Carrier aus Essen – Pionier in Osteuropa
Während die Netzbetreiber in Deutschland und anderen Ländern Mitteleuropas mit sinkenden Margen kämpfen, baut Infigate sein Geschäft in Osteuropa kontinuierlich und erfolgreich aus.
Klaus Kirchhöfer war von Anfang an dabei: „Als wir vor einem Jahr Infigate gegründet haben, war Westeuropa mit mehr als 20 Carriern in Europa, die Glasfasernetze betreiben, auskömmlich versorgt“, erläutert der CEO und damit Chef der Essener Firma. Die östlichen Nachbarn der Europäischen Union hingegen haben noch einen erheblichen Nachholbedarf. Die erwartete Mitgliedschaft in der Europäischen Union unterstützt zudem die Öffnung der Märkte und eine zunehmende Liberalisierung im Bereich Telekommunikation.
„Die Märkte stehen heute da, wo Deutschland ungefähr vor drei Jahren war. Wir nutzen jetzt die Zeit, um die gleichen Strukturen aufzubauen, wie sie bereits in Zentraleuropa existieren“, erläutert der ehemaligen RWE-Manager Kirchhöfer. In den fünf Jahren vor Gründung seines eigenen Unternehmens war er für die gesamten Telekom-Aktivitäten von RWE in Zentraleuropa zuständig. In dieser Zeit hat Kirchhöfer für RWE-Telliance u. a. auch Telekommunikations-Gesellschaften wie Aliatel in Tschechien und Novacom in Ungarn aufgebaut.
Als dann feststand, dass die TK-Aktivitäten des RWE-Konzerns weitgehend zurückgefahren werden sollten, haben Kirchhöfer und ein Team von rund 15 Mitarbeiter das Unternehmen verlassen. „Diese Leute hatten nicht nur ein hohes Maß an technischer Kompetenz, sondern kannten sich zudem noch in den Märkten Osteuropas sehr gut aus“, beschreibt Kirchhöfer selbstbewusst die Ausgangssituation für Infigate.
Die Geldgeber zu überzeugen war nicht schwer: Zu Anfang finanzierte VC-Allchemie die Infigate-Aktivitäten. Mitte 2000 stieg die Deutsche Bank über die DB-Investor als Kapitalgeber ein. Grund dafür war, dass der Aufbau der Netze um drei Jahre vorgezogen wurde. Die Netze sollen jetzt bis Ende 2004 fertig gestellt werden. Dabei liegt Infigate gut in der Zeit, „der so genannte Südring von Budapest über Wien nach Frankfurt wird bis Ende dieses Jahres fertig gestellt sein“, verspricht Kirchhöfer.
Wie Betreiber in anderen Ländern auch arbeitet Infigate in den Zielländern mit den Energieversorgern zusammen, die bereits über die notwendigen Wegerechte verfügen. Partner in Tschechien ist die TransGasNet, in Ungarn der regionale Energieversorger sowie die dortige Autobahnbetreibergesellschaft. Für die Trassenführung in Österreich besteht eine Kooperation mit Siemens Austria.
Von den insgesamt 70 Infigate-Mitarbeitern arbeitet die Hälfte an den ausländischen Standorten in Budapest, Prag, und Wien. Dabei profitiert Kirchhöfer von den Kontakten in Tschechien und Polen. „Wir hatten den Vorteil, dass wir keine Come-together-Parties brauchten, um erst ein Team zu werden“, begründet Kirchhöfer den kurzen Zeitraum von nur knapp einem Jahr, in dem Infigate sich zu einem Unternehmen mit verfügbarem Leistungsangebot für die Kunden entwickelte.
Den Ehrgeiz gegen die inzwischen etablierten Carrier im Westen wie Worldcom, Global Crossing oder auch die Deutsche Telekom zu konkurrieren haben Kirchhöfer und sein Team erst einmal nicht. Im Gegenteil: „Wir versuchen diesen Unternehmen, die im Augenblick nicht über eigene Ressourcen in diesen Ländern verfügen, unsere Leistungen zu verkaufen“, verweist Kirchhöfer auf die zwischen Carriern übliche Kooperation. Die Verbindung nach Nordeuropa wird z. B. mit der schwedischen Telia organisiert.
Als Carrier für Carrier bietet Infigate deshalb „erst einmal eine regional fokussierte Leistung, die vorerst nicht im Wettbewerb zu den anderen Anbietern steht.“ Zu seinen Kunden zählt Infigate weiterhin Internet Service Provider. „Wenn lokale und regionale Unternehmen die Landesgrenzen überschreiten wollen und ein Gateway in die internationale Infrastrukturen wollen, dann sind sie unsere Kunden“, so Kirchhöfer.
Die Entwicklung der Märkte in den Nachbarländern der Europäischen Union stimmt Kirchhöfer optimistisch. Der Nachholbedarf an Telekommunikations-Infrastruktur und -Services sei noch längst nicht gesättigt. „Gemessen an Westeuropa ist u. a. die Zahl der Internetanschlüsse und Mobilfunkteilnehmer heute noch sehr niedrig.“
Während der Markt in Deutschland im Jahr 1999 bei 46 Mrd. Euro lag, waren es in Ungarn 2,3 Mrd. Euro, in Tschechien 1,9 Mrd. Euro und in Polen 4,8 Mrd. Euro – und das jeweils sowohl für die Fest- als auch die Mobilnetze. Die größten Abstände zu Deutschland sind derzeit in der Internetanbindung zu finden: Ende 1999 waren es in Deutschland 12,2 %, in Ungarn 6 %, Tschechien und Polen jeweils 4 %.
Vergleichbar mit der jüngsten Entwicklung in Westeuropa wird seiner Meinung nach sowohl die Zahl der Internetnutzer als auch der Handys in Osteuropa rasant steigen und damit auch der Bedarf an mehr Leitungskapazität. Dazu tragen künftig vor allem auch neue Netze wie UMTS bei, die, so Kirchhöfer, „langfristig die Festnetzanschlüsse ersetzen“.
Zusätzlich zum Geschäft mit Leitungskapazität will Infigate auch mit so genannten Telehäusern und Hosting-Services Geld verdienen. Das Investitionsvolumen für die nächsten fünf Jahre liegt bei 450 Mio. DM, davon sollen allein in den nächsten beiden Jahren rund 400 Mio. DM Mark ausgegeben werden.
Um schnell in die Gewinnzone zu kommen setzt Infigate bei der Organisation der Abläufe auf flache Hierarchien und einen hohen Grad der Automatisierung bei den Prozessen in der Administration. Zentrale Funktionen an einzelnen Standorten ersetzen eine Firmenzentrale. „Wir haben zwar das Headquarter in Essen, aber alle andere Funktion sind verteilt“, erläutert Kirchhöfer. Das Network-Management Center ist in Budapest angesiedelt, der Bereich Business Development in Wien. Die anstehende Expansion nach Südosteuropa wird aus nächster Nähe betreut. D. WENDELN-MÜNCHOW
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