Der Telekomboom geht zu Ende
Fast alle Telekommunikationskonzerne korrigieren ihre Gewinnaussichten nach unten. Damit die Aktionäre die Nerven behalten, hagelt es massenweise Kündigungen, die Produktion wird zurück gefahren.
Hiobsbotschaften gab es in der letzten Woche zuhauf: Philips will 6000 bis 7000 Arbeitsplätze abbauen. Ein Siemens-Sprecher verkündete die Streichung von 2000 befristeten Stellen in der Handyproduktion. Ericsson verschickt in diesem Jahr voraussichtlich sogar an 15 000 Mitarbeiter Entlassungspapiere, der Netzwerk-Riese Cisco plant die Kündigung von 8 500 Angestellten.
Die bisherige Boombranche Telekommunikation kränkelt. Ursache ist, wie die Firmenchefs fast unisono lamentieren, die lahmende US-Konjunktur. Motorola senkte die Erwartungen des weltweiten Handymarktes auf 425 Mio. bis 475 Mio. Geräte – vor einem halben Jahren waren die Hersteller von 550 Mio. Stück ausgegangen. Billig-Handys hatten die Netzbetreiber schon auf der CeBIT den Kampf angesagt.
„Auswirkungen auf die Verbraucherpreise werden die Stellenkürzungen nicht haben“, glaubt dennoch Siemens-Unternehmenssprecher Axel Heim. Es komme nicht zu einer Verknappung, sondern es handelt sich lediglich um einen Abbau von Überkapazitäten. „Der Markt entwickelt sich weiterhin sehr positiv, alles andere ist Panikmache.“
Siemens konzentriert seine deutsche Handy-Produktion auf den Standort Kamp-Lintfort. In Bocholt und Leipzig werden keine GSM-Handys mehr hergestellt. Tags zuvor hatte das Unternehmen bereits angekündigt, jede vierte Stelle in der deutschen Produktion zu streichen. Heim spricht von der „Rückkehr zur Normalität“. „Wir wollen weiterhin schneller wachsen als der Markt“, betont er.
Philips sitzt auf steigenden Lagerbeständen. Der Konzern rechnet im Markt für Telekommunikations-Geräte und PC mit Verlusten. Der Nettogewinn ist bei Philips im ersten Quartal von 1,14 Mrd. Euro im Vorjahr auf 106 Mio. gefallen. Für das zweite Quartal erwartet Philips sogar rote Zahlen.
Manches Problem der Konkurrenz ist denn auch hausgemacht, bei Cisco hat man wohl die Lage falsch eingeschätzt. Der Verlust im laufenden Quartal werde sich auf 3 Mrd. Dollar belaufen, hieß es. Der Umsatz sei allein von Februar bis April um 30 % auf 4,7 Mrd. Dollar zurückgegangen. „Dies ist möglicherweise das höchste Tempo, mit dem jemals ein Unternehmen unserer Größe geschrumpft ist“, räumte Konzernchef John Chambers ein. An eine derartige „Jahrhundertflut“ hat er nicht geglaubt. „Nicht nur, dass sie während unseres Lebens auftritt, nein, sie ist um fünf Größenordnungen höher, als wir es für möglich gehalten haben.“ FOLKER LÜCK