliche Kostensenkung bei mindestens gleichbleibender Qualität.
In der aktuellen Reformdiskussion spielt die Einführung und Nutzung von Informationstechnologie im Gesundheitswesen überhaupt keine Rolle. Dabei wären neue Strukturen und Organisationsformen zusammen mit Electronic-Medicine in der Lage, diesen gordischen Knoten zu lösen – so wie in der Wirtschaft auch.
Wenn wir die Chancen der E-Society nutzen wollen, muß der Staat Leadership zeigen. Es gibt einen Bundesverkehrs-Wegeplan, jedoch keinen Datahighway-Plan. Deutschland braucht eine umfassende Strategie für den Einstieg und die Ausgestaltung ins E-Business-Zeitalter.
Der Staat beeinflußt sowohl über Gesetze und Investitionen die gesellschaftliche Dynamik. Mit diesen beiden Hebeln kann er die Entwicklung zur E-Society bremsen oder fördern. Vier Bereiche sind zentral:
Bildung: Qualifikationen spielen in der E-Society eine Schlüsselrolle. Schüler und Studierende müssen selbstverständlich mit computergestützten Lernmitteln umgehen können. Es müssen die phantastischen Möglichkeiten des Electronic-Learning erschlossen werden. Es darf nicht sein, daß Kinder aus sozial schwachen Schichten hier einen Nachteil erleiden, weil sie privat das Geld für einen PC nicht haben und die Schulen das notwendige Wissen nicht vermitteln. Von daher müssen als vordringliche Aufgabe Lehrer und Schulen in die Lage versetzt werden, computergestützes Lernen anzubieten.
Verwaltung / Administration: Der Staat muß seine eigenen Geschäftsprozesse auf die Grundlagen von E-Business stellen. Jeder Arbeitsplatz in den Verwaltungen muß ein vernetzter PC sein. Grundbücher, Familienbücher, Bilanzen und Steuererklärungen, Beweismittel etc. müssen digitalisiert und archiviert werden. Für die Bürger muß es möglich sein, sich online umzumelden, Kindergeld zu beantragen, eine Steuererklärung abzugeben oder einen Bauantrag zu stellen.
Ausschreibungen / Investitionen: Aufträge der öffentlichen Hand müssen online veröffentlicht werden.
Gesetzesrahmen: Der gesetzliche Rahmen für E-Business muß einfacher werden. Mehr als fünf verschiedene Gesetze und Verordnungen regulieren das E-Business (siehe Multimedia-Gesetz). Dieser Gesetzesdschungel erzeugt Rechtsunsicherheit anstatt für Klarheit zu sorgen. Vor allem darf Deutschland keinen nationalen Sonderweg gehen.
Flexibilisierung des Arbeitsrechts: Die Dynamik des E-Business verträgt sich mit den starren Vorschriften des Arbeitsrechts nur schlecht. Heute kann es nicht mehr darum gehen, Arbeitnehmer vor Ausbeutung, Willkür und Arbeitsplatzrisiken zu schützen. Heute muß es darum gehen, das Potential des Arbeitsmarktes maximal auszuschöpfen.
In der Entwicklung der E-Society darf Deutschland keinen nationalen Sonderstatus einnehmen, sondern muß politisch und wirtschaftlich eine Führungsrolle übernehmen. Das Potential dazu ist vorhanden. Nutzen wir es also!
ERWIN STAUDT
Erwin Staudt beklagt, daß der Staat in der Effizienz und Leistungsfähigkeit „um mindestens 15 Jahre“ der Wirtschaft hinterherhinkt.

 

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